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Lone Survivor

Schwülstiger, die Kriegskameraderie verherrlichender Militärpropagandakitsch in einer Kulisse, von der Louis Trenker nur geträumt haben könnte.
Ständig fragt man sich, was machen diese geleckten und dann oft plump auf verletzt geschminkten süßen Hollywoodboys in diesem unwegsamen, felsigen Gelände, was Afghanistan markieren soll. Haben wir es mit einem Trainingsplatz für Schauspieler zu tun, die sich in Todesröcheln, Hyperventilation, dem Felsenhinunterkullern und unendlich vielem Fuck-Sagen üben wollen? Wie viel Geld mag das Pentagon in dieses Kriegsheldenpoesiealbum gesteckt haben? Denn als solches fängt es an. Und kein Konflikt weit und breit.

Einmal nur hat die kleine Truppe von GIs, die hier im Mittelpunkt steht, und von denen zur Erfüllung des Titels nur einer überleben wird, ein Entscheidungsproblem. In einem Bergwald hoch über einer afghanischen Ortschaft müssen sie sich entscheiden, wohin sich zurückziehen. In der Ortschaft vermuten sie einen richtigen Bad Guy, der schon so viele kostbare, amerikanische Soldaten auf dem Gewissen hat, und den sie töten sollen. Der Einsatz muss zu einer Zeit gespielt haben, als die Amis noch keine Drohnen im Einsatz hatten, sonst hätte man das Gebiet vorher absuchen und feststellen können, dass die paar dummen Soldaten direkt in ihr Verderben laufen, in dem sie sich dafür entscheiden, sich in Richtung Bergkuppe zurückzuziehen, wo die Taliban wie Skulpturen am Horizont aufgereiht in Reh und Glied auf sie warten.

Dieser Film von Peter Berg, der auch Schauspieler ist und der mit Marcus Luttrell und Patrick Robinson für das Drehbuch zeichnet, sieht sich in einer moralischen, nicht nur in einer kriegspropagandistischen Mission. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass nicht jeder Afghane ein Bad Boy sei. Der einzige Überlebende des hier verfilmten Vorganges, der auf einer wahren Begebenheit beruhe, der wird von einem Afghanen in seinem Dorf aufgenommen, weil dieser sich der traditionellen Gastfreundschaft verpflichtet fühlt.

Verwunderlich, dass deutsche Verleiher sich trauen, so eine schmachtfetzige, amerikanische Heldentümelei, der Film hört sogar mit einem Song über Heldentum auf („how we can be heroes“), hier ins Kino zu bringen; sie scheinen nicht zu verstehen, dass bei uns der ideologische Boden für solche Filme fehlt – und hoffentlich für alle Zeiten fehlen wird. Umso mehr als der Film cineastisch armselig ist, die Rollen ohne Konflikte bleiben.

Der Film fängt an mit einer schwärmerischen Ode an die Militärkameradschaft unter hübschen, sinnlichen Männern, die eher für die Werbung von Rasierwasser geboren zu sein scheinen denn für den Kampfeinsatz am feindseligen Hindukusch. Lauschiges Bergwalddrama mit viel Schießerei.

Und warum sie sich den Berg hinauf zurückziehen? Mit ihren Zielfernrohren haben sie den Bad Guy im Visier. Er ist nicht, wie sie glauben, nur von zehn Beschützern umgeben, sondern von einer „fucking army“. Außerdem scheint der Bad Guy nichts anderes zu tun zu haben, als die ganz Zeit die Dorfstraße auf und ab zu gehen mit seiner Entourage und sich im Zielfernrohrbereich der amerikanischen Good-Guys zu bewegen. Das ist die List, die den Heros nicht zu denken gibt.

Der Film hat zudem große Probleme mit der Glaubwürdigkeit, denn die Handlungen dieser Soldaten wirken konfus. Ständig fragt man sich, was tun die da? Der Verzicht auf individuelle Konflikte oder der Entscheid für die Lobhudelei der Mutigen, führt dazu, dass einem auch total wurscht ist, wer nun erschossen wird oder wer wen erschießt, manchmal am Rande der Lächerlichkeit; wenn einer schreit „I lost my rifle“. Der Ärmste, ohne Gewehr im Jagdwald!

