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Man of Steel

Wieder ein perfekter HIN-Film, ein Film perfekt nach Hollywood-Industrie-Norm. Eine solide Story, stabil tragfähig um einen Besitzstreitkonflikt herum gebaut, der in einem Vorspiel ausgebreitet wird.

Klassisch der Konflikt, klassisch die theatrale Inszenierung dieses Vorspiels, schön gesprochen wie bei Shakespeare; Eröffnungstehpartie in einem Bühnenbild in einer Stilmischung von anthroposophisch (alles Rundungen) bis zu Art Deco, Hokuspokus-Brimobrium an Ranken und Verzierungen und Pflanzenknollen- bis Vaginaelementen und einem Schuss Archaik. In diesem Wust-Wulst wird erzählt, dass auf dem fernen Planeten Krypton seit Jahrhunderten wieder ein biologisches gezeugtes Kind zur Welt gekommen ist, Kal-El als Sohn des Forschers Jor-El. General Zod ist nun scharf auf den Gen-Kodex dieses natürlichen Menschen. Aber der biologische Vater schickt den Säugling in einer knollenförmigen Kapsel ins Weltall, um sie vor dem Untergang von Krypton zu retten. Der General schwört, den Säugling zu finden und ihn für den Wiederaufbau von Krypton nutzbar zu machen.

Schnitt. Kal-El ist inzwischen auf der Erde gelandet, in Kansas und wird hier als Clark Kent von biederen Farmern auf dem Land, wie Amerika nur ländlich schön und paradiesisch sein kann, aufgezogen.

Von der Etablierung des Verfolgungs- und Kodexbeschaffungskonfliktes bis zum Endkampf zwischen dem General und dem längst erwachsenen Kal-El, bleibt nun viel Filmzeit zu füllen vor allem mit Schlachten (dadurch Überlänge des Filmes erreichend; dies und ein vollkommen überflüssiges 3D sollen für erhöhten Umsatz an den Kassen sorgen und damit für eine bessere Positionierung in den Charts, auch das eine sich für clever haltende HIN-Norm-Kalkulation), und weiteres Füllmaterial aus Rückblenden und einem absolut stereotypen (nach HIN-Norm) Ansatz zu einer Liebesgeschichte mit einer Reporterin.

Die Schauspieler selbst sind auch nach Norm besetzt, Talent ist nicht die Frage, mehr die Proportionen des Gesichtes, Weichheit und Härte je nach Geschlecht und beim Mann allenfalls, wenn er der große, starke Held ist, für ein paar Bilder noch der Muskelbau des Oberkörpers für einige sparsam eingesetzte Halbnackt-Aufnahmen, wirkungsvoll, wenn er einen aus Brandgründen einstürzenden Ölbohrtum mit seinem Oberkörper solange stützt, bis der Rettungshelikopter mit überlebenden Arbeitern noch abfliegen kann, zwar nicht Weltenträger wie Atlas, aber immerhin Ölplattform-Eisengestänge-Stützer.

Einmal sieht unser Hauptheld mit Bart und schwarzem Haupthaar ähnlich aus wie das Klischee vom islamistischen Terroristen. Weiteres Füllmaterial in diesem Film sind Rückblenden auf die irdische Kindheit von Kal-El als Clark Kent. Amerikanischer Landbub und glücklich. Aber wie einige Beispiele zeigen, mit außerordentlichen Kräften ausgestattet. Und, das wäre vielleicht ein wirklich spannendes, zeitnahes Problem, wie die Menschen umgehen mit einem, der nicht so ist wie sie, der über einige extravagante Eigenschaften, heldische, supermanhafte, verfügt; sozusagen die Herausforderung der Herrschaft der Mediokrität, das wäre ein Thema, wird hier allerdings mit dem Halbsatz abgetan, dass es nicht gut für die Menschen sei, davon zu erfahren. Also im Moment, wo der Film auf ein Thema stößt, was leicht innovativ behandelt werden könnte und sicher einen Zeitgeist träfe, wendet er sich ängstlich ab und seiner alt-vertrauten HIN-Norm-Alität zu. Die einem alles in allem hinlänglich und bis zur Reizlosigkeit bekannt und wiedergekäut vorkommt, mag der eine oder andere Fan vielleicht eine neue Ranke in dem Deko- und später Schlachtenwust entdecken.

Ein Schulbusunfall lässt eine dieser hervorragenden Eigenschaften sichtbar werden. Retten – und dafür schräg angeschaut werden; kein Wunder, wenn ein etwa zehnjähriger Schulbub einen abgesoffenen Schulbus von Hand aus den Tiefen des Wassers ans Ufer schiebt. Talente, die besser verborgen bleiben. Nicht anders wird es auf einer Station im Eis der Armee passieren. Dort will eine Bildjournalistin Fotos machen und entdeckt dabei Sensationen, die keiner wahrhaben oder dokumentiert haben will.

Auch ein Hurrikan kann zu so einer Herausforderung werden. Wobei die Macher dieses Filmes, es sind Zack Snyder als Regisseur und David S. Goyer und Christopher Nolan als Drehbuchautoren, die die Comics von Jerry Siegel und Joe Shuster als Recyclingmaterial benutzen durften, weniger an den Reaktionen der Mitmenschen auf tollkühne Heldenaktionen, als auf Ausmalung der Folgen eines Hurrikans wert legen; was der Erzählspannung nicht sonderlich förderlich ist. Um das auszugleichen wird ein melodramatisches Moment hineingezwängt, wie es darum geht – der böse General ist inzwischen auf der Erde aufgetaucht – den entdeckten Krypton-Flüchtling gefangen zu nehmen, und die Fotografin sich freiwillig als Mitgeisel meldet. Herzlichkeit aus der Kommandoschublade.

Dass General Zod es also geschafft hat, aus der Verbannung in der Phantom-Zone zu entkommen, öffnet das Ventil zu unendlich vielen Schlachtenbildern, laut, lauter am lautesten, rettungslos und zu vielen post-9/11 Hochhauseinsturzreminiszenzen.

Der Satz „he did it“ bringt leider noch keine Erlösung. Erst mit dem Satz: nur einer von uns zweien kann diesen Kampf überleben und ich war erzogen, ein Krieger zu sein, das zum braven Bub aus Kansas gesagt, nähert sich dem Zuschauer allmählich die Erlösung von der 3D-Brille, während die computeranimierte Effektmaschinerie nochmal auf Hochtouren zur definitiven Agonie sich aufbäumt.

