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Der fast perfekte Mann

Vielleicht wären die plakativen Drehbuchtexte ergiebig auswertbar, wenn Vanessa Jopp die Regie nicht vor der Filmkamera, sondern auf der Bühne geführt hätte mit exakt dem grobklotzigen Ensemble, das Nessie Nesslauer nach der großmauligen Grobheit des Protagonisten Benno Fürmann zusammengestellt hat, keiner darf feiner, sensibler wirken als Ulf, der geleckte Fernsehmoderator, der ein demonstrativ ausgestelltes Arschloch ist und insofern wenig leinwandergiebig.

Das Hauptproblem im Buch ist, dass diesem unsensiblen Egoisten und Egomanen Ulf von einer vollkommen unglaubwürdig-überdrehten Pomeranze von Sozialarbeiterin plötzlich der feminine Bub seiner komatösen Schwester und Vogelbeobachter gebracht wird. Thesenhaft ok. Aber hier von Besetzung, Spiel her alles nur plakativ.

Ferner wird gezeigt, was für ein Arschloch Ulf ist in einer Szene, in welcher seine aktuelle Freundin Anni gerade aus seiner Wohnung auszieht und fragt, was es denn überhaupt an Gegenständen von ihr hier gebe (schön blöd denkt man, dass sie da nie was von sich reinplatziert hat). Dann findet Ulf noch die Zahnbürste. Und rennt ihr nach mit dieser.

Auch in seiner Show, damit fängt der Film an, bricht alles zusammen, wie eine giftige Schlange im Studio ausbricht; aber das ist filmisch so pfuschig inszeniert, unglaubwürdig, mehr informativ als spielfilmhaft, ohne jede Genauigkeit, schnell, schnell, hoppla-di-hopp.

Der Film ist ungefähr so unbeholfen zusammengestrickt, wie die gelben Pullover, die die inzwischen verstorbene Mutter von Aaron hinterlassen hatte, hinten und vorne nicht passend, zu kurz, zu lang, zu eng, zu unförmig, mit wenig anschmiegsamen, grünen Mustern; und die Pullover bieten dann, da der Film es nicht bieten kann, die Lösung zur Vereinigung des Trios, welches natürlich von Anfang an zusammengehört, allerdings mangels genau analysierter Situationen und Konflikte nicht nachvollziehbar zusammenfindet. Hier wird passend gemacht, was nicht passt. Pulloverpassend, in einem Gelb, wie es die erst kürzlich zerbröselte FDP liebte. Genschergeschmeidiges Ende eines Thesenfilmes.

Männer sind Grobklötze und Arschlöcher und nur mit Biegen und Brechen und groben Keilen auf diese groben Klötze in eine Familie einzupassen. Warum nur forciert Vanessa Jopp ihre Schauspieler zu so forciertem Sprechen? Der einzig glaubwürdige Satz in dem ganzen Verhau an Szenen (auch hier nur die Logik von Thesenfolgen und nicht die von bewussten Handlungen oder Fehlern der Menschen, die die Menschen je erst menschlich machen) ist der von Jördis Triebel als Anni in der Schlussapotheose der glücklichen Familie, wie die drei gelben Pullover in einem engen Kreis zusammenstehen und die beiden Erwachsenen sich küssen, da flutscht es aus Anni ganz natürlich hinaus „nicht schauen“ zu Aaron.

Warum ist es so schwierig im deutschen Themenfilm menschliche Situationen glaubwürdig darzustellen? Weil die Autorin eine Theoretikerin, weil die Regisseurin eine Theoretikerin ist mit einem abstrakten Bild vom Mann an sich, der eine Zwiderwurz ist? Weil diesem Mann menschliche Handlungen und Überlegungen fremd scheinen, ihm seine Schönheit streitig machen könnten? Warum kommt Ulf im Studio an, geht in die Maske und ohne jede Vorbereitung in die Sendung? Oder wissen das die Autorin und die Regisseurin einfach nicht, dass ein Moderator sich für eine Sendung vorbereiten muss?

Regisseurin und Autorin scheinen kein Interesse an den Figuren und ihren konkreten Situationen zu haben, sondern nur an ihren abstraktenThesen zum Thema Mann, der zum Familienmann umgemodelt werden muss, und wenn das nur über gelbe, misslungene Strickpullover passiert. Daher hört sich das Drehbuch oft so vernünftelnd an, weil es die Thesen der Macherinnen äußert und nicht aus der Beobachtung handelnder Menschen hervorgeht. Man vergleiche dazu gerne, „Blau ist eine warme Farbe“ von Abdelatif Kechiche, dem diesejährigen Cannes-Gewinner – das ist Können und nicht billiges Thesenverbraten.

Hier ist Kino nur grobklotzige Wandmalerei von Thesen stylish aufgemotzt und mit unerträglichem Sound unterlegt. Und wie hackelig das Thema des Sterbens durch Abstellen der Maschinen behandelt wird. Man kommt sich so belehrt vor in so einem Kino, das ewig nicht aufhören will. Das mit seinen 93 Minuten um Stunden länger zu dauern scheint als der Dreistundenfilm von Kechiche. Bei diesem geht es um die Liebe. Worum geht es bei Ainscough/Jopp? Um ein abstraktes Männerwunsch- und Männerhassbild? Was so nicht darzustellen ist.

Ein reduziertes Verständnis von Menschen, Männern und Kino, was hier ätzend und undifferenziert vorgeführt wird, ohne Genuss, ohne Humor, ohne Raffinesse, ohne tiefere Einsichten, ohne Charme, ohne Hintergründigkeit, ohne jede Herzlichkeit, ohne Pfiff.

Kino großräumig missverstanden als feie Thesenfläche für weibliche Frustanalyse über Männer? Vanessa Jopp scheint die Männer nicht zu lieben, sie scheint es überhaupt nicht mit den Menschen zu haben.

Exit Marrakech

Dieser mit staatlichem Geld hochgeförderte, filmtouristische Ausflug nach Marokko schmort im eigenen, deutsch-intellektuellen Saft.