Ein Stöhn-, Schnauf- und Fuckkrieg. Oberkitsch: wie einer stirbt, kullert ihm eine dicke Träne die Wange hinunter, so wie der Sterbende vorher den Felsen hinuntergekullert ist, verwunderlich, dass er das überlebt hat. Dafür verlustiert sich der Film in breiter Zeitlupe gleich doppelt an einem Schuss in den Rücken eines Ami-Soldaten. Beschwörung, you are not dying. Lügen bis zuletzt. Das heißt auch Krieg.

Gedanke dazwischen: ein Schauspieler, der so eine Rolle annimmt, muss vielleicht eine gewisse Begrenzung der Intelligenz oder groben Geldmangel aufweisen.
Oft am Rande des Grusicals.
Der Besetzungskitsch wird mit Siegel und Stempel versehen, wenn am Ende die Originale gezeigt werden neben den Hollywooddarstellerboys. Die Originale sind ernst, verschlossen.

Journey to Jah

Jamaika, Rastafari und Reggae, für Dokumentaristen ein Traumsujet.
So bringen es uns Noel Dernesch und Moritz Springer rüber. Ihre beiden Protagonisten sind zugewanderte Jamaikaner und Sänger, die mit europäischer Gründlichkeit sich sowohl die Sprache als auch die Musik angeeignet haben und überaus erfolgreich sind.

Es gibt Aufnahmen eines Konzerts in Köln mit einer unübersehbarer Menge von Zuschauern, wo der Deutsche Tilmann Otto, der als Musiker Gentlemen heißt und der Italiener Alberto D’Ascola, der sich Alborosie nennt, die Menge elektrisieren. Sie vermitteln das, was sie auf Jamaika gefunden haben. Es ist ein Hoffnungstropfen gegen die Unfreiheit und Einsamkeit des Menschen, ein Argument für Spiritualität.

Diese Musik hat ihren Ursprung in der Ghettos von Jamaika, dort wo die Armut herrscht, die Hoffnungslosigkeit, die Perspektivlosigkeit, wo die Menschen eng aufeinander leben und aufeinander angewiesen sind. Unglück, was eine kulthaft begeisternde, ansteckende Musikkultur hervorbringt, die schon für die Befreiung aus der Sklaverei geholfen hat.

Tilmann beeindruckt am meisten die Spiritualität der Menschen dort. Dass sie über den Glauben sprechen, dass sie überhaupt miteinander reden. Das empfindet auch die Sängerin Terry Lynn, wie sie ihr Haus wieder in ihrem Viertel baut.

Der Film ist eine sympathische Zusammenstellung aus Proben- und Konzertmitschnitten, aus vielen Gesprächen mit den beiden Protagonisten, aber auch mit anderen Sängern, mit Produzenten, mit einer Professorin für Literatur- und Kulturwissenschaft aus Jamaika, mit dem Vollblutrasta Natty, der in Sea View, einem Ghetto von Kingston wohnt und lebt und die Rastakultur personifiziert.

Und immer wieder traumhaft schöne Aufnahmen von Jamaika, dem Meer, den Häusern, den Armenvierteln, die so malerisch aussehen.

Auch der inhaltlichen Begründung von Reggae und Rastafari wird nachgegangen. Die Spiritualität gegen die „bad experience“; und aufregend Marly JR mit seinem dicken, knöchellangen Haar, der zu einem Auditorium sprechen soll, obwohl er doch lieber singt und deshalb ständig die Arme schwenkt auf der Bühne, als ob er ruderte. Rastafari, das den Zugang zum Allmächtigen schafft.

Auch die Themen Homosexualität und Homophobie werden diskutiert, was auf Jamaika alles andere als selbstverständlich ist; wobei Diskriminierung doch der Freiheit, die die Lieder besingen, diametral entgegengesetzt ist. Die Message: lebe im Moment, es ist Dein Leben. Während es im Ghetto in erster Linie darum geht, zu überleben.