Gambit

Schach wird in diesem Film von Michael Hoffman, zu dem Ethan und Joel Coen das Buch geschrieben haben, nicht gespielt. Obwohl der Titel auf eine berühmte Eröffnung beim Schachspiel referiert, bei dem der Spieler ein kalkuliertes Bauernopfer bringt.

Das Spiel, das Machtspiel, das Rachespiel, was hier stattfindet, ist eines des Kunstkurators Harry Deane, der von Colin Firth gespielt wird, gegen den ihn kujonierenden Boss Shabandar, gespielt von Alan Rickman. In der Fantasie von Colin Firth ist Shabandar ein grobschlächtiger Engländer, der gerne als Nudist im Büro sitzt und mit breit aufgerissenem Mund und derber Sprache seine Mitarbeiter wie Schweine behandelt. Ein wahrer „shitbag“. Diese Träume im Film zu illustrieren setzt Alan Rickman gewaltige Theatermittel und -stimme ein.

Shanbandar ist ein bedeutender Medienunternehmer, superreich und Kunstsammler dazu. Ein wichtiges Stück in seiner Sammlung ist ein Bild von Monet, „Heuschober in der Morgendämmerung“, das Shabandar vor Jahren für 11 Millionen britische Pfund ersteigert hat. Zu diesem Bild existiert ein Pendant, „Heuschober in der Abenddämmerung“, da sind die Schatten der beiden Heuhaufen deutlich länger. Dieses Bild gilt als verschollen. Mit der vermeintlichen Wiederentdeckung des Bildes will Deane seinen Chef ködern und ihm 20 Millionen Pfund abknöpfen; denn Deane kennt einen Hobbymaler, der ein genialer Bildfälscher ist.

Beim Versuch, den Plot nachzuerzählen, wird sofort klar, dass die Schreiber, die Coen-Brüder also, Vollprofis in ihrem Beruf sind, die das Komödienhandwerk aus dem Effeff kennen und beherrschen. Hier schien ihnen das offenbar allzu leicht; also machten sie es sich doppelt schwer. Einmal mit der Eingangssequenz, die sich dezidiert an Peter Sellers und dem rosaroten Panther orientiert, indem sie in ähnlicher Weise eine animierte ist und auch der Sound dazu als Referenz an die bekannte Melodie. Aber sie machten es sich auch schwer mit der Figurzeichnung des Harry Deane. Der scheint in manchen Dingen so tapsig, so ungeschickt – ihm wurde aber nicht das Gegengewicht, jene Peter Sellers-Eigenschaft, die diesen so großartig das Unglück immer wieder überstehen lässt, zugeschrieben, ein forsches, beherzt-naives Draufgängertum nämlich, nein Deane ist ein Frustrierter, weil er von seinem Chef so wenig Anerkennung genießt, eine humorlose Figur, die noch dazu allzu plump selber den Chef auf das Bild aufmerksam macht.

Deane hat nämlich mit seinem Hobby-Maler-Freund (der dürfte gerade dabei sein, einen Gerhard Richter zu fälschen) ausgeheckt, dass dem Bild eine Vorgeschichte mit dem dritten Reich, was filmisch längst nicht mehr zündet, mit Hermann Göring und einem amerikanischen Befreiungssoldaten angedichtet wird. So können sie erklären, dass dieser echte Monet in einem abgewrackten Wohnwagen irgendwo in Texas gelandet ist. Auch die Idee mit der sexy Frau, die ihn besitzt, ist ungefähr so originell, wie auf einem Autosalon eine Blondine vor ein neues Automodell zu stellen. Alles nur, um den Fisch zu ködern.

Zu schnell fängt leider in diesem Film das Gefühl des Déja-Vus an. Deane und sein Maler reisen nach Texas, um die Blondine aufzutreiben. Die reitet grade ein Rodeo. Aus der amerikanischen Filmtrickkiste, zum Beispiel Affe auf Pferd. Wobei es dramaturgisch voll in Ordnung ist, zuerst den Traum von Deane zu inszenieren, wie er sich vorstellt, wie alles reibungslos beim Chef abläuft, um dann die Realität dagegen zu stellen. Erstmals die texanische Realität. Zu dieser gehört die amerikanische, gespensterbahnhafte Filminventar-Alte, hier Variante: in Windeln. Mit der Blonden und der Alten wird ein Portrait im Wohnwagen gemacht, dahinter der Fake-Monet. Das Bild wird in einer Reportage in einer Pferdezeitschrift von Shabandar platziert.

Jetzt fängt es an sehr plump zu werden. Deane sucht extra seinen Chef auf, wundert sich bescheuert noch über dessen Anzug, weil er ihn aus seiner Wutfantasie als Nudisten im Chefbüro in Erinnerung hat, und macht ihn, schwerfüßiger geht es nicht, auf das Bild aufmerksam. Der Chef wundert sich, seit wann Deane sich für Pferdezeitschriften interessiere. Tut das Bild sogleich als Fälschung ab. Vermutlich hat der Chef seinen Kurator schon in diesem Moment durchschaut. Das macht es nicht spannender. Er pflückt stattdessen die blonde Blüte, die, weil er sich scheinbar darauf einlässt, diese samt Bild nach England zu holen, setzt diese in eine geschäftliche Auseinandersetzung mit Japanern ein, wie wir sie auch nur als Déja-Vu sehen können.

Die Charakterisierung von Dean ist auch in vielen Slapstick-Szenen schwerfällig, wenn sie auch alle gut inszeniert sind. Sein Problem mit einer Sitzgelegenheit beim Chef, mit einem Konservenglas in seiner Wohnung, mit einer von innen genässten Hose, alles nicht sehr originell, alles schon x-fach gesehen, wenn auch gründlich und ich würde sagen mit großer Leinwandpräsenz und -klarheit dargeboten; schließlich die Fassadenkletterei am Savoy-Hotel mit der chinesischen Vase (und die Dame im Zimmer, in das er sich flüchtet, die knalllaut eine dämliche Flatulenz ablässt, ha ha, dann er ohne Hose, ha ha). Da kommt die Idee auf, hier sind Schuljungs am Werk, die schon viele Filme gesehen, aber vom Leben keine Ahnung haben und von der heutigen Welt und was die Menschen darin beschäftigt und die jetzt auf dem Dachboden diesen Film entwickeln.