Caroline Link möchte in Marokko eine Vater-Sohn-Beziehung behandeln, verpasst aber die Einfahrt. So entstehen teils Bilder, wie wir sie im Kino von Marokko erwarten. Und am Schluss findet der Kitsch am Meer ein Ende. Da sind schon zwei Stunden vorbei.

Kitsch, weil Caroline Link uns suggeriert, sie möchte einen Vater-Sohn-Konflikt behandeln, sie es aber nicht kann. Kitsch, weil es keinen Vater-Sohn-Konflikt gibt, weil auch der Sohn keinen die Dramaturgie des Filmes anheizenden Konflikt hat. Er hat lediglich keine Beziehung zu seinem Vater. Der Vater hat sich nie um ihn gekümmert (das wird in einem Spiel deutlich, wenn der Sohn bei einer Fahrt mit dem Vater durch die Wüste sich eine Papiertüte über den Kopf stülpt und der Vater Gesichtsmerkmale von ihm aufzählen soll; ein Spiel was vielleicht eine Sozialpädagogin mit einem gestörten Kind inszenieren würde, nie aber ein Junge von sich aus mit seinem Vater).

Vor allem müsste man das erzählerisch vorbereiten, die Ängste, die Hoffnungen, die Erwartungen vor so einer Begegnung. Nichts davon bei Frau Link. Da gibt es ein langes, unergiebiges Vorspiel im bayerischen Voralpenland, damit die hiesige Filmförderung in Anspruch genommen werden kann. Bei einer Oscarpreisträgerin schaut offenbar kein Förderer ins Buch, ob sie überhaupt eine kinotaugliche Vorlage bietet. Und wenn Frau Link noch mit Herrn Bierbichler aufwarten kann, so muss wohl von einem Filmförderautomatismus gesprochen werden, den die Regisseurin gnadenlos ausnutzt. So darf Bierbichler hier als Schuldirektor eines voralpenländischen Internats ein paar Sätze sagen, die die Abwesenheit einer klug vorausschauenden Dramaturgie kompensieren soll. Er wird völlig grundlos am Tag der Abreise in die Ferien aus der Masse der Schüler Ben, den Protagonisten des Filmes, dem die Filmemacherin seinen Grundkonflikt vorenthält, zu sich bestellen und ihn fragen, was mit ihm los sei, er hätte ja was drauf, und ein Text, den er geschrieben hätte, habe dem Leiter der Schule gefallen. Und was er mache im Sommer und er werde sicher gute Erfahrungen machen, er solle was machen aus seiner Marokko-Reise (der Schauspieler als verquälter Ersatz für Unfähigkeit der Autorin, Geschichten erzählen zu können?). Bierbichler wird sich vor allem gesagt haben, das gute staatliche Geld, das lass ich doch nicht am Wegrand liegen.

Dass dem so gewesen sei, (weil das Drehbuch es sich so ausgedacht hat und zum Beweis des Konsequenz der theoretischen Korrektheit des Drehbuchdenkens der Regisseurin), wird er später dem Vater gegenüber anführen dürfen. Nun hat Caroline Link diese Hauptrolle, der das Elementare zu einer Hauptrolle fehlt, nämlich ein Grundkonflikt, mit einem jungen hübschen Mann besetzt, der weder Fisch noch Fleisch ist, der in der Nacht vor dem Ferienbeginn mit einem Schulkameraden die Landschaft beobachtet in stummer Zwiesprache mit der Natur, und der nicht so recht weiß, was er will.

Ben wird nun von seiner Mutter zum Vater nach Marokko geschickt, der dort deutsches Theater aufführen darf. Kultureller Austausch. Wem es bisher noch nicht aufgefallen ist, dem dürfte spätestens jetzt klar werden, wir sind in einem kulturellen Milieu. Das hat aber weiter keine Bedeutung. Es gibt zwar eine Theaterszene zu sehen, eine Tochter scheint umgebracht zu werden, aber was hat das mit dem Film zu tun.

Was hat das mit der Vater-Sohn-Beziehung zu tun, die eine Nicht-Beziehung ist? Die aber zu einer merkwürdigen Kameraderie zurechtgebogen werden soll; allerdings erst im letzten Viertel des Filmes, nachdem der Filius mit der Prostituierten Karima, die in den unmöglichsten Moment lacht oder lächelt, völlig unmotiviert abgehauen ist, nachdem ihm das Insulin, das er sich spritzen soll (Angelpunkt für die Empathie des Zuschauers?) ausgegangen ist und ihm auch Karima, die ihn in ihrem Dorf in den Frauenkreis ihrer Mutter aufgenommen hat, abhanden gekommen ist.

Es wird einsam um Ben. Aber so richtig nimmt sich Caroline Link nicht die Zeit, das zu zeigen, denn wir brauchen touristisch schöne Aufnahmen von Wüste und Schneebergen, von Souks und Puffs, von Luxushotels und Luxushotel-Investitions-Ruinen, von Ziegen und Kamelen und Händlern und Teppichen und Märkten und immer wieder der Muezzin, der einmal sogar in akkuratem Englisch übersetzt wird, damit wir hier endlich ein Verständnis für den Islam intravenös verpasst kriegen – noch so ein pädagogischer Impetus.

Schließlich findet der Vater den Sohn, obwohl doch die Karriere seine Anwesenheit bei den Gastspielen in Fez und Rabbat erfordert. Trotzdem erfahren wir vom Vater wenig; wie geht er um mit den Anfechtungen durch Protagonistinnen, ist er liederlich oder treu zu seiner neuen Frau? Es wird auch nicht klar, wieso er plötzlich so besorgt ist um seinen Sohn und ihm nachreist. Aber der Kopf der Drehbuchautorin wollte unbedingt eine Situation herbeiführen, wo die beiden sich ausgeliefert sind. Was bietet sich in Marokko mehr an als eine Fahrt im Auto durch die Wüste?

