Albert Wolf ist Museumswächter in Wien. Er langweilt sich in seinem Job und fängt an zu zeichnen. Er entdeckt sein Talent. Er fängt an Bilder aus dem Museum zu kopieren. Mit einem Kollegen macht er die Kunstwerke zu Geld, um sich eine schöne Wohnung und seiner Tochter eine erstklassige Ausbildung zu leisten. Er hat von Klimt den „Kuss“ kopiert und hängt die Kopie in das Museum, während er das Original in seinem Schlafzimmer hinter einem Vorhang verbirgt. Jetzt plant er mit dem Kollegen den Diebstahl seiner Kopie aus dem Museum. – Das, also wie aus einem unbescholtenen Biedermann ein Krimineller wird, könnte eine spannende Geschichte sein. Aber die Autoren Uli Brée, Gabriel Castaneda, Rupert Henning bringen diese Geschichte nur als extraterritorialen Beipackzettel in ihrem Drehbuch unter in Form von Sprechtexten der Darsteller und nicht filmisch spannend aus dem Charakter der Hauptfigur entwickelt. Das Skelett dieses Filmes, ohne welches er wohl in sich zusammenbrechen würde, als Exoskelett, als Fussnote reingeschmuggelt.
Im Falle von Albert Wolf (Figurcharakteristikum: fataler Hang zu Herzinfarkten), wird dieses grundlegende Defizit des Drehbuches allerdings einigermaßen aufgewogen durch die Besetzung mit Udo Samel und seiner runden, rundlichen Darstellung, in jeder Sekunde stimmig und glaubwürdig. Auch ist er ein guter Gauner, denn er tut es für seine Tochter Isabella gespielt von Ursula Strauss, die es mit der Schönheit der Klimtfrau aus dem „Kuss“ spielend aufnimmt. Ihr Charakteristikum ist ein Dauerniesen wegen ihres Mohair-Schals. Sie scheint dabei zu sein, in Paris eine wichtige Modedesignerin zu werden, die bald ihre eigene Linie auf den Markt werfen wird, auch letzteres lediglich Erklär-Info.
Allerdings wiederholen die Autoren ihren gravierenden Konstruktionsfehler bei der zweiten Hauptfigur, welche als solche schon problematisch ist, denn zwei Hauptfiguren erträgt kaum ein Film, hier aber vermutlich nicht direkt den Autoren, sondern dem Koproduktionsmodell von ORF und ARD geschuldet und also mit einem deutschen Schauspieler besetzt, der vom Outfit her gestylt ist wie Prinz Charles und ein farb- und makelloses Hochdeutsch spricht adäquat der Langweiligkeit des britischen Prinzen. Das Drehbuchdefizit wiederholt sich, indem auch hier die Vorgeschichte im Beipackzettel serviert wird: der Adlige ist geschäftlich eine Niete (wo er ein Ass sein könnte bleibt im Dunkeln), die Schreibmaschinenproduktion und sein Schloss sind hoch verschuldet. Benno Fürmann allerdings, der mit dieser Rolle des Grafen Leopold von Hohensinn betraut worden ist, vermag es nicht, die Drehbuch- (und später sicher auch: Regie)defizite zu kompensieren, da helfen auch Ansätze von gekünsteltem Stottern nicht; er spielt anfangs primär im Untertext: ich bin der Star. Das verwässert sich zusehends in Möchte-Gern-Lustig-Kollisions- und Einbruchsszenen in der Art von schlecht geprobtem Kindertheater ohne jeden Aussagewert im Sinne des öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrags.