Spannend finde ich die Besetzung von Shahbandar mit Alan Rickman, der in vielen Moment an den fast 100-jährigen Berthold Beitz erinnert, der immer noch die Geschicke von Krupp lenkt. Aber Colin Firth ist kein Cromme. War ja auch nicht die Absicht. Und wenn Deutsche im amerikanischen Film vorkommen, dann doch lieber als Nazis. Halt, es kommt noch einer vor, der muss mindestens einen jüdischen Namen haben, Stanley Tucci als Martin Zaidenweber, der einen grausamen Dialekt aufbietet, der in Amerika wohl als Deutsch verscherbelt werden soll. Zaidenweber war Kurator in der Kunstsammlung Köln und bei der Sammlung Thyssen-Bornemisza.

Das größte Defizit dieses Filmes dürfte sein, dass sich die Autoren zu sehr bepisst haben vor Vergnügen, wenn sie Versatzstücke aus der Filmgeschichte gefunden haben. Darob scheinen sie vergessen zu haben, dass für das Funktionieren einer Komödie ein genaues Studium der Charaktereigenschaften der Figuren und vor allem der konsequente Einsatz dieser Eigenschaften in die Dynamik der Handlungsentwicklung nötig ist; dass es nicht reicht, es köstlich zu finden, weil einem die Hose nass wird vor Angst vorm Chef. Denn so einer ist nun garantiert nicht der Typ für einen Streich, wie derjenige, den Deane hier ausheckt. Sellers war nie eine frustrierte Figur, oder wenn, dann hat er mit Lust gegen den Frust gehalten. Das fehlt hier. Dieser bunten Suppe aus Slapstick- und Comedy-Versatzstücken fehlt die Würze eines antreibenden, umtriebigen Charakters. Colin Firth ist nun bei Gott kein Peter Sellers. Aber das ist nicht sein Fehler.

Die Monster Uni

Furchtbar, wenn einer einfach anderen keine Angst einjagen kann, wenn keiner Angst vor einem hat. Das ist das Problem von unserem grünen Einauge mit der Zahnspange, Mike Wazowski. Darum möchte er unbedingt auf die Monster-Uni aufgenommen werden. Denn dass, wer keine Angst einflößt, keinen Respekt genießt in unserer Gesellschaft, das ist der subtile Untertext dieser Animation aus den Disney Studios, der verschafft unserer Gesellschaft auch keine Energie. Das Buch stammt von Robert L. Baird, für die Regie zeichnet Dan Scanion.

Wir erhalten einen Einblick in das Funktionieren dieser Energie-Industrie. Das sind riesige Fabrikhallen. Hier gibt es keine Arbeiter, sondern Monster. Sie gehen durch die Monstertüren, landen in nächtlichen Kinderzimmern und versuchen die Schlafenden zu erschrecken. Je besser dies gelingt, desto stärkere Energieimpulse werden in das Stromnetz eingespeist und der Laden oder die Gesellschaft wird am Laufen gehalten. Wer also die Fähigkeit andere zu erschrecken nicht hat, der kann in dieser Hinsicht auch kein nützliches Glied unserer Gesellschaft werden.

An die Monster-Universität zu kommen, ist ein heiß begehrtes Ziel, denn der Andrang ist groß. Das gelingt Mike noch irgendwie. Aber um in die speziellen Kurse aufgenommen zu werden, die der Heranbildung wirkungsvoller Monster dienen, müssen Prüfungen bestanden werden. Es findet ein richtiger Wettbewerb statt um die Aufnahme in den begehrten Studiengang. Teams müssen gegeneinander antreten und bei jeder Runde fällt der Verlier raus. Am Schluss bleibt nur eine Gruppe übrig, die das begehrte Studium antreten darf.

Klar ist, sonst wäre es keine schöne Geschichte, dass unser Nicht-Monster-Monster Mike, den keiner Ernst nimmt, am Schluss das Obermonster werden wird. Um Mike bildet sich die Gruppe „OK“, alles köstliche, eher biedere Figuren, wie eine Familie Gartenzwerge, teils 5-äugig, teils zweiköpfig-je-einäugig und dreibeinig, dreitentakelig. Und dann ist da noch James P.Sullivan, der aus einer berühmten Monsterfamilie stammt, doch der Spross ist nicht ganz so tauglich. Wird sich aber widerwillig in die Gruppe integrieren und kann als der Erfahrenere dem Grünhorn Mike entscheidende Tipps und Ratschläge geben.

Es sind verrückte Bildwelten mit einer reizvollen Differenz zum realen Leben aber mit verblüffender Ähnlichkeit. Zum Beispiel die Szene in der Bibliothek, in der die Gruppen einen Wimpel mit ihrem Namen drauf von eine Büste hoch oben in der Wand holen müssen, ohne dass die Dinosaurier-Schlangen-Figur von Bibliotheksaufseherin aufmerksam wird, allein wie die OK-Truppe ganz leise, Schritt für Schritt in Einerreihe einmarschiert – tja, Bibliotheken sind eben heilige Orte. Und wehe, es knarzt. Dann wächst die graue Bibliothekseminenz ins Unermessliche, ihre Tentakeln greifen aus, umschlingen die Ruhestörer und schleudern sie in hohem Bogen aus der Bibliothek in einen Teich zum Gaudium der dort wartenden Massen.

Oder die erste Probe: ein Hindernislauf praktisch im Dunkeln durch eine Art Tunnel, überall liegen rot leuchtende Stachelkugeln, die furchtbar pieksen können; so dass nach dem Lauf unsere Truppe vollkommen deformiert und aufgequollen dasteht und dazu noch die letzten sind, die eigentlich damit aus dem Rennen raus wären. Konjunktiv.

Angenehm war, den Film in 2D schauen zu können; im Gegensatz zu anderen Animationen wird hier nicht versucht, das Bild mit Figuren so voll wie möglich zu stellen oder die Figuren ständig im Überschalltempo durchs Bild rasen zu lassen, es wurde auf eine klare Handlung, klares Vorstellen der Figuren wert gelegt, was die Geschichte leicht und mit großem Vergnügen verdaulich werden lässt und unentwegt diese merkwürdige Folie zu unseren konventionellen Schulen und Lehrstätten abgibt. Was die Realität sozusagen verrückt verrückt und in eine neues Licht zu setzen vermag. Das ist doch für einen Film ganz schön viel. Und dass die Art Story höchst konventionell ist, wird darüber fast aus dem Auge verloren. Dass es auch nur darum geht, sich gegen Vorurteile durchzusetzen. Ein Thema, was seine Aktualität leider wohl kaum je verlieren dürfte.