Und dann, noch so ein Sozialpädagogikexperiment, lässt der Vater, der doch gar nichts von seinem Sohn weiß, den Sohn ans Steuer. Der ist selber noch nie Auto gefahren. Und schon da ist klar, dass die beiden verunfallen werden. Aber der Sohn fährt los, als hätte er nie was anderes getan, erschrickt sogar die Beduinen am Pistenrand. Der Unfall passiert, jetzt wo er Logik hätte, nicht. Dazu muss der Sohn erst kotzen und Kola trinken und sich auf die Hinterbank legen. Dazu muss der Vater wieder ans Steuer. Dazu muss einem merkwürdigen TV-Realismus huldigend eine serpentinenreiche Straße her, damit die beiden endlich, mei das hat aber jetzt eine Ewigkeit gedauert, die Leitplanke durchbrechen und den Abhang runter rasen können.Nichts gegen einen solchen Suspense – wenn er denn genutzt würde, um Erhellendes, Vertiefendes, Aufregendes zum Thema zu erzählen. Das aber passiert hier nicht.

War die Heranführung an den Unfall ätzend langsam und nichtssagend, so stolpert die Geschichte jetzt schier über die eigenen Füße vor lauter Eile. Sohn kriecht heraus, rüttelt kurz am Wagen, so macht man das in Marokko oder bei Frau Link, müht sich den Abhang hinauf und murmelt in einer Tour, er müsse jetzt Hilfe holen.

Jetzt muss alles nur noch zum glücklichen Ende am Meer zurechtgebastelt werden. Geeignet dafür hielt Frau Link die Methode, Szenen nur noch anzudeuten, anzuspielen, jetzt sind wir im Krankenhaus beispielsweise, um mit Fade-Out in Schwarz zu enden. Seiten schnell rumblättern, um zum Schluss zu kommen. Ziemlich nervend an dem Film finde ich dieses häufige Glöckchen-Gebimmel, das immer wieder in ganz schnellem, akzelerierendem Rhythmus wie bei der Pferdekutschenfahrt in schneebedeckter Landschaft auf kommende Großereignisse hindeuten will, die nie eintreffen und das Atemlosigkeit suggerieren möchte.

Der Film hat mir über weite Strecken das Gefühl vermittelt, einer Angelegenheit beizuwohnen, die nicht für mich bestimmt sei. Eine etwas verquere Meinung von Kino, wenn es so ein Gefühl, das schnell in ein Schuldgefühl sich ändern kann, überträgt. Außerdem spritzt sich der Junge ständig Insulin und jedes Mal wird deutlich, dass der Darsteller das sonst nie im Leben macht. Das sind Details, die, wenn sie nicht gut gearbeitet sind, nicht dazu angetan sind, dem Film ein gutes Renommee zu verschaffen.

Non-Plus-Ultra weltabgehobenen Intellektualismus‘, dass Ben der Nutte ein deutsches Lied vorsingen soll und er sich tatsächlich nicht entblödet, „Der Mond ist aufgegangen“ zu singen und damit der Zuschauer den Eindruck erhält, das Drehbuch sei durchdacht, wird das Motiv später noch einmal gesummt werden. Erinnerung an eine Nutte? Die Nutte ist aufgegangen. Über das Singen in vielen, neueren, geförderten, deutschen Filmen müsste einmal gründlich nachgedacht werden. Der Verdacht stellt sich allmählich ein, damit ist leicht und ohne Anstrengung Filmzeit zu schinden – denn die Förderung bleibt sich gleich, ob mit oder ohne Gesang. Wo gesungen wird, brauchst du keine Szene gründlich analysieren, brauchst du dir keine Gedanken über Konflikte und Dialoge machen. Und nicht in einem dieser neueren Filme hätte ein Lied eine Berechtigung gehabt als Nachhall zu einer intensiven Szene und Überleitung zu einer weiteren intensiven Szene.

Ein Film ohne jede Überraschung.

Ein Film mit hochmoralischem Zeigefinger. Hinweise auf Frauen hinter Gittern, auf hungrige Bettler vor feinem Restaurant, auf den Luxus der Europäer (den das Filmteam auf Kosten des deutschen Steuerzahlers bestimmt nicht verschmäht hat), auf eine eingemauerte Frau wegen eines Ehebruches, auf den Sport des Dünenskiings.

Ulrich Tukur spielt den Vater. Er macht das gut. Er macht aus der Rolle, was zu machen ist. Da sie aber vom Drehbuch her kaum Futter erhält, hat er nicht die Chance, den deutschen Intellektuellen kritisch durchleuchtend, womöglich leicht überhöht, verbindlich zu spielen, ihm den Spiegel vorzuhalten. Zu dieser Figur hat das Drehbuh kein Verhältnis.

Mit dem Fremdenführerverweis auf den Dreh von Bertolucci in Marokko tut sich der Film nun grad gar keinen Gefallen. Ja, Bertolucci, das war noch ein Filmemacher. Ist es noch, demnächst: „Ich und Du“, welche Lehrstunde über das Kino und das Kinoerzählen! Wie Bertolucci die Menschen hingebungsvoll beobachtet; der stülpt ihnen nicht ein theoretisches Konzept wie eine Papiertüte über den Kopf; der kann etwas über Menschen erzählen auch ohne Marokko.

Nach 90 Minuten etwa hat der lange Anlauf Vater und Sohn endlich in einem Zimmer zusammengebracht. Aber statt dass sie eine Spannung aufbauen mit Schweigen, mit nicht recht wissen, was sie sagen sollen, womöglich dass der Zuschauer gemeinsame Charakterzüge erkennen kann, da schwatzen sie drauf los, was das Drehbuch hergibt, was aber nicht als Übersprungshandlung inszeniert und erkennbar wird. Sie liefern die Vater-Sohn-Beziehung pünktlich ab. Schlimmer kann es nicht kommen. Zum Beispiel, dass der Vater ein Buch geschrieben habe „Gedanken über das Theater“ und der Sohn erwidert, er hätte in seinen Kurztexten auch ein Thema beschrieben, was er kenne, nämlich die kaputte Familie. Keine Details bitte. Das ist das Grundaxiom dieses Filmes.