Die Rekonstruktion der Geschichte, ausgehend von Albert Wolf, würde also so weitergehen, dass der Diebstahl des Klimt-Gemäldes Schlagzeilen macht und dem hochverschuldeten Leopold wie ein Geschenk des Himmels erscheint: denn mit der Versicherungssumme in dreistelliger Millionenhöhe wären alle seine wirtschaftlichen Probleme gelöst und er könnt vom mühsamen Konstrukt der Adaption eines zwielichtigen Russen als Adoptivsohn zurücktreten, welches einer der Anfänge des Filmes aus heiterem Himmel ist. Im Film ist die Figur Leopold sogar so dumm (und dumme Figuren sind selten attraktiv in Filmen), dass er den Rücktritt von der Adoption gleich vollzieht ohne sich über die Details des Versicherungsgeldes kundig zu machen. Wieso dem so ist, dass das Bild nämlich eine Dauerleihgabe der adligen Familie an das Museum ist, auch diese extraterritoriale Geschichte entnehme der Zuschauer bittschön einem der anstelle von Spielhandlung inkludierten Beipackzettel-Dialoge.
Von der Aufgabe einer Rekonstruktion der Geschichte durch den Zuschauer muss insofern gesprochen werden, als die Autoren den Strang mit Leopold, der in der ersten Geschichte ja erst in dem Moment akut wird, wo der Diebstahl des Gemäldes publik wird, diese zweite Geschichte schon viel früher dem Fernsehmodus der Kurzatmigkeit und des Asthmas huldigend in den Film einfädeln. Die Chance, die zweite Geschichte und deren Verwicklung in die erste elegant wie ein Stoß mit einer Billardkugel in Gang zu setzen, wird hier vertan.
In die erste Geschichte ist also die hübsche junge Frau eingebaut und in die zweite ein Tunichtsgut von halbjungem Adligem. Logisch, dass die junge hübsche Frau und der Adelige Tunichtgut bald schon zusammenprallen müssen – und das ist vorhersehbar inszeniert, ohne Witz, ohne Überraschung.
Haben die Autoren nun schon geworgt und gebogen, dass die Balken ächzen, um den Plot ohne klar Hauptfigur zusammenzustöpseln und mit dem einen oder anderen gut gemeinten Joke anzureichern, so wird die Regie von Wolfgang Murnberger vollends zum Drama, a) weil ihm die Produzenten zu wenig Drehzeit und also Geld eingeräumt zu haben scheinen, damit er sorgfältig inszenieren kann oder b) weil es ihn schlicht nicht interessiert hat und das schmerzt hinsichtlich des guten Namens, den er sich mit „Silentium“ oder „Der Knochenmann“ gemacht hat, außerordentlich. Hier ist alles nur Routine, schnelle, lieblose Routine. Die Schauspielerei wie Kasperltheater beim Einsteigen ins Schloss oder beim Bruch in die Wohnung von Wolf durch Leopold mit Kletterseil umgebunden rittlings in die Badewanne kippend.
Das wird fernsehgerecht – also nicht spannungserzeugend, sondern Auge und Geist lediglich beschäftigungstherapeutisch in Beschlag nehmend, damit der Geist aus dem Stückwerk von Szenen wenigstens ein Sachverhaltsskelett nachbauen kann, zubereitet; der Zuschauer solchermaßen abgelenkt, wird um den Genuss der Zwickmühlen der Figuren innerhalb ihrer schwindligen Lebensentwürfe und Taten, ihrer Tricksereien gebracht. Der Zuschauer wird lediglich rekonstruktiv beschäftigt statt erkenntnisgewinnend durch Überraschungen.
Der Titel allerdings, der stimmt durchaus und sowieso für den Charme des Österreichischen, in welchem das kalte Hochdeutsch von Graf Leopold besonders uncharmant wirkt.
Um abzulenken von den Schwächen von Drehbuch und Regie darf die dekorative Zutat zum untauglichen Fürstensohn, dessen demente Mutter Gloria, Bibiane Zeller, immer wieder TV-Werbung schauen, vom Zyklon-Staubsauger über die Bauchmuskelwerbung bis zur Kreuzworträtselfrage „prominenter Deutscher mit 9 Buchstaben“, fernsehtechnisch gesehen steckt dahinter vermutlich satirische Absicht.
Albert Wolf ist Museumswächter in Wien. Er langweilt sich in seinem Job und fängt an zu zeichnen. Er entdeckt sein Talent. Er fängt an Bilder aus dem Museum zu kopieren....