Der Titel des Filmes „Journey to Jah“ (Reise zu Gott) ist auch der Titel eines Songs von Tilmann. „I’d rather be a hustler“ singt Terry Lynn in Berlin; sie möchte etwas von dem Jamaika-Vibe rüberbringen – was ihr mühelos gelingt. Diese Musikbewegten möchten die Welt ein bisschen besser machen und produzieren bei uns am Ende doch nur die üblichen Konsumveranstaltungen. Da es sich allerdings mehr um einen Hommage-Film handelt, werden Fragen nach der wirtschaftlichen Situation der Protagonisten zurückgestellt. Immerhin ist zu erfahren, dass Terry Lynn und auch Tilmann oft auf Tournee sind. Tilmann sinniert sogar an einer Stelle, er sei mehr im Hotel als anderswo und er fühle sich gelegentlich wurzellos – auch das direkt konträr zur Message der Songs. Wobei sein Produzent an einer Stelle meint, die Umsetzung jeder dieser Musiken werde dogmatisch. Tilmanns Satz, die Freiheit fange für ihn da an, wo die Sehnsucht stärker werde als die Vernunft, bedürfte der eingehenderen Analyse.

Need for Speed

Scott Waugh, der Regisseur dieses Filmes nach einem Drehbuch von George Gatins, hat bei IMDb am meisten Einträge als Stuntman, was vielleicht sein Vorgehen hinsichtlich des Themas Geschwindigkeit verständlich macht, was vielleicht den Eindruck, dass es hier um eine Hingabe ans Handwerk gehe, auch Kino als sorgfältiges Handwerk, orientiert am Stunthandwerk und weniger als existenzialistische, politische oder künstlerische Exploration verstanden, nicht als Suche nach einem wegweisenden Kino.

Es gibt an einigen Stellen ganz ruhige Expositionen, Besprechungen der Dinge, die kommen werden. So wie ein sorgfältiger Stuntman seine Aktionen vorbereitet. Diese Dinge sind illegale Autorennen. Bei den Rennen selbst, da donnern die Motoren, die Boliden, die Mustangs, die Ferraris, die Maseratis oder was auch immer dröhnend los und allzu gerne legen sie auf den Straßen kleine Tänze, kleine Schlenker,kleine Slaloms hin, sieht lustig auch, erklärt, dass hier einer sein Handwerk versteht.

Die Geschichte ist einfach. Bei einem illegalen Rennen passiert ein tödlicher Überschlag. Der Junge, der bisher vor allem immer dann, wenn die Kamera auf ihn gerichtet war, charmant gegrinst hat, den hat’s erwischt. Sein Kumpel Aaron Paul als Tobey Marshall wird zu zwei Jahren Knast verdonnert. Er hatte eine kleine Autowerkstätte betrieben, in der er mit Freunden Autos frisierte und herrichtete. Dominic Cooper als Dino Brewster, der Verursacher des Unfalls, geht ohne Anklage aus dem Verfahren hervor.

So wird denn zwei Jahre später, wenn Tobey auf Bewährung aus dem Knast kommt, die nächste Stufe dieses Filmes gezündet, die die große Abrechnung zwischen Tobey und Dino vorbereitet.

Das ist eine rasende Fahrt in dem wieder hergerichteten Mustang mit Imogen Poots als hübsch-blond-schmollmündiger Julia Madden, die eine schnuckelige Fake-Britin spielt. Ziel der Fahrt, das innert 45 Stunden erreicht werden muss, ist Kalifornien. Dort findet das irrste illegale Rennen statt, das von einem Typen organisiert wird, der von Zuhause aus über Internet alles organisiert, die News und die enorme Gewinnsumme bekannt gibt und im letzten Moment auch die Strecke.

Dort wird es, das ist absehbar und nicht zu viel verraten, zur dritten Zündstufe dieses Filmes kommen, zum Countdown zwischen Tobey und Dino. Es geht um viel Geld noch dazu. Aber das ist nicht so wichtig. Im Grund zählt, dass der dünne Plot Anlass gibt locker eine frische Action(schlacht)platte anzurichten, mit alle dem, was mit schnellen Autos stuntmässig heute filmisch zu bieten ist, erst recht, wenn noch Begleitung aus der Luft garantiert ist, wenn der Gegner über diverse Überraschungen an Mitspielern, zu bedrohlichen Vehikeln umgebaute Trucks zum Beispiel verfügt und wenn das große Rennen von immer mehr Polizeifahrzeugen gestoppt werden soll und dazu noch auf einer bergigen Strecke der kalifornischen Pazifikküste entlang stattfindet, teils an gefährlichen Klippen.