Thema des Filmes (spekulativ): wie verbrenne ich auf die mir angenehmste Weise deutsche FilmFördergelder (Steuer- und Gebührengelder)? Dieses Trauerspiel haben hinter den Kulissen jede Menge von gebührenfinanzierten Fernsehsendern und steuerfinanzierten Filmförderern unterstützt und möglich gemacht, wobei nicht auszumachen ist, welcher Drehbuchlegastheniker als erstes das Drehbuch von Frau Link für drehreif befunden hat und in welcher Reihenfolge die Förderlemminge sich den Förder-Massen angeschlossen haben, denn wo Oscarpreisträgerin drauf steht, da kann unnöglich haarsträubender Dilettantismus drin sein: ARD Degeto (Christine Strobl, Stefan Lux, vertretungsberechtigte Geschäftsführer), Bayerischer Rundfunk (Intendant Ulrich Wilhelm), Westdeutscher Rundfunk (Intendant Tom Buhrow), Arte (Präsidentin Véronique Cayla), Studiocanal (Geschäftsführer Rodolphe Buet), FilmFernsehFonds Bayern (FFF) (Vorsitzender Staatsminister Thomas Kreuzer, Geschäftsführer Prof. D. Klaus Schaefer), Film- und Medienstiftung NRW (Vorsitzende Aufsichtsrat: Dr. Frauke Gerlach, Geschäftsführerin: Petra Müller), Filmförderungsanstalt (FFA) (Vorstand Peter Dinges), Deutscher Filmförderfonds (DFFF) (Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann), Unterstützung durch MEDIA PROGRAMM der Europäischen Union (Christiane Siemen, Geschäftsführung/Beratung).

Ender’s Game – Das große Spiel

Das Coming-of-Age, an sich schon eine grausame Veranstaltung, wird hier noch düsterer, noch furchtbarer gezeigt, in dem der Junge, das das durchseucht, Ender Wiggin, dies in der Bild- und Geistessprache des Militarismus als Kindersoldat erleben muss, dabei deutlich altert; aber den Glauben an sich und an das Versprechen, das er einlösen muss, nicht verliert und der auch den Schaden, den er dabei angerichtet hat, in einer anrührenden Szene mit einem sinnlich animierten Ameisenskelett wieder gut machen will.

Die bösen Erwachsenen, das sind in erster Linie Harrison Ford als Colonel Graff und Ben Kingsley als Mazer Rachham, haben des Jungen Talent und Unglück brutal missbraucht („seine Isolation darf niemals unterbrochen werden“), seine Kindheit zum Wohle der Menschheit, wie sie behaupten, vergeudet. Denn es war kein Spiel, was Ender Wiggin treiben musste, es war kein Video-Game, wie er glaubte, es war brutale Wirklichkeit, er musste die Feinde der Menschheit, die Formics im Weltraum besiegen, eliminieren.

Das exquisite Jüngelchen für ihren Zweck suchen sich die Erwachsenen (Ford und Kingsley schrecken wirklich vor keiner Rolle zurück) sorgfältig aus und testen es mit perfekter Überwachung, zum Beispiel mit einem in den Hals eingenähten Monitor. Es muss ein wacher, intelligenter, lernfähiger Junge sein, der aber auch einen ausgesprochenen Macht- und Führungswillen hat, Cäsar- oder Napoleonambitionen sind das Mindeste.

Dass er als Drittgeborener auserkoren wird, ist selbst für ihn verwunderlich. Er hat noch einen älteren Bruder und eine Schwester. Mit dem Bruder hat er das Kämpfen gelernt. Und zur Schwester hat ein, hm, inniges Verhältnis.

Nach der Auswahl des Protagonisten ist der Film erst mal vor allem eine Verherrlichung der paramilitärischen Weltraum-Kadettenschule, Bootcamp für Kids, und der anschließenden Eliteausbildung, auch der Siegerideologie.

Der sinnliche Nebeneffekt, der sehr einfachen Stoffkleidungen ist ein pädophil-erotischer: wie doch so ein Körper an der Schwelle zum Erwachsenwerden in zarten Bewegungen eine hinreissend sinnliche Wirkung erzielt. Wenn Ender sich nach ersten Ausbildungserfolgen doch einen Heimatbesuch ertrotzt hat und er an einem See weißgewandet auf sein Schwesterchen wartet, und die religiös anmutenden Lichtspiele drum herum, so könnte er ein kleiner Heiland sein.

Die Geschichte selbst wird filmisch in militärisch disziplinierter Art vorzüglich durchbuchstabiert. Da passt sogar die deutsche Nachsynchronisation zu Inhalt und Message ganz gut, auch zum hier häufig angewandten Kommandosatz „3 – 2 – 1“. Schließlich noch ein paar krude Weisheiten über das Verstehen des Gegners, seine Liebe zu ihm und dessen Vernichtung oder dass der Feind der beste Lehrer sei.

Gavin Hood hat diesen Film nach dem Roman von Orson Scott Card fabriziert.

Freakonomics

Dieser Film von 2010 zum Buch „Freakonomics“ der beiden wirtschaftsökonomischen Querdenker Steven Levitt und Stephen Dubner, ist ein dichter Freakonomicsteppich, bestehend aus mehreren Filmen hergestellt von mehreren Regisseuren und Drehbuchautoren mit Spielszenen, Dokuszenen, Interviews, Animation.

Als Kette, an der diese Filme aufgereiht sind, dienen Unterhaltungen der beiden Wirtschaftswissenschaftler Levitt und Dubner in gepflegtem Ambiente, klassisch, dunkle Holzausstattung, über ihre Entdeckungen und Spekulationen: Wirtschaftswissenschaft als Interpretation von Statistik im Hinblick auf menschliche Motivation und mögliche Manipulation.

Frappante Zusammenhänge bringen sie an den Tag: wie Töchterchen Amanda, das nicht gerne Pipi auf dem Klo machte, mit Schokolade bestochen wird und wie das kleine Mädchen schnell den Anreizmechanismus zu seinen Gunsten uminterpretiert, indem es ganz oft Pipi muss und auch auf Klo, aber nur mit ganz wenig Ausscheidung.