Wie immer ist es ein großes Vergnügen in der Originalversion die britischen oder amerikanischen Schauspieler solchen Figuren ihre Stimme leihen zu hören, Billy Cristal, John Goodman, Helen Mirren (ihr Stimme ist jene von Dean Hardscrabble, der Chefin der Monsteruni, einer Mischung aus Giraffe (nicht ganz) und Kackerlacke mit enorm viel Würde und nun wirklich nicht leicht zu erschrecken).

Interessant ist vielleicht auch zu sehen, wie sich ein Konventionalismus der Schreckensverbreitung einstellt und dass die wahrlich kreativen Lösungen auf sich warten lassen und nach Erfindern verlangen, denen man das nicht ansieht. So doch auch ein Film über Konvention, die nicht das A und O sein kann, sich aber so aufführt.

An der Monster-Uni lernen die Studenten genau das, was an realen Unis nirgends gelehrt wird, das Sich-Durchsetzen im Leben, paradox dabei, dass sie es genau mit den gleichen Methoden lernen und pauken wie jeder Student sein normales Fach, ob Jura, Medizin oder Germanistik. Das Lernbare. Das Lehrbare. Die Monster-Uni gibt vor, das Unlehrbare lehren zu können. Fürs Leben lernen wir und nicht für die Schule.

Die Musik macht Stimmung in den Varianten von fetziger Marschmusik über Studentliedermusik bis zum Zirkustusch, fröhlich, unbesorgte Gruppenmusik zu einem nicht ganz unernsten Thema, das Gespenstergehabe, das der Mensch wohl auf einem Weg zu einer Karriere einsetzen muss, auf dem Weg zum Ernstgenommen werden. Ein bisschen eine verkehrte Welt, in der das Nichtverkehrte recht verkehrt ausschaut.

Die mit dem Bauch tanzen

So spontan die Regisseurin Carolin Genreith aus „Der mit dem Wolf tanzt“ „die mit dem Bauch tanzen“ assoziiert hat, vermutlich des Klanges wegen, garantiert ohne gründliche Recherche oder gar Absicht der Referenz auf den berühmten Film, genau so spontan dürfte ihr die Idee gekommen sein, die Bauchtranzgruppe in einem Dorf in der Eifel zu portraitieren, in der ihre Mutter mitmacht. Das charakterisiert schon ganz gut die spontane Haltung.

Die Dokumentaristin selber ist sei über acht Jahren aus dem Dorf ihrer Jugend ausgewandert nach Berlin. Ihre Haltung zu der Gruppe vor allem älterer Frauen, die sich mittwochs zum Bauchtanz treffen und die einmal im Jahr eine Parisreise unternehmen, um dort ein Wochenende lang in Bars und auf Plätzen aus Freude zu tanzen, ist anfangs skeptisch bis zwiespältig. Das zeigt eines der ersten Bilder. Eine Kuhherde irgendwo in der Eifel, braungeflecktes Vieh, das glotzt nach vorn, alle in einer Richtung. Da ist eine Steinmauer. Über die kommen plötzlich die Frauen in ihren Bauchtanzkostümen in einer Reihe angetanzt. Ein groteskes Bild. Ein köstliches Bild.

Aber die Filmemacherin ist eigensinnig, so wie sich auch ihre Mutter herausstellen wird. Sie bleibt dran an ihrem Objekt. Ihre Neugier wird der Leitfaden ihres Berichtes. Drei Frauen beschreibt sie näher. Selbstverständlich ihre Mutter (und auch sich selbst, als dreißigjährige, beziehungslose Frau ohne geregelten Alltag), die davon erzählt, wie sie sich von ihrem Mann gelöst hat, wie sie nach reiflicher Überlegung ausgezogen ist und sich einen feschen, großen, jüngeren Mann mit Pferdeschwanz geangelt hat. Der scheint ganz happy, denn sie macht auch die Wäsche für ihn und schenkt ihm zum Martinitag einen Baum mit bunten Kreppbändern, was ihn schon verblüfft, so etwas hat er noch nie erhalten.

Marita ist die Leiterin der Gruppe, groß gewachsen, künstlich blonder Lockenkopf, seit ewig mit dem gleichen Mann verheiratet. Eine Frau, die nichts aus ihrer Heimat weg bringen könnte, die sogar zu ihrem Studium in Köln von zuhause aus gefahren ist. Sie arbeitet mit Behinderten. Das macht ihr Spaß. In ihrer Familie, die Tochter und die zwei Söhne sind jetzt erwachsen, gabs immer Struktur übers Jahr von Fasching und dem Wegfahren mit dem Wohnwagen an Pfingsten bis zu den Festen des Dorfes.

Ferner die Malerin, die forsche Bilder auf die Leinwand bringt, die allein ist und nicht so richtig darüber reden will, aber die auch Mühe hätte sich ein anderes Leben vorzustellen, denn sie kann machen, was sie will. Mit ihr erleben wir die Vernissage einer Ausstellung mit Bildern von ihr in einem Schloss, was hier ein öffentliches Gebäude ist.

Dann die Fahrt nach Paris, da war es unserer Filmemacherin anfänglich gar nicht so wohl im TGV, wie die Frauen mit leicht forcierter Fröhlichkeit ihre Brotzeit auspacken und mit Sekt sich zuprosten und dann die Stimmung in Paris.

Ein Film, der fürs Fernsehen gemacht worden ist, insofern von sich aus keine Kinoambition, an der er gemessen werden müsste, vorweist; der aber sicher besonders für Frauengruppen eine anregende Unterhaltung sein dürfte und Diskussionen über das Leben in der Stadt, oder so luxuriös, wie es dem Städter scheint, auf dem Lande, und sowieso über die Befindlichkeiten von Frauen im Zusammenhang mit dem Älterwerden und natürlich dem Bauchtanz ermuntern könnte. Weil es sich hier um einen sehr persönlichen, sympathischen Bericht aus dem Dorf handelt, dessen Qualitäten nicht zuletzt darauf beruhen, dass die Dokumentaristin diesen persönlichen Zugang zu den Menschen hat und offenbar die Filmemacherin überhaupt nicht hat raushängen lassen.

