Die Insel der Seligen, das ist Elysium schon in der Antike gewesen. Das Paradies, ein Schlaraffenland, wo man sorgenfrei in den Tag hineinleben kann, und das Ganze unsterblich, von den Göttern gesegnet.
Im vorliegenden Film ist Elysium der Name für eine riesige Raumstation, die die Erde umkreist und auf die sich die Superreichen und ihre Günstlinge zurückgezogen haben, damit sie nicht auf der abgewirtschafteten Erde hausen und darben müssen. Im Grunde also genau die umgekehrte Situation wie in District 9, der ja ebenfalls von Neill Blomkamp inszeniert wurde.
Nun, die Welt ist am Arsch, die Leute leben in Slums, es herrscht Armut, Krankheit, Hoffnungslosigkeit. Wer noch einen Job bekommen hat, lässt sich erniedrigen und knechten, so weit es eben irgend möglich ist. Also eine konsequente Fortsetzung dessen, was die Wirtschaft lieber heute als morgen hätte: Willenlose, rechtlose, billige Arbeitskräfte, die man nach Belieben austauschen kann.
Kriminalität ist ein quasi-legitimer Lebensentwurf, und es ist schwer, sich komplett frei zu halten von der Berührung mit der Kriminalität. Es gibt auf der Straße auch keine Polizisten mehr, stattdessen kontrollieren Polizeiroboter die Menschen, die sich dafür in Reih und Glied aufstellen müssen. Also in etwa so, wie bei uns Tiere in einem Schlachthof begutachtet werden.
Kurz: Die Gesellschaft ist zweigeteilt in die Bewohner von Elysium und dem Abschaum, der auf der Erde wohnen muss. Dort gibt es neben der breiten Masse noch einige Reiche, bei denen es nicht für Elysium gereicht hat, die es sich aber so gut wie möglich eingerichtet haben auf unserem schönen, einst blauen Planeten.
Ab und zu versuchen Rebellengruppen, man könnte sie auch „die Opposition“ nennen, mit gekaperten Shuttles nach Elysium zu gelangen, wo sie sich mit Hilfe von gefälschten ID-Hautprägungen Zugang zum einzigen verschaffen wollen, was auf Elysium wirklich toll ist: Gesundheit. Denn in nahezu jedem Anwesen der Raumstation steht eine medizinische Kapsel, die jede Krankheit, jedes Gebrechen und jede Wunde in Sekunden heilen kann, solange man nur hineingelegt wird und noch einen Funken Leben in einem steckt. Diese Art 3D-Drucker für lebendes Gewebe ist in etwa so bahnbrechend wie das Beamen auf der guten alten Enterprise.
Die Sicherheitschefin von Elysium, Ministerin Delacourt, magengeschwür-erzeugend herzlos gespielt von Jodie Foster, will natürlich niemanden hereinlassen, damit etwaige Erfolge keine Nachahmer animieren. Sie lässt gnadenlos jedes gekaperte Shuttle abschießen, das sich im Anflug auf die Station befindet, das ist ihr Krieg.
Doch dann bekommt sie es mit Max DeCosta zu tun (Matt Damon). Der wollte eigentlich der Kriminalität den Rücken kehren, arbeitet brav wie symbolträchtig in der Fabrik für Polizeiroboter, wird aber bei einem Arbeitsunfall radioaktiv verstrahlt. Nun hat Max nur noch wenige Tage zu leben, und daher ein gesundes Eigeninteresse, selbst nach Elysium zu gelangen, um sich für ein paar Sekunden in so eine Röhre zu legen. Dies ruft einen der Rebellenführer auf den Plan, denn in Max hat er jemanden gefunden, der tatsächlich die körperlichen wie geistigen Fähigkeiten besitzt, um bis nach Elysium zu gelangen und dort seine eigenen Pläne zu verwirklichen. Man tut sich zusammen, pumpt Max mit Painkillern voll und schraubt ihm ein Exoskelett auf das gewachsene, so dass er trotz Krebs im Endstadium einsatzfähig bleibt, bis der Sensenmann nicht mehr auszutricksen ist.
Es beginnt ein Wettrennen gegen die Zeit, gegen Ministerin Delacourt und ihre gewissenlosen Handlanger. Und es geht um mehr als nur Max‘ Gesundheit, es geht um das Schließen der Kluft zwischen den Gesellschaftsschichten.