Oder der Zusammenhang, der auf den ersten Blick wie eine Faust aufs Auge wirkt, beim Sumoringen, was als Philosophie einer Kultur der Reinheit huldigt, je erfolgreicher aber einer wird, je mehr einer an die Spitze kommt und Ruhm und Ehre und Geld in Haufen greifbar wird, desto stärker steigt nicht nur die Versuchung, sondern auch die Praxis der gekauften Siege; auf diese Interpretation stießen die beiden Wissenschaftler bei Analysen von langen Reihen von Kämpfen und deren Resultaten.

Viel Spekulation zum Thema „Nomen est Omen“, extremster Fall die beiden schwarzen Brüder, den einen nannte der Vater Winner und den zweiten Loser; im Leben war es genau umgekehrt, der Loser war der erfolgreiche, der Karriere machte, während der Winner einzig rekordverdächtig war mit der langen Liste, die er in der Kriminalstatistik einnahm.

Verblüffende Erkenntnis auch hinsichtlich der Kriminalitätsrate in den USA; ein Blick ins Rumänien unter Ceausescu, wo die Menschen fruchtbar sein sollten und dies sogar mittels einer Menstruationspolizei kontrolliert wurde, brachte die Forscher auf den Trichter: den Zusammenhang zwischen dem Recht auf Abtreibung und einer heranwachsenden Generation, die offenbar weniger für Verbrechen anfällig ist.

Dass der Mensch mit Geld, Gütern und Gewinnspielen am leichtesten zu manipulieren sei, dürfte zu den weniger überraschenden Weisheiten gehören. Unsere beiden Forscher haben an einer Schule in Chicago Geld für Mindestleistungen ausgelobt, 50 Dollar in bar und Teilnahme an eine Lotterie um 500 Euro und Fahrt mit Schampus in Stretchlimousine.

Zum Mitschreiben dürfte diese filmische Lektion in Ökonomie nicht unbedingt geeignet sein; aber als unterhaltsamer Einblick in einen kleinen Bereich einer der wichtigsten Wissenschaften unserer Zeit allemal. Und man fragt sich unwillkürlich, wie resistent bin ich gegen Bestechung, wie manipulierbar bin ich bezüglich Verlockung durch Geld?

Ein weites Feld, die Erforschung des menschlichen Handelns, wie viel Einfluss er selbst nehmen kann, wie weit er manipulierbar ist; deshalb meinen die beiden recht jung wirkenden Wissenschaftler am Schluss, dass sie nicht so schnell mit fragen aufhören werden.

Meine kleine Familie

Wer unter kleiner Familie, eine Familie mit 500 Mitgliedern versteht, der ist entweder ironisch, liebt das Understatement oder ist etwas verwirrt. Für Paul-Julien Robert, den Macher und Selbsterkunder dieses Filmes, dürfte letzteres zutreffen.

Dieser Film zeigt, dass Familie nicht nur in ihrer herkömmlichen Weise, der Kleinfamilie, eine ideale Brutstätte für Gewalt sein kann, sondern dass das genauso für die vom Manifest her für Gewaltfreiheit plädierende Kommune des Otto Mühl galt, die 1991 geschlossen wurde. In dieser Kommune ist der Filmemacher aufgewachsen, ohne zu wissen, wer den von Männern sein leiblicher Vater ist. Er leidet bis heute unter der Irritation durch diese Art Vaterlosigkeit. Das ist zwar inzwischen geklärt und er hat ihn auch aufgesucht auf den Kanarischen Inseln, wo dieser einen ehemaligen Kommunenbetrieb als Hotel betreibt und immer noch stolz auf die Einbeckenkläranglage ist, die er vor 20 Jahren gebaut hat. Aber eine Vater-Sohn-Beziehung kann man das nicht nennen.

Die Irritation durch die Vaterlosigkeit zeigt sich im Film, der ziellos umherirrt zwischen bisher zur Veröffentlichung nicht frei gegebenem Archivmaterial aus der Kommune, denn deren Leben wurde täglich filmisch dokumentiert, Reisen und Begegnungen und Interviews mit seiner Mutter, Reisen zu Mitgliedern von dieser inzwischen über die ganze Welt verteilten „Familie“, zu „Geschwistern“, die auch sich versuchen von den Verhältnissen der Kommune zu erholen, Jean, der von Otto Mühl brutal vor der ganzen Gemeinschaft zum Singen gezwungen wurde und dem er Wasser aus der Flasche über den Kopf geschüttet hat, ein herzerweichendes, erschütterndes Dokument, zu des Filmemachers leiblichen Vater, zu lange vermeintlichen Vätern oder deren Hinterbliebenen, denn einer hatte sich umgebracht, ein besonders lebenslustiger, aber da ist der Filmemacher froh, dass der der einzige war, bis zu einem Treffen der Ehemaligen an der Stätte der Kommune Friedrichshof und einer Ausstellung.

Paul-Julien war zum Glück, wie er meint, zum Zeitpunkt der Pubertät bei seiner Mutter in Zürich (da haben sehr viele Frauen für die Kommune gearbeitet, um Geld zu verdienen); er fühlte sich dort jedenfalls total fremd und unsicher. Es blieb ihm dadurch aber die Einführung in die Sexualität und die Erlebnisse mit der viel älteren Claudia erspart. In Berlin besucht er einen etwas älteren „Bruder“, der die Einführung in die Sexualität offiziell in der Kommune erlebt hat mit der viel älteren Claudia, wo man richtig dressiert wurde für die halbe Stunde Sex und dann war man für sie nicht mehr interessant. Da leidet er heute noch drunter.

Der Wiener Aktionskünstler Otto Mühl wusste mit 42 nicht so recht weiter im Leben, wollte nicht allein sein und hatte die Idee einer WG, die sich zur Kommune entwickelt hat mit lauter lebens- und liebeshungrigen jungen Menschen, die 20 Jahre jünger waren als er, die Führung gesucht hatten und die er ihnen immer selbstherrlicher geboten hat. Bis er schließlich wegen Unzucht mit Minderjährigen angeklagt und ins Gefängnis gesteckt worden ist.