Confession

Stimmungsbilder inspiriert nach einem Roman von Alfred de Musset; als Grundlage für diesen Versuch einer Annäherung an Alphonse de  Musset dient der Regisseurin Sylvie Verheyde sein autobiographischer Roman „Bekenntnis eine jungen Zeitgenossen“, vor allem die Stimmung darin scheint die Filmemacherin zum Schwelgen in nostalgischen Bildern, farblich leicht verblasst wie in alten Fotoalben, verführt zu haben und erzählt insofern dass die Autorin vernarrt ist in Mussets Welt und deren Atmosphäre schwebend unausgesprochener Liebe und deren Tändeleien ohne dem unvoreingenommenen Zuschauer einen plausiblen Zugang verschaffen zu können, obwohl von der Hauptfigur Octave viel Musset-Text als Voice-Over eingesprochen wird. Sylvie Verheyde erzählt stattdessen, dass sie alte Betten, alte Bettwäsche, alte Interieurs, alte Klamotten, alte Unterwäsche mit jungen Menschen darin faszinieren.

Der Dichter Octave leidet an der Krankheit des Jahrhunderts. Er träumt von der großen Liebe. Er ist verliebt in Brigitte. Es ist schwärmerische Liebe, mindestens eine Stunde lang in diesem Film, eine unerklärte Liebe, eine nicht realisierte Liebe. Das hebt sie angenehm ab von der im heutigen Kino vorwiegend ohne jede Erotik dargestellte sexuellen Liebe, zack zack, dass noch bevor eine Erregung möglich ist, die Partner im Bett landen und sich im Sextraining abstrampeln.

Diese Liebe aber, die Sylvie Verheyde sich hier vorgenommen hat, die ist jedoch ein Stillstand. Eine Szene ist wie die andere, wenn nicht ganz ausnahmsweise mal eine Vase zerdeppert wird oder Geschirr. Octave wird gespielt von Pete Doherty, einem Sänger, der hier mehr hätte singen sollen als nur im Abspann den Song vom Little Bird im Cage, und dass Love das Brot, der Wein und die Seele sei. Brigitte wird gespielt von der deutlich auf älter hergerichteten Charlotte Gainsbourg, die somit den Altersunterschied auch als Liebesverhinderung vorgeben kann.

Brigitte und Octave sind also oft im Bild, gerne die eine Figur frontal und die andere maximal im Profil. Octave spricht Musset-Monolog-Sätze in voice-over. Es ist die Darstellung einer Befindlichkeit, einer Spannung der Ausgeglichenheit, die keine Dynamik in Gang setzen kann, diese geradezu verhindert. Denn diese Menschen leben in feinem Milieu, sie müssen nicht arbeiten, sie haben gar nichts zu tun, außer für die Liebe da zu sein. Die sie doch nicht erfüllen können. Im Wartestand vor der Liebe.

Nach etwa einer Stunde geht es dann doch darum, sich allmählich aus den vielen Klamotten zu schälen und sich körperlich näher zu kommen. Was merkwürdigerweise ohne besondere Erotik vor sich geht. Es wird noch die Gegenposition gegen die schwärmerische Liebe angeführt. Für sie ist als Darsteller August Diehl als Unsympath Desgenai engagiert worden, der die Männerwelt des Fleisches, des Kapitals in einem Englisch vertritt, was wie die Faust aufs Auge zum Schmelz von Dogherty passt.

Sich verzehren in Liebe mit dem immer gleichen, nicht uninteressanten Gesichtsausdruck, dem rundlichen Gesicht, wobei die Rundungen kaum mehr Kinderspeck sein dürften, aber so wirken sie bei Dogherty. Eine nicht besonders sympathische Figur, die nur darauf aus scheint, ihr eigenes Unglück zu zelebrieren oder die Feigheit vor der Liebe.

Nachdem die körperliche Liebe dann doch passiert ist, zieht das Paar für eine Weile nach Paris. Da taucht ein Verwandter von Brigitte auf. Octave wird eifersüchtig. Die Regisseurin scheint es zu genießen, in dieser leicht morbiden Bilderwelt sich suhlen zu können, etwas anhalten zu wollen, was sie nicht anhalten lässt. Unter gänzlichem Verzicht auf ein dramaturgisches Gerüst.

Ein Geschäft gibt es allerdings. Der Vater von Octave stirbt, das gibt ihm nicht nur ein Erbe, das die Paris-Reise erlaubt, es macht ihn offenbar auch frei für die körperliche Liebe. Dann treibt die Eifersucht Octave zur Idee einer plötzlichen Abreise aus Paris. Aber just in diesem Moment wieder ein merkwürdiger Stillstand, wie Brigitte stante pede mitgehen will, da macht er keine Anstalten. Dann will sie Briefe verbrennen, sucht leicht verdattert den Schlüssel für ihren Schreibtisch. Jetzt ist es an der Zeit, die Entwicklung von Octave zu verdeutlichen: er schaut selbstquälerisch in den Spiegel und stellt fest, dass er doch noch ein Kind sei, was dachte ein Mann zu sein.

Die Dramaturgie kann sich nicht für einen Protagonisten entscheiden, darum wabert der Film vornehmlich im Unentschiedenen. Sie will das Phänomen der Liebesverzehrung eines jungen Werthers bebildern? Daraus wird hier Octaves perpetuierter Missmut.

Berberian Sound Studio

Aneinandergereiht hat Regisseur und Autor Peter Strickland seine Bilder süffig. Er beschäftigt die Augen des Betrachters mit ausgesuchten Settings (Nostalgie 70er Jahre, Italien, Tonstudio, Vertonung eines Horrorstreifens über eine Reiterin, die nicht mehr reitet), mit schön ruhiger Personenführung und auch immer wieder geschmackvollen Nahaufnahmen von Tonbandgeräten oder von für den Ton zermampftem Obst und Gemüse. Wer zudem einen Bezug, ein Wissen oder Erlebnisse mit den „Giallo“-Filmen Italiens der 70er-Jahre hat, wird bestimmt zusätzlichen Reiz in diesem Film entdecken. (Giallo-Filme sind laut Wikipedia: Der Giallo (von ital. ‚gelb‘, Mehrzahl: gialli) ist ein spezifisches italienisches Subgenre des Thrillers, das von Mario Bava in den 1960ern begründet wurde und in den 1970ern seinen Höhepunkt hatte. Die Handlung dreht sich zumeist um die Aufdeckung einer Mordserie. In der Inszenierung werden vor allem detaillierte Mordszenen und Spannungsszenen durch stilvolle Kameraführung, Ausstattung und Musik betont.)

Allerdings entsteht bei diesem Film für den „Giallo“-Unbedarften doch eher der Eindruck eines studentischen Experimentes, eines akademischen Versuches einer Hommage an jene Zeit und an das Tonstudio. Während der Geschichte, die erzählt wird, die Dramatik praktisch fehlt. Die Story ist nämlich lediglich die, dass ein berühmter Ton- und Geräuschtechniker aus England, Gilderoy, von Produzenten Santini als Spezialist für die Vertonung eines Horrorstreifens gebucht wurde. Denn das soll eine ganz spezielle Tonmischung werden, neu, aufregend, so dass die Welt die Wahrheit suchen und erfahren müsse (O-Ton Santini).

Gilderoy ist nun ein Mensch, der für die Sache da ist und nicht zur Selbstpräsentation, zur Wichtigtuerei. Der eher lakaienhaft immer wieder fragt, wo er denn die ausgelegten Spesen ersetzt kriege – und immer nur Abfuhren erleidet. Der gerne wieder abreisen würde, weil ihm das nicht behagt, ständig Geräusche zu machen, die glühendes Eisen, das in eine Vagina eindringt, plausibel darstellen. Oder den Effekt der Kettensäge auf das Zersägen von Gliedmaßen. Oder das Abreißen von Kükenköpfen. Oder das Ertränken von Hexen in einem Fass mit siedend-heißem Wasser.

Es gibt immer wieder malerische Bilder von der Arbeit in den Studios, fotografisch ehrgeizig aufgenommen, Sprecher, die man nicht hört, die Techniker hinter ihren Reglerpulten, in diesem Studio gibt es keine Außenwelt.

Allerdings taucht immer wieder ein Brief auf, der mit Mum unterzeichnet ist und den Gilderoy vor sich liegen hat. Die Mama bittet ihn, zurückzukehren und dass die Küken bald schlüpfen mögen. Später wird eine italienische Sprecherin genau diesen Text nach ihrem Manuskript sprechen. Die Welt der Technik und die des Horrors scheinen in dem sensiblen, nicht wehrhaften Gast aus England zusehends zu verschwimmen. So ist das jedenfalls würzig gedacht vom Filmemacher.

Faktisch aber reduziert sich der Film doch mehr auf ein ansprechende Sammlung von Fotos und der Erläuterung der Herstellung von akustischen Horroreffekten; ein positiver Hau von Liebhaberei; die Figuren bleiben recht abstrakt. Charakteranalyse und dramatische oder realistische menschliche Beziehungen haben den Autoren nicht interessiert. Insofern ein sachbezogener Film, eine liebevolle Hommage an die Horror-Tontechnik. Ein Ausweis filmischer Begabung, aber mit wenig Interesse an der Geschichte. Vielleicht war es die Elster, die dieses Interesse geklaut hat. Oder es waren die untoten Hexen. Andererseits zeigt der Film: auch Tonmeister können über schmerzhafte, sadistische Instrumente verfügen.

Oben ist es still

Hochsensibles holländisches Gemälde in der Art flämischer Vedutenmalerei über männliche Einsamkeit, über die Sehnsucht nach Liebe. Das Portrait eines nach außen vierschrötigen Bauern, Helmer, der seinen Vater pflegt. Erst schafft er seinen Vater wie ein Möbelstück oder wie ein totes Tier mit viel Mühe aus seinem Schlafzimmer in ein Zimmer einen Stock höher. Nach da oben, wo es still ist. Richtige Anstrengung. Die Hände dieses Vaters, die dieser jetzt kaum mehr spürt, dienten vor allem dazu, den Sohn zu schlagen.

Obwohl wenig los ist auf dem Hof, ist es doch sehr viel. Ein Schaf wird geholt. Ein Nachbar ist gestorben. Es gibt die Beerdigung. Alles nur in impressionistischen Szenen. Die Kamera oft ganz leicht bewegt, ganz leicht suchend. Der Milchmann kommt mit seinem Milchtankwagen, um die Milch der Kühe abzuholen. Immer ein kurzes Gespräch zwischen den zwei ungefähr gleichaltrigen Männern. Der Milchmann der eher rundliche und auch offenere Typ, der Helmer schon fast anmacht. Aber Helmer büchst aus.

Wir sehen ihn nach dem Duschen, nackt vor einem Spiegel. Er betrachtet sich, studiert sich. Sein Hand an seinem Geschlecht. Ganz diskret. Oft ist Helmer in Gedanken versunken. Unklare Sehnsucht. Unklare Ziele.

Eines Tages engagiert er einen Knecht. Für den ist es ungewöhnlich, dass der Mist von Hand zusammengeholt und mit der Karre aus dem Stall geschafft werden muss. Helmer studiert in manchen Momenten den jungen Mann. Sein Blick gleitet nach unten. Beiläufig. Der junge Mann hat durchaus Ähnlichkeit mit Helmer. Er heißt Henk.

Dann ist Helmer wieder oben bei seinem Vater. Der erkundigt sich nach dem Knecht. Zuerst will er dessen Hände sehen. Die Innenseite.

Helmer stopft Wäsche in die Maschine. Henk kommt mit einem Handtuch um die Lenden aus der Dusche, fragt, ob das auch gewaschen werden muss. Er verlässt nackt den Raum. Auch hier liegt Erotik pur, Liebessehnsucht unartikulierbar in der Luft. Kurze Erinnerung an Brokeback Mountain.

Es gibt eine Nachbarin mit zwei Buben. Einmal kommt nur der eine, der andere findet, es sei auf diesem Hof zu schmutzig. Henk repariert das Fahrrad. Der Milchmann kommt wieder. Die Männer schauen sich an. Spannung liegt in der Luft. Eines Tages sagt der Milchmann, er werde wegziehen, zu seiner Schwester nach Mechelen. Auch der Viehhändler zieht weg mit Frau und Kindern nach Neuseeland. Erosion der menschlichen Beziehungen.

Auch der Knecht geht. Er weiß nicht wohin. Vorher ist er nachts zu Helmer ins Bett gekrochen. Nach anfänglicher Abwehr tauschen die beiden Männer Gefühle aus, liegen eng umschlungen, Henk weint.

Helmer ist allein auf dem Hof. Der Vater stirbt. Hin und wieder blickt die Kamera aus der Position des Vaters durch die schönen Gardinen nach draußen. Henk steht mit dem Gewehr unter einem Baum mit einem Vogel drauf. Schießt aber nicht. Auch er verlässt den Hof. Der Vater stirbt. Beerdigung. Da ist der Milchmann zurückgekehrt.

Am Schluss liegt Helmer allein, gedankenversunken, im Schilf, das einen zarten, durchsichtigen Vorhang vor ihm bildet, wie dieser Film einen zarten, poetischen Vorhang vor die menschliche Einsamkeit schiebt, sie erotisch, nah und fern zugleich macht.

Nach dem Gefühlsaustausch mit Henk kommt es zum vielleicht einzigen Beziehungsgespräch zwischen Vater und Sohn oben in der Kammer. Der Sohn nennt sich den verkehrten Sohn. Der Vater gibt zu, dass die Eltern auch so gedacht hätten.

Nach dem Tod berührt und knetet Helmer die Hand des Vaters, die ihm so viel Leid angetan hat. Ein Zuschaufilm. In dem die Menschen ganz bei sich sind. In ihre inneren Monologe und Gefängnisse verhaftet.

Vaters wohlwollendes Abschiedswort: Du bist ein seltsamer Kauz. Dann legt sich Helmer neben seinen schlafenden Vater, horcht auf die Atemgeräusche. Das Gemälde über dem Bett, holländische Landschaft mit Baum im Dunkeln und rechts etwas hellerer Himmel, darunter Ruinen.

Ein Film von Nanouk Leopold nach einer Geschichte von Gerbrand Bakker.

Olympus Has Fallen – Die Welt in Gefahr

Story: koreanischer Terrorist bemächtigt sich der Herrschaft des Weißen Hauses in Washington, nimmt den Präsidenten und einige enge Mitarbeiter als Geiseln und droht damit, das Programm Cerberus zu starten, was der atomaren Vernichtung der Welt gleich käme.

Dieser Film versucht mit der zur Hysterie gesteigerten Angst und der Verletztheit der Amerikaner durch 9/1 ein Schockgeschäft zu machen, indem er auf die Zerstörung der Twin-Towers in New York mächtig eins drauf setzt – am Rande der Glaubwürdigkeit.

Der Film pokert mit einer grobkörnig und mit wenig Licht inszenierten Geschichte, deren Hauptfraternisierungspunkt (oder dumbe Einverständisforderung) mit dem Publikum der sein dürfte, dass es ein verehrendes Verhältnis zum amerikanischen Präsidenten habe und schon weich in den Knien wird, wenn es ins Allerheiligste des Weißen Hauses eingelassen wird.

Die Macher des Filmes, Antoine Fuqua als Regisseur sowie Creighton Rothenberger und Katrin Benedikt als Drehbuchautoren dürften davon ausgegangen sein, dass das Anknüpfungspunkt genug für jedwedes Publikum sei und haben in dieser patriotischen Selbstüberschätzung es glatt unterlassen, die Figur des Präsidenten mit einem Schauspieler zu besetzen, der erstens Empathie mit dem Publikum herstellen kann (was aber auch am Drehbuch liegt, das dem Darsteller keine Chance dazu gibt) und der zweitens auch glaubwürdig einen Präsidenten spielen kann, diesen Habitus, dass eben die Entourage ihn spielen muss. Darauf ist nicht geachtet worden. Es ist irgend ein ordentlicher Männerdarsteller, der sogenannt gut aussieht, ausgewählt worden. Damit fehlt dem Politthriller aber schon mal die Basis, mit der ein nicht unbedingt amerikanisch-patriotisch gesinntes Publikum gewonnen werden könnte.

Für diesen unparteiischen Zuschauer wirkt es später fast wie eine Erlösung, wenn der Vertrauen erweckende Morgan Freeman die Präsidenten-Position interimistisch übernimmt. Er dürfte auch beim Publikum weit bekannter und beliebter sein als der Darsteller des Präsidenten Asher (ein Name, der sich anhört wie Usher, was Saaldiener bedeutet). Und der Zuschauer möchte beinah den Terroristen danken dafür.

Überhaupt geht in diesem Film so viel in Washington kaputt, dass einem bald alles egal ist, und auch der Gedanke aufkommt, dass das sowieso keine Rolle spielt, wer Präsident ist, dass jeder ersetzbar ist und man fragt sich, wozu der ganze Aufwand, wozu diese austauschbare Figur so martialisch beschützen, wozu die Hysterie darum herum.

Die Handlung verläuft überraschungsfrei; dass der etwas aus der Zeit gefallene amerikanische Held den Präsidenten aus dem ganzen Chaos heraus retten wird mit vielen Tötungen, teils von Hand mit Knochenknacken, das ist absehbar. Die Einführung der Heldenfigur ist an den Haaren herbeigezogen. Dass eine Präsidentenlimousine auf vereister Straße auf einer Brücke noch dazu an Weihnachten einen Dreher absolviert und kopfüber über den Abgrund zu hängen kommt – eher nimmt ein koreanischer Terrorist das Weiße Haus im Handstreich – dass dann der absehbare Held und Personenschützer den Präsidenten gegen seinen Wunsch, der der Rettung seiner Frau den Vorzug gäbe, pflichtbewusst rettet, und folglich, da die Frau mit der Limousine abstürzt und in eisigen Fluten zu Tode kommt, das wird alles so knallig schnoddrig, lieblos inszeniert, als hätten die Macher keine Lust auf Exposition, als ginge es ihnen doch vor allem drum, möglichst bald zu den großen Ballereien zu kommen, zu den Abschießereien, Explosionen und Feuerbällen, Mann-zu-Mann-Kämpfen und Helikopterabstürzen, zum Vordringen einen feindlichen Flugzeuges bis zum Weißen Haus, Krieg, Krieg, Krieg zu bebildern, das Weiße Haus als Schlachtfeld.

Dabei geht vollkommen unter, dass die Motivation für den Terroristen eine ganz hausbackene ist: dessen Mutter ist auf einer amerikanischen Mine zu Tode gekommen. Beschädigung und Demütigung durch den amerikanischen Imperialismus als vermutlich eine der häufigsten Terrorursachen weltweit. Aber auch für den Helden entsteht wenig Empathie, auch bei ihm wurde auf eine sympathieerweckende Vorstellung verzichtet. Gelegentlich sollen billige Jokes zeigen, dass es sich nicht um künstliche Figuren handelt.

Wenn der Held einen Koreaner fertig macht, „I guess, I am all rusty“ (Wiehern im Publikum beabsichtigt mit der Witzkeule, weil man ihn vorher einen Bürojob verrichten sah).
In der härtesten Kampfsituation im Weißen Haus mit seiner Frau am Handy, fragt sie: Dave, how has your day been? Und er, ganz taffer Kerl, meint leicht untertreibend: busy.
Held: er tut ständig abschlachten auf Leben und Tod und rettet dabei die Nation.

Kino als vor den Latz geknallte Kaltplatte. Sterilkino. Oder billiges B-Movie als von pathetischem Patriotismus genährter Sensationsstreifen, die Hysterieexzesse nach 9/11 noch zu toppen versuchend. Und donnernde B-Movie Böller-Musik. Für die Länge von praktisch zwei Stunden erzählt der Film erstaunlich wenig und bietet auch wenig nennenswertes Bildmaterial.

Ein ganz starker Typ soll der Held auch dadurch sein, dass er sich traut, in großer Gefahrensituation vor Ort den „Commander in Chief“ im sicheren Bunker ein „Asshole“ zu nennen. Das dürfte unterdrückten Gefühlen in manch erniedrigtem Zuschauer Auftrieb geben.

Eine etwas stehen gebliebene Geistes-Welt, verstaubt, aber mit großem Knall kaltschnäuzig auf die Leinwand geklotzt. Wobei auch Präsident Asher schon eine Art Holzklotz ist. Insofern passt er.

Pathos in seiner Dankesrede: dass er allen dankt, die nicht im Rampenlicht stehen und dem Land dienen. Das Ende ertrinkt in schier unerträglichem, amerikanischem Patriotismus. Verwunderlich, dass die Produzenten sich ein lohnendes Geschäft auf dem deutschen, auf dem europäischen Markt versprechen. In einem anderen, ähnlich gelagerten Film, haben sie wenigstens für den deutschen Markt das Ende geändert.

Seelen

Merkwürdig amerikanisch-mystische Bebilderung von Andrew Niccol nach einem Roman von Stephenie Meyer zum Thema „Identität“, wer bin ich, bin ich ein Mensch, bin ich ich, sind die Anderen Menschen.

In Amerika kann eine solche Fragestellung offenbar nicht ohne Schießereien abgehen, auch wenn das Thema nun wirklich sehr abstrakt ist.

Die Hauptfigur mit dem Identitätsproblem ist Melanie in der Ausprägung von Wanda oder umgekehrt. Eine junge Frau, die ständig Gewissensstimmen hört, etwas zu tun oder es zu lassen. Das kann mitten in einer Kussszene mit einem jungen Mann passieren, von denen es gleich mehrere gibt, wobei die Männer eher wie Tänzer in den Film eingebracht werden, im übertragenen Sinne für die Hebungen zuständig.

Sie trauen sich auch nie mit direkter, lauter Stimme zu sprechen. Immer mit dieser unterdrückten Heiserkeit, die als bedeutungsvoll wahrgenommen werden möchte, als zurückgehaltene Virilität.

Problematisch an so einem theoretischen Erörterungsfilm ist, dass er nur eine dünn skizzierte Story hat, dass er mehr eine Zustandsbeschreibung versucht. Dazu greift er einerseits auf Bild- und Ausstattungsmaterial wie top eleganter Lotus-Sportwagen, silbern mit Metallic-Blau, was wunderbar funkeln kann in Wüstenlandschaften, in biblischen Wüstenlandschaften, denn diese Menschen haben sich im bildlichen Bereich des Alttestamentarischen oder der amerikanischen Siedlerikonographie zurückgezogen in einen erloschenen Vulkan mit biblischen Getreidefeldern. Ein Dach kann über den riesigen Krater geschoben werden, was die Siedler vor den Unmenschen, die die Welt regieren, schützen soll, sie unauffindbar machen soll.

Ohne Nachschub ist im Krater jedoch trotz Getreidefeldern nicht zu leben, autark ist man dort nicht. Darum gibt es den groß und extra angeschriebenen „store“. Die Siedler müssen hin und wieder die Höhle, die menschliche Urgeborgenheit verlassen. Sie tun es mit stabilen paramilitärischen Fahrzeugen. Dabei werden sie angreifbar.

Die Höhlenmenschen können mit einer uralten, handbetriebenen Radmechanik das Dach über dem Krater zu ziehen und sich so vor unbefugten Einblicken schützen. Denn die neue Welt, die jetzt die Erde beherrscht, ist inhuman, sie will den Menschen die Seelen heraussaugen. Alle sind weißgewandet, wie mit Togen. Sie haben merkwürdige Instrumente, um Menschen zu heilen. Aber sie müssen ganz irdische Cop- und Thrillerfilmmittel anwenden, wenn die Menschen sie jagen.

Der gute Onkel in der Höhle hat eine Knarre wie einsten Old Shatterhand. Es ist eine Bilderwelt, die von unsereins weiter entfernt ist als die biblische Bilder-Welt im Schlafzimmer unserer Urgroßeltern. Der Musikvorhang, der über alles gelegt wird, der soll Ritual, Liturgie und Nicht-Nachdenken suggerieren.

Es geht hier vielleicht um die Deskription einer tiefen, menschlichen / fraulichen Gespaltenheit, einer Schizophrenie in einer altmodisch-statischen Bildersprache und einer zum Teil theatralischen Inszenierung, deutlich prononcierte Sätze, viel Stehpartie, bedeutungsvolles Rumstehen der Mitspieler. Viel Geheimnis-Brimborium in mystisch-mystifizierender Absicht beim Übergang von der einen Welt in die andere. Vielleicht sogar heilsgeschichtlicher Impetus, to get out of here; biblisches Bild: der Baum in der Wüste. Bild für Einsamkeit, Verlassenheit. Jesus war 40 Tage in der Wüste. Eleutherische Bildgestaltung. Sehnsucht nach archaischer Reinheit. Höhlenexistenz. Lange vor Platons Höhlengleichnis. Aber ohne Schießerei scheint im amerikanischen Kino eine Wahrheitsfindung nicht möglich.

Westernelemente. We have to make sacrificion, this is a war. Viel Bildmystizismus. This is very complicated. No, you are not even from the same planet. In der Höhle der Arzt: ein guter, etwas gealterter Obama. I can take a soul from a body. Seelenextraktionsvorgang. Was wird hier beim Zuschauer extrahiert?

Erleichterung: Finally something to die for. Einen Lebenssinn gefunden, eine Identität. You are you. To see yourself (im Spiegel). Erlösungsbild: Liebe, Umarmung, Regen auf die Wüste.

Bekommt der Zuschauer, der seine Identität nicht findet, das Eintrittsgeld zurück?