Ein geradlinig entwickelte Geschichte, aber klar inszeniert und exponiert und insofern für den Autorennfreund sicher ein Vergnügen. Und für die letzte Szene gibt’s ein direkt idyllisches mit einer Mauer eingefriedetes Kirchlein hoch über dem Meer. Selbstverständlich explodieren mehrere Autos. Das gehört dazu in so einem Film wie das Amen in der Kirche.

Vielleicht ist es diese Hingabe ans Handwerk des Stuntmans, der hier Regie führt, die mir den Film durchaus sympathisch macht, auch wenn er in 3D angeboten wird. Er gibt nicht vor, mehr zu sein als er ist, wobei er trotzdem an einigen Stellen Platz für Gespräche und Besprechungen hat. Melancholisch oder romantisch am Ende noch der song „may your love never end, and if you need a friend, there is a seat along side me“. Eine Liebhaberangelegenheit.

Wer ist Thomas Müller?

Dass Durchschnittlichkeit dokumentarfilmerisch schwer zu referieren ist, das beweist Christian Heynen mit diesem seinem typisch durchschnittlich deutschen Dokumentarfilm, der sich mit dem typisch durchschnittlich deutschen Mann beschäftigt.

Der Dokumentarfilmer hat sich vom Statistischen Bundesamt erklären lassen, wer der typische Durchschnittsdeutsche sei: er heiße Thomas Müller, sei 43 Jahre alt, 1,78 Meter groß, ist mit 84 Kilo zu schwer, schaut am Tag 4 Stunden Fernsehen … (wo die alle diese Zahlen her haben?).

Nun meldet er sich mit diesem Projekt, den typisch Durchschnittdeutschen zu „erforschen“ bei den typisch durchschnittlich deutschen Filmförderungen und den typisch durchschnittlich deutschen Fernsehredaktionen, die sich selbst wunderbar gespiegelt sehen und erhält Geld für das Projekt und los kann die Reise gehen, auf zur Thomas-Müller-Feldforschung.

Dann suchte Heynen querbeet in der Republik Deutsche, die dieser Durchschnittlichkeit entsprechen (ob er die Kilos genau nachgemessen hat, wage ich zu bezweifeln) und interviewt diese.

Seinen Sammlereifer belegt sich der Dokumentarist auf einer Pinnwand. Auf dieser wird nach jedem abgehandelten Thomas Müller mit einem Reissnagel auf die Stirn ein Portraitfoto von diesem befestigt mit einer typisch durchschnittlich-deutschen Beamtengeste, wie früher Postbeamte den Stempel auf die Briefmarke knallten; auch mit diesem Triumphgefühl der Erledigung.

Dann folgt die typisch durchschnittlich-deutsche Dokumentaristen-Postproduktion: Unmengen von Dokumaterial mit Interview- und Blabla-Verhau sichten und kürzen, zusammenschneiden, mit eingängiger Musik, die der vermutete Durchschnittsdeutsche liebt, und mit ein paar schönen Kameraaufnahmen verschönen.

So ergibt sich ein unverbindlich, amorpher Themenwust vom Börsenmenschen über den HartzIVler, die Arbeitslosigkeit und das Künstlertum zur Kirche, das Immigrantenthema wie den Krieg in Afghanistan – die Bundeswehr dankbar für jeden Propagandaauftritt -, Thema Mann/Frau, Ossi/Wessi und die Musik.

Beim Militärpropagandaausflug nach Kundus hat sich der Dokumentarist allerdings atypisch durchschnittlich deutsch verhalten, Wohlverhalten gegen die Gastgeber vermutlich, und sich keine Meinung zu diesem Einsatz gebildet, insofern unterscheidet er sich vom typischen Durchschnittsdeutschen, der den Einsatz ablehnt.