Der therapeutische Einschlag: die Aktionsanalyse.
Kommunen-Manifest von 79. Ablehnung von Gewalt. Befriedigung materieller und existenzieller Bedürfnisse. Selbstdarstellungs-Performances als Beweis für die Befreiung von der Kleinfamilie.
Mühl als Einpeitscher vor der Gruppe beim Tanzen.
Egon, der leibliche Vater, meint, die Kommune habe ihm geholfen, infantil zu bleiben.
Friedrichshof, das Gut, wo die Kommune lebte.
Einer leidet darunter, dass er das Gefühl hatte, dass es verboten war zu lieben.
Hat Probleme mit der Willensbildung.
Irgendwie gruselig, die Dokubilder.
Ein Menschenexperiment.
Doku oder Hilferuf?

Sputnik

Hier werden von Markus Dietrich als Autor und Regisseur die letzten vier Tage der DDR im Dorf Malkow als eine kinosüße Idylle mit fantasiebegabten, abenteuerlustigen Kindern und einem Dorfpolizisten, wie dem Herr Dimpfelmoser beim Räuber Hotzenplotz (Devid Striesow als ASV Mauder) evoziert.

Ausgerechnet am 10. November 1989 soll Malkow seinen 750. Geburtstag feiern. Rieke und ihre Schulfreunde wähnen sich im Untergrund. Sie sind fanatische SciFi-Bastler. Einen Ballon, den Sputnik, haben sie schon gegen einen Baum gefahren und eine Scheune haben sie zum riesigen Labor zum Bau einer Beammaschine umgewidmet. Auf illegalem Wege müssen die nötigen Dinge wie Rückspiegel von Autos oder Linsen von Zeiss, die nur für den Export gedacht sind, beschafft werden.

Der Herr Karl vom Dorfladen hat Verständnis für die Kinder. Ihn spielt Andreas Schmidt, der früher als besonders schmal im Gesicht aufgefallen ist, jetzt als wohlbäckigen Mann, der mehr aussieht wie ein Filmstar, so sah die DDR halt aus.

Nicht anders ergeht es einem mit der Besetzung der Mutter von Rieke mit Yvonne Catterfeld als Katharina. Eine wie aus dem Ei gepellte Schauspielerin, die in jedem Moment zeigt, dass sie das gelernt hat und dass sie in einem Film spielt, der mindestens aus Hollywood sein müsste. So war die DDR halt kurz vor dem Mauerfall.

Die Kinder müssen alle relativ hackelig und überprononciert sprechen. So war die DDR halt vor dem Mauerfall. Oder: das sind alles Element, die eine lustige Kinder-Abenteuer-Geschichte ausmachen.

Der erste Kuss fehlt nicht, auch die Gefangennahme eines Schulkameraden unter verführerischem Vorwand, um ihn zu fesseln, weil er drohte das Beam-Unternehmen zu verraten. Dieses war nämlich nötig geworden, weil der ältere Bruder von Rieke, den sie so anhimmelt, endlich den Ausreiseantrag genehmigt bekommen hat und jetzt in Westberlin wohnt. Dort ist er schlecht zu entführen, denn dazwischen befindet sich eine gefährliche Mauer, an der man erschossen wird. Also muss die Beammaschine konstruiert werden.

Die Beammaschine selbst wird durchaus effektvolle Aktivität entwickeln. Aber leider nicht so, wie die Kinder es kalkuliert haben. Und dann kommt am 9. November auch noch der Mauerfall dazwischen. Aber womit der zu tun hat, das wird ein großes Geheimnis bleiben und das erfahren nur die Besucher dieses Filmes. Man selber als Zuschauer denkt, mei, ist das schon bald 25 Jahre her und wie sich die Welt seither doch verändert hat – und wie schnuckelig und hollywood-süß doch die DDR gewesen sein muss, ein Paradies für Kinder.
Leicht überhitzte Kinder-Raumfahrtfantasie.

Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen 2

Eine amerikanische Animation, die sich aus dem Ideenpool der Fast-Food-System-Gastronomie Impulse holt und die uns zwar nicht erzählt, dass man mit Nahrungsmitteln nicht spielen soll, aber, dass geistiger Diebstahl sich nicht lohnt und dass Freunde und Freundschaft im Überlebenskampf unerlässlich sind.

Der naive Erfinder Flint Lockwood wird von seinem Idol Chester V betrogen und ausgenutzt. Denn die geniale Erfindung „der flitzende För“ ist nicht kaputt, wie Flint glaubt, sondern hat sich selbständig gemacht und ein wahres Paradiese an Fantasiepflanzen und -essen geschaffen.

Chester V ist scharf auf diese Erfindung. Er kann Flint ködern; denn die heiligen Hallen von Chester (der mit einer Art 3-D-Brille charakterisiert wird) übertrumpfen alles, was in Amerika Sekten und Mormonen und Religionsgemeinschaften an farblichem Pomp und Rankenmotiven und Erlösungsmusik aufbieten können.

Flint glaubt schon von Chester zum Erfinder des Jahres gekrönt zu werden. Aber er geht leer aus. Ein belangloser Konkurrent wurde vorgezogen. Denn Chester braucht Flint, braucht seine Depression, seinen Frust, um ihn manipulieren zu können, um ihm Hoffnung machen zu können, um ihn von seinen Freunden zu isolieren, um ihn für seine Mission, der Wiederauffindung und Nutzbarmachung des „flitzenden Förs“ einsetzen zu können.

Flint hat gute Freund und seinen Vater, einen alten Seebären. Aber er verhält sich idiotisch, glaubt ohne seine Freunde auskommen zu können und gerät so in äußerste Gefahr. Selbstverständlich folgen ihm die Freunde und sind, auch wenn einige von ihnen sich selbst in höchste Gefahr begeben, im richtigen Moment zur Stelle.

