Jeder Mensch ist von Natur aus ein Genie, aber was nützt es ihm, wenn er – bildlich gesprochen – im Death Valley zur Welt kommt, wo es nie regnet. Das Tal des Todes taucht ganz am Schluss des Filmes auf als Beweis für die Eingangsthese; einmal hat es nämlich geregnet im Death Valley und im Frühjahr drauf begann es dort heftig zu sprießen, Blumen über Blumen, ein Meer von Blumen im Death-Valley!
Was wäre eine Welt voller Genies, könnte man fragen nach diesem Film von Erwin Wagenhofer, dem Dokumentaristen, der schon mit „We feed the world“ und „Let’s make money“ sich globalen Themen angenähert hat. Er scheint jetzt selbst auf einer Schiene festgefahren, er scheint selbst, so wie es im Film als Negativbeispiel dargestellt wird, unkreativ geworden zu sein, sich aufs Prinzip festgelegt haben, um die Welt zu reisen, punktuell dokumentarisches Material zu sammeln, um im Kino ein globales Thema, hier das der Bildung des Menschen, der Erziehung, zu illustrieren.
Prinzipiell stehen sich, wenn auch nicht systematisch dargestellt, aber eben auch nicht mit der Freiheit, wie der vor den Nazis geflohene Arno Stern es in seiner wunderbaren Malschule in Paris seit Jahrzehnten mit Kindern praktiziert, zwei Lehren gegenüber: die schulische, die trimmende, die ehrgeizige, die Konkurrenzlehre und die freie à la Arno Stern oder à la Hirnforscher Gerald Hüther – die beide in ländlichen Idyllen zu hausen scheinen, à la anthroposophischer Ansatz, den Wagenhofer allerdings gänzlich ignoriert, gegen den beibringenden Ansatz, den der auf Leistung, Effizienz und Anpassung aus ist, wie ihn eine Gymnasiastin aus Hamburg beklagt oder wie er die erste halbe Filmstunde lang aus China rapportiert wird, zum Beispiel die regionale Vorentscheidung in der Provinz Sichuan für die internationale Mathematik-Olympiade.
Und immer wieder dreschen Herrschaften von McKinsey oder Mr. Pisa Management- und Bildungsanalysestroh.
Der Film dürfte sich vornehmlich an ein Publikum richten, was sich mit dem Thema Bildung beschäftigt und was gerne Zeit mit dem Thema in Seminarräumen verbringt oder er könnte möglicherweise in den Schulunterricht eingebaut werden und zu selbstreflexiven Diskussionen innerhalb unseres Bildungssystems führen.
Was aber Erwin Wagenhofer mit diesem Film auch beweist, dass das Bildungsthema kinobildnerisch eher trostlos und unergiebig ist.
Andererseits könnte man sagen: Erwin Wagenhofer präsentiert uns Bildungsphilosophie- und praxispositionen wild und bunt durcheinander wie in einem Gartenbeet mit Wucherblumen; er versucht einerseits den freien, den genialen Ansatz zu praktizieren. Aber der kommt wiederum merkwürdig wenig genialisch rüber; weil doch zu viel ausgefahrene Dokumentarstruktur sichtbar wird, auch wenn er diese punktweise zu konterkarieren versucht, indem die Gesprächspartner beispielsweise erst kurz bevor sie abgespielt sind, vorgestellt werden; indem er die Bildungs- und Lehrräume gerne als Leerräume zeigt, bevor die Seminarteilnehmer oder Schüler sie füllen.
Vom Standpunkt der ökonomischen Produktion aus allerdings könnte eingewendet oder als positiv bewertet werden: der Film will den Menschen Hoffnung machen, auch wenn Patrick aus Dortmund, der als Security-Mann für 8 Euro pro Nacht arbeitet, als hoffnungsloses Gegenbeispiel herhalten muss, dass, wie auch wissenschaftliche Reihenuntersuchungen über Jahre an Heranwachsenden gezeigt haben, der Mensch von Natur aus ein Genie, also frei sei und dass je älter er wird, der Prozentsatz von Genies eines Jahrganges drastisch sinkt; dank Anpassungs- und Lernleistungsdruck. Solche Aussagen wirken allerdings anhand der Probleme unserer modernen Industriegesellschaften (Thomas Satttelberger ein ehemaliger Personalchef riesiger Firmen wie Mercedes, Telecom, Continental würde am liebsten einiges an dieser erstarrten Bildungskultur erst mal zertrümmern) doch eher als gut gemeintes Geschwätz in wissenschaftlichem Mäntelchen weit abseits der Lebenspraxis.