Manche Statements sind inzwischen längst überholt: das Sparbuch sei nicht tot zu kriegen sagt der Börsenmensch, gerade ist Herr Draghi von der EU dabei, dies mit großem Erfolg zu tun. Und Rom und die Kirche, da ist inzwischen Franziskus, aber immerhin interessant, dass der Pfarrer an der Wand eine Franziskus-Radierung hängen hat. Die Werbeagentur in Hamburg belehrt den Filmemacher dahingehend, dass der Durchschnittsdeutsche inzwischen nicht mehr Thomas Müller heiße, sondern Jan Müller. Und dem gehört wohl die durchschnittlich deutsche Zukunft.

Habe die Ehre (TV BR)

Nach einem Buch von Stefan Fuchs und David Gromer und in dessen Regie testen die bayerischen Showprofis Chrissy Eixenberger, Wolfgang Krebs und Bernhard „Fleischi“ Fleischmann das Bielefelder Nordlicht Ingolf Lück auf seine Bayerntauglichkeit vor einem Studiopublikum, was ein von Quotenangst geprägtes Warm-up hinter sich haben muss und wohl angehalten war, während der Sendung die Getränke unberührt vor sich auf dem Tisch stehen zu lassen, was als Atmosphärenkiller rüberkommt.

Ingolf Lück dürfte mit seiner nach Jahrzehnten des Showprofitums immer noch glaubwürdigen Bescheidenheit und natürlichen Humorigkeit ein Glücksfall als Gast für die Pilotausgabe einer solchen Sendung sein (und man gönnt ihm die PR, die er damit für sein Soloprogramm machen darf), was angenehm ablenkt von den strukturellen Schwächen der Sendung. Bayerntum wird reduziert auf die Kenntnis von 6 wichtigen Fußballvereinen, das „Nachplabban“ einer drögen, norddeutschen Tatortszene nach vorgeschriebenem, bayerischem Text, der Herkunfts-Identifizierung von Personen nach bayerisch oder nicht-bayerisch anhand der Lache, des Improvisierens eines Textes mit vorgegebenen bayerischen Ausdrücken (Krampfen, Katzln etc.) und schließlich dem Gaudi-Fensterln, was doch dies und jenes Wissen abfragt; nun, eigentlich gar nicht so wenig; wenn auch auf zu breit gewalzte TV-Gaudi frisiert.

Den einminütigen Bewerbungsmonolog, den der zu testende Nicht-Bayer, der Gast der Sendung, eingangs halten muss, der hätte ruhig substanzieller gearbeitet sein können. Er wäre ein Superpflock, an dem das Seil für eine richtige, inhaltliche Spannung angehängt werden könnte. Dann könnte auch auf Animateure vor Aufzeichnungsbeginn verzichtet werden. Und es ergäbe sich aus dem Monolog ein Leitfaden, anhand dessen man sich dem Kern des Bayerischen gehaltvoll und spannend nähern könnte ohne auf der billigen, showergiebigen Oberfläche zu verharren. So allerdings gibt man sich zufrieden mit einer Aneinanderreihung von Testfragen und zwischendrin Statements aus der Karriere von Ingolf Lück, alles präsentiert mit professioneller, nicht allzu origineller Showroutine; der öffentliche Rundfunk sollte sich mit so wenig und Äußerlichem nicht zufrieden geben.

Cerro Torre – Nicht den Hauch einer Chance

Der Cerro Torre ist ein nadelspitzer, abweisender Berg in Patagonien, der noch oft dazu vereist ist. Er ist eine Herausforderung für Kletterer. Mit genügend Haken, die mit einem Kompressor in die Wand geschlagen wurden, ist er seit den 70ern professionell erkletterbar. Über die Erstbesteigung in den 50ern ranken sich Gerüchte, da von den beiden italienischen Bezwingern nur einer zurückgekehrt ist und auch die Kamera mit dem Beweisfoto vom Gipfel im ewigen Eis verschollen sei.

David Lama ist ein Südtiroler Bursche, Sohn einer Südtirolerin und eines nepalesischen Sherpas, sozialisiert in Südtirol, aber mit offenbar sensationellen Klettergenen begnadet. Schon als Teen hat er Aufsehen erregt, jede Menge Indoor-Kletterwettbewerbe gewonnen.

Red Bull wiederum ist ein österreichischer Getränkehersteller, der vor nichts zurückschreckt, um Werbung zu machen, in letzter Zeit unter anderem mit Kletterfilmen, aber auch mit Sportarten, die eine hohe Todesrate verzeichnen. „Wir sind hier, um einen Film zu machen, dafür ist uns jedes Mittel recht.“ Der Satz fällt im Film, allerdings nicht von Red Bull, sondern von einem Mitarbeiter im Kamerateam von Thomas Dirnhofer, der auch für das Buch zeichnet.

Dieser Hang zu marktschreierischer Sensationsgier von Red Bull wird hier allerdings angenehm unterlaufen, nicht nur durch das reduzierte Auftauchen des Firmensignets gerade zwei Mal prononciert deutlich auf den Mützen der beiden Protagonisten. Aber vor allem durch das vereinnahmende, Respekt heischende Wesen des jungen Kletter-Asses David Lama, der sich bei der zweiten und dritten Expedition den wunderbar zurückhaltenden Peter Ortner, „der nicht unnötig redet“, als Partner geholt hat, sicher ein Dream-Team für das Projekt, das von verschiedenen Kapazitäten als undurchführbar beurteilt wurde: den Cerro Torre als Freikletterer zu bewältigen.

Freiklettern, das heißt, es gibt nur ein Sicherheitsseil für den Fall des Abrutschens oder Ausgleitens. Sonst gilt die Rotpunkt-Richtlinie, die wird einmal im Film, wenige Meter vor dem Gipfeleisfeld erwähnt. Und da wird es bei der dritten Expedition wirklich atemberaubend. Besonders die letzten dreißig Meter in der fast senkrechten Wand mit instabilen und brüchigen Schuppen. Hier wird bei idealen Wetterbedingungen, wie sie in Patagonien vielleicht alle 5 Jahre mal für einige Tage stabil sind, dieser Aufstieg dokumentiert, einerseits mit Helmkameras, die die beiden Kletterer tragen, dann von einem sie umkreisenden Helikopter aus und schließlich von einem dritten Kletterteam, das sich auf der anderen Seite des Gipfels hat absetzen lassen.

Der Film fängt vor den Titeln mit historischem Material von der ersten Expedition der beiden Italiener an. Dann fährt er fort mit Infos über David und die Vorbereitungen im üblichen Mix mit Kommentaren anderer Bergfexe, die insofern recht erträglich sind, als sie allesamt schier hippihafte Figuren sind, einen Touch Folklore beitragen. Dann die beiden ersten, gescheiterten Expeditionen, die Wartereien, teils komfortabel in einem Container, Fliegen töten gleich Zeit töten. Bis zum Versuch im dritten Jahr. Dabei beeindruckt, dass der Protagonist eine Wandlung durchmacht, wie er selber sagt, vom sportlichen Indoor-Freeclimber zum verantwortungsbewussten Alpinisten. Und so klettert er denn auch. Schöner Titel für David: Young Spiderman. Wer träumt nicht davon. Aber schon vom Träumen will einem fast schwindlig werden. Und das Tirolerisch hört sich auch in Patagonien ganz wunderbar archaisch an.

Typisch für den Charakter von David Lama: wie er am Morgen vor dem entscheidenden 3. Versuch die Nachricht erhält, eine kanadische Klettergruppe habe viele der Haken am Berg entfernt, reagiert er vollkommen gelassen, dann muss er halt ohne diese klettern. Das irritiert ihn nicht eine Sekunde. Diese Gelassenheit wünschte ich mir gelegentlich auch – schon bei kleineren Kalamitäten.

Die Bücherdiebin

Huch, 2 Stunden mit dem Tod verbringen, da läuft’s einem kalt den Rücken runter. Gepolstert wird das durch die alles vereinheitlichende Babelsberger Studioatmosphäre.

Eingehüllt in eine synthetisch-süßliche Studiowolke erzählt uns der Tod höchstselbst, der über den meteorologischen Wolken haust, in voice-over davon, dass ihn hin und wieder eines seiner Opfer besonders interessiere; wir sehen das Mädchen in einem Zug, wir wissen, dass wir in Deutschland sind im Februar 1938, die Mutter ist dabei und ein Junge. Der Junge stirbt, wird beerdigt. Das Mädchen ist die Figur, die den Tod interessiert (und die er, wenn das in der deutschen Fassung akustisch richtig zu verstehen war, 90 Jahre alte geworden ist, so lange hat er es am Leben lassen). Es findet bei der Beerdigung seines Brüderchens ein Handbuch für Totengräber; mit diesem wird es seine ersten Leseschritte machen.

Liesel Memminger heißt dieses Mädchen und ist die Hauptfigur des Filmes. Es wird jetzt zu Stiefeltern gebracht. Die strenge Stiefmutter Rosa hat einen harten Ton drauf, während sich der Stiefpapa gerne augenzwinkernd mit dem Mädchen versteht. Er spielt Akkordeon und hat als Maler nicht allzu viel zu tun. Darum wäscht seine Frau die Wäsche von Bürgermeisters. Liesel muss die Wäsche bringen und findet dadurch Zugang zur Bibliothek und zu den Büchern in der Villa von Bürgermeisters.

Nachdem Bürgermeisters die Wäsche nicht mehr von Rosa gewaschen haben wollen, schleicht sich Liesel öfter ins Haus, um sich Bücher aus der Bibliothek zu beschaffen. Dabei wird sie einmal von ihrem prototypisch arischen Freund Rudi, der später auf eine Nazi-Eliteschule gehen soll, erwischt, einem Beinah-Jüngling, einem strammen, fröhlichen, wachen Bub mit zitronengelbem Haar. Er würde schon gerne küssen, aber das Mädel ist noch nicht bereit dazu.

Hin und wieder gibt es einen kleinen Zeitsprung. Dann bemerkt der Papa, dass das Mädel sehr gewachsen sei. Was sich gleich bleibt, das ist die perfekte Schminke, die perfekte Frisur, die perfekte Kleidung, das perfekte Studiolicht. So als wolle der Kameramann, der Ballhaus heißt und einen berühmten Kameramann als Vater hat, die perfekte, die makellose Kriegsatmosphäre im Studio fotografisch herstellen, denn wir befinden uns ja im Krieg.

Die Stiefeltern nehmen noch Max auf ins Haus, einen jungen Mann und Juden, der sich verstecken muss. Einmal fliegt er fast auf, wie ein Bekannter der Stiefeltern und strammer Nazi dazu, den Keller im Hinblick auf die mögliche Einrichtung eines Schutzraumes durchsuchen will. Schnell hat der Stiefpapa den kranken Max unter einer riesigen Nazifahne versteckt und ihn so gerettet.

Zwischen Max und Liesel entsteht reger, geistiger Austausch. Er weiß vieles über die Wörter, dass die den Gegenständen Leben einhauchen. Er schenkt ihr einen mit weißer Farbe übermalten „Mein Kampf“ von Hitler, damit sie darin Tagebuch führen kann. Das führt zu einer schwierigen Szene mit Rudi, der die Widmung „Dein Max“ drin liest und eifersüchtig und misstrauisch wird. Und weil ein Klassenkamerad, den sie nur den Deutschen nennen, die Szene beobachtet und dazwischen fährt, um welches Geheimnis es hier gehe, fliegt das Buch in den winterlichen Bach und Rudi stürzt sich in den Kleidern hinein und taucht das Buch wieder herauf. Er ist mutig. Das wird ihm Liesel auch noch sagen, bei anderer Gelegenheit.

Vielleicht wird man nicht so warm mit diesem Film, weil man nicht unbedingt scharf auf so ein Plauderstündchen mit dem Sensenmann ist; er wird am Ende des Krieges nach einer Explosion, noch bevor die Amis ins Babelsberger Studiogelände einfahren, über einige Tote Rechenschaft ablegen, mit sehr trockenem, ja direkt mit todestrockenem Humor.

Ist das nun ein Film mit Kindern oder ein Kinderfilm, den Brian Percival inszeniert hat nach einem Buch von Markus Zusak mit