Die deutsche Synchronisation ist passabel, einziger Ausfall ist Barb, der Gorilla an der Seite von Chester; auf deutsch eine tranige Stimme, die Tempo und Energie und Pep aus der Sache heraus nimmt.

3D ist hier lästig, genusserschwerend und vollkommen überflüßig.

Das Ziel des Erfinders ist ehrenhaft: eine bessere Welt zu gestalten. Er ist also auch ein Idealist. Der Böse Chester dagegen kann sich in x Hologrammen vervielfältigen in diesem Konsumentenmärchen.

Die Fantasiefiguren heißen Fritantula, das Tacodil (ein grausam aussehender Hamburger, der aber eine gute Mamma ist), U-Brote, Sushi-Schafe, Erdbärchen, Bananenauster, Käsespinne usw. Dieses Ökosystem aus lebendigem Essen haben als Autoren von Geschichte und Figuren geschaffen: Judi Barrett, Ron Barrett, John Francis Daley, Jonathan M. Goldstein, Phil Lord, Chris Miller, Erica Rivinoja und für die Regie zeichnen Cody Cameron und Kris Pearn.

Jackass: Bad Grandpa

Für einen Film, der aus lauter „versteckte Kamera“-Szenen besteht, die am losen Faden eines Opa-Enkel-Road-Movies im türkisen Straßenkreuzer mit türkisen Polstern in der Region von Nebraska, Tennessee, Carolina stattfindet, sind offenbar jede Menge Autoren vonnöten, hier firmieren als solche Fax Bahr, Spike Jonze, Johnny Knoxville (ist auch der Protagonist in der Rolle des Irving Zisman), Adam Small und Jeff Tremaine, der auch für die Regie verantwortlich zeigt.

Was heißt hier Regie? Im Abspann gibt es einen kurzen Einblick, wo man überall Kameras, teils samt Kamerafrau verstecken kann. Die Locations sind zum Teil raffiniert präpariert. Einmal geht sogar ein kleines Kinderschaukelraketchen spektakulär ab wie eine Rakete samt Hauptdarsteller drauf durch eine Schaufensterscheibe in den angrenzenden Laden.

Der Grund, warum Opa sich mit dem Enkel auf den Weg macht, ist nicht so wichtig, wird aber gezeigt: die Oma stirbt und die Mutter des Buben Billy muss in den Knast.

Das Muster der Szenen ist immer dasselbe: Johnny Knoxville, der hier auf Greis gestylt ist und einen eigenwilligen Komikergang zwischen Holzfäller und Rodeoreiter entwickelt hat, taucht irgendwo auf und will mit seinem Enkel, der ein hochtalentierter Mitspieler ist, Alltagssituationen aufmischen, Erwartungen der Menschen an echte Lebenssituationen konterkarieren und schreckt auch vor Beerdigungen, Hochzeiten oder geheiligten Bingohallen nicht zurück. Um verdutzte Gesichter und Reaktionen bei den Reingelegten zu provozieren. Wobei diese Gesichter am schmerzlichsten bei den ehrgeizigen Müttern der Kinder-Models beim Mädchenschönheitswettbewerb sind, wo Opa mit dem travestierten Enkel und dessen Mega-Gaga-Show massiv den Nerv der Veranstaltung trifft, gleichzeitig dieses für seine Zwecke ausbeutet.

Da der Zuschauer auf Versteckte-Kamera-Spiele seit einigen Jahrzehnten geeicht ist, müsste also eine ziemlich aufregende Geschichte her, ein pikanter Konflikt, ein rasendes Tempo im Schnitt, um den Betrachter vollkonzentriert bei der Stange zu halten, ihn nicht ständig abschweifen zu lassen, was ihnen jetzt wohl noch einfallen könne. Ermüdung eines Genres zeichnet sich ab.

Wobei andererseits wieder hochinteressant ist, die „echten“ Reaktionen zu beobachten, die bei Berufsschauspielern sich oft schon kilometerweise im Voraus ankündigen, meist schon bei den ersten drei Schritten vom Flur durch eine Tür in einen Raum sieht man den Berufs-Akteuren an, dass sie jetzt etwas Überraschendes erleben werden. Jedenfalls eine nicht so leicht zu spielende Sache, darauf macht so ein Film wie dieser hier immerhin wieder aufmerksam.

Tremaine hat aber auch durchaus Szenen drin gelassen, in denen einige der uneingeweihten Beteiligten oder Übertölpelten den Braten riechen und die Augen schweifend den Raum nach möglichen Kameraverstecken absuchen oder dass trotz aller Verkleidung der eine oder andere, mir schien es bei den Rockern oder auch bei der „Ladies Night“, den Komiker erkannt haben.

Zum guten Ton dieser Komik scheint es zu gehören, auch unterhalb der Gürtellinie was raushängen zu lassen, davon kann Knoxville nicht genug kriegen, beim Herrenstrip mit Unterhose und fast bis zu den Knieen sich ziehenden Scrota. Die Anzüglichkeit, die Anzüglichkeit.

Am Ende der Milchstraße

Die Stärke dieser Dokumentation von Leopold Grün und Dirk Uhlig ist sicher ihr Zugang zu den Bewohnern des von ihnen portraitierten Ortes, der „am Ende der Milchstraße“ zu liegen scheint, in Mecklenburg-Vorpommern. Zumindest die Erwachsenen erzählen von sich oder lassen sich bei ihren Tätigkeiten oder beim Trinken ungeniert beobachten; die Kinder allerdings wirken gelegentlich etwas inszeniert, aber die sind eh nur als Farbtupfer eingefügt, damit nicht ganz der Eindruck einer sterbenden Ortschaft, in der laut Presseheft gerade mal 50 Einwohner leben, entsteht.

Max zum Beispiel wäre ein wunderbarer Protagonist, keine 50, aber mit einem wehen Fuß und einer Freundin, die nicht fest bei ihm wohnt, die kein schönes Vorleben hatte und glücklich über Max ist, der ihr zum Frauentag, zum Muttertag, zum Geburtstag immer etwas schenkt, auch wenn die Blumen nur 1.99 kosten; so etwas hatte sie noch nicht gekannt; sie hat eine Tochter, die aufgrund ihrer Kindheitserlebnisse in therapeutischer Behandlung ist und jetzt in Hamburg wohnt. Max ist nicht gerade Optimist, er möchte in drei Jahren oder vielleicht fünf Jahre später, mit 55, in Rente gehen und dann besorgt er sich ein Schwein und wird mit diesem spazieren gehen. Max ist ein zentnerschwerer Mann mit ganz dickem Bauch, trinkt gerne sein Bier und auch einen Schnaps dazu und ist sich nicht sicher, ob er sein angepeiltes Rentenalter überhaupt erreichen wird.

Was Max mit allen anderen Portraitierten verbindet, ist dass sie sehr bescheiden sind, dass sie gar nicht auf die Idee kommen zu jammern und irgendwem die Schuld für ihre einfachen Lebensverhältnisse in die Schuhe zu schieben.

Ein Stück weit erfüllen die Filmemacher mit ihren Bildern ja auch den Traum eines jeden Städters: die Ruhe des Landes, Schweine, Pferde, Hühner, Enten, Hunde, das Gesummse, eine Sorglosigkeit und eine Ambitionslosigkeit, Stressfreiheit. Wobei diese Randerscheinung der Republik inzwischen auch an einigen Orten mittendrin zu finden sein dürften durch die stetig sich weitende Schere zwischen Arm und Reich.

Das Problem, was die beiden Filmemacher hatten, war allerdings eines der Montage; sie hat zwar ein gewisses System über die Jahreszeiten, aber von den verschiedenen Leuten erfährt man immer punktuell etwas; einmal gibt es eine Hochzeit, einmal ein Sommerfest, plötzlich ist beim einen ein kleines Kind da, einmal wird ein Schwein geschlachtet, einmal kommt ein Kalb zur Welt, über einen Toten wird geredet, ob es die Thrombose war oder die Leber, einer holt aus einem leeren Bassin einen tote Echse und meint, die alte Sau habe den Winter nicht überlebt. Vermutlich haben sich die Filmemacher nicht klar gemacht, dass der Zuschauer zuerst einmal für ahnungslos zu nehmen sei, der weder die Ortschaft noch irgendwas kennt und der einen Anspruch auf Minimalinformation hat und tendenziell eher nicht die Bereitschaft zeigen dürfte, aus dem Stückwerk aus durchaus ansprechenden Bildern, sich ein Bild von der Ortschaft zu machen; was der Film ja vorgibt.

Faktisch aber belässt er es bei einer beliebigen Ansammlung von durchaus sehenswerten Impressionen; verzichtet aber darauf, eine Geschichte zu erzählen, auch durch den Verzicht auf einen Protagonisten; viele der Figuren hätten sicher genügend Potential dafür, man hätte gerne mehr erfahren über die Frau, bei der es heißt „Hotel Mama ist nicht mehr“, über die Frau mit den Pferden, über den Zugereisten „Techniker“, der beim Geräusch von Motorrädern lakonisch meint: jetzt kommen die Organspender. Ein Autokennzeichen verrät uns immerhin, wo wir uns befinden: DM = Demmin – weiß wer, wo das ist? Am Ende der Milchstraße.

Die Spätzünder 2 (TV BR)

Life ist life. Zugabe. Gegröle. Wollt Ihr noch? Die Altenheim-Band rockt.
Und noch ein deutscher Altenheimfilm. Und wieder spielen alte Schauspieler alte Menschen, so wie sie sich vorstellen dass alte Menschen sind, das heißt so, wie sie sicher nicht sind. Das kommt so heraus, weil der Regisseur Wolfgang Murnberger in seiner routiniert desinteressierten Regie die alten Kämpen machen lässt, und diese zeigen folglich, wie dämlich sie alte Menschen darstellen zu müssen meinen und weil das Drehbuch von Uli Brée diesem allen noch Vorschub leistet.

Ein fragwürdiges, gebührenfinanziertes Unternehmen und der Gebührenzahler, der sich ein solches Luxusaltenheim nicht leisten kann, darf sich bescheuert vorkommen. Immerhin ein Sozialfall, der in Goa war, hat’s in dieses Heim geschafft. Und wie machst du es jetzt? Altenheim oder Disneyland?

Wenn Themen vorkommen wie Sex im Rentenalter, Fitness wie ein Turnschuh, prozessorientierte Musiktherapie, so sind Handlung und Spannung doch gar nicht mehr nötig, diese sind von sich aus so total erheiternd – glauben die Macher.

Diesen Zirkus machen mit: Joachim Fuchsberger, Hans Michael Rehberg, Dieter Hallervorden, die spielen schon so, dass sie nicht unbemerkt bleiben und die Sprüche, die der Autor vermutlich aus einem Sprichwörterbuch, Kapitel „Alte und Altenheime“ gefunden hat, die können sie auch ohne jede Regiehilfe vortragen.

Die jungen Darsteller stellen sich teils so an, als ob sie für eine Gerichtsshow improvisieren sollen, weil sie sowohl von Drehbuch als auch von der Regie allein gelassen wurden. Die verkindete Betreuerin, der verwurstete Betreuer. Rocco und Marina.

Grundthese: das Alter ist ein sinnloser Selbstzweck und hat keine Zukunft. Diese These wird nun durchbuchstabiert anhand von Bandproben, Yoga, Unmündigkeit, geriatrischer Küche, Zigaretten, Schwächeanfällen, Abhauen, Verdacht auf Lungenentzündung, Unartigkeit beim Essen, Kredite, Hausbesetzung und eine Musik, die aufdringlich erzählt, das ist eh alles nicht wichtig und sowieso lustig.

Die kleine Story, die spät erst beginnt, dass die Insassen ihr Altersheim kaufen wollen, soll aufzeigen, wie kaputt aller Familienverhältnisse sind.

Am Schluss lösen Musik und feine Küche alle Probleme und machen alle glücklich und erfolgreich.
Glück aus dem Mustopf.