Elysium ist eine schöne, wunderschöne Parabel auf den feuchten Traum des Kapitalismus. In unserer realen, heutigen Wirtschaft geht es ja nur denen gut, die etwas dafür tun, so die Mär. Dass man etwas nur anhäufen kann, indem man es woanders wegschaufelt, ist dahingegen die Realität. In einem System mit endlicher Menge Geld kann es keinen gerechtfertigten Reichtum geben, denn der Reichtum des einen ist stets die Armut des anderen. Das gilt selbstverständlich auch für alle anderen Güter. Dieses Gedankenspiel wurde hier ein paar Dekaden vorangetrieben, in Blomkamps Gedankenspiel hat die Menschheit sozusagen eine Insel der Seligen hervordestilliert, und sich selbst dabei ins Elend gewuchtet. Natürlich hindert nun niemand mehr die Menschen daran, sich von diesem Akt zu erholen und die Erde wieder herzurichten, doch der Mensch ist bekanntermaßen nicht perfekt. Es braucht erfahrungsgemäß immer ein paar Generationen, um seelische Wunden gesamtgesellschaftlich nachhaltig auszumerzen, und wer als Einzelner nicht genug zu Essen hat, der hat einfach andere Sorgen als die Weltverbesserung und das Gemeinwohl. Bei solchen Menschen ist selbst der kleinste Akt der Nächstenliebe Beweis für große, große Disziplin.
Politisch und gesellschaftlich ist Elysium daher hochbrisant. Andere Publikationen nennen den Film „linksliberal“ oder „stramm links“ (siehe die Zitate auf Wikipedia), doch dieser Einordnung sollte man nichts abgewinnen. Politisch links und rechts sind doch einfach nur Synonyme für „miteinander“ oder „gegeneinander“, und wer an seine Kindertage zurückdenkt, wird automatisch seine Sympathien für „miteinander“ wiederentdecken. Und egal, wieviel man verdient oder wie gut es einem geht durch „gegeneinander“, ganz tief drinnen wird sich jeder eingestehen müssen, dass „miteinander“ fair ist und „gegeneinander“ unfair, denn verlieren will man nun wirklich niemandem zumuten. („Verdient verlieren“ schon, aber das gilt nur für Mörder und dergleichen, nicht für die Konkurrenz mit dem marginal ungünstigeren Bid.)
Optisch ist der Film gewohnt dreckig. Es ist staubig, es windet, Müll und Schmutz gibt es ebenso wie Slums und widerliche Lebensumstände. Umso brutaler der Kontrast der piekfeinen Parkanlagen und makellosen Villen auf der Raumstation. Es sollte erwähnt werden, dass es sich bei der Raumstation um einen sogenannten Stanford Torus handelt, also einen ringförmigen, bewohnbaren Hohlraum, der sich um eine Mittelachse dreht, mit der er durch lange Speichen verbunden ist. Man stelle sich einen freischwebenden, „rollenden“ Fahrradreifen im All vor, bei dem das Innere des Schlauches bewohnbar ist. Durch die Drehbewegung entsteht Zentrifugalkraft, die die Gravitation simuliert. (Nicht zu verwechseln mit dem O’Neill-Zylinder, der aus einem rotierenden hohlen Zylinder besteht und daher ungleich mehr Platz bietet!)
Was die im Film verwendete Technik angeht, gibt es große Probleme mit der Glaubwürdigkeit. Lebendes Gewebe aus Nichts innerhalb von Sekunden erzeugen, das grenzt an Magie, und wird leider nicht erklärt. (Ich hätte eine prima Erklärung, aber die hebe ich für meine eigenen literarischen Ergüsse auf.) Auch ist der Wohnbereich von Elysium nach oben offen, so dass die Shuttles einfach irgendwo in die Atmosphäre tauchen können wie in ein Schwimmbecken. Das ist kritisch unklug, denn es bräuchte eine gewaltige Gravitation, um eine atembare Atmosphäre auf nur 30 Metern Höhe so zu halten, dass sie nicht ins All entfleucht. Da würde nichts mehr leben können. Es gibt auch andere Dinge, die nicht besonders gut erläutert sind, auch politisch, aber die kann ich nicht nennen, ohne zuviel vorwegzunehmen.
Fazit: Ein bewegender, beeindruckender Science-Fiction-Film, dessen gesellschaftskritischer Aspekt wesentlich wichtiger und prominenter ist als die tatsächlichen SciFi-Elemente. Unbedingt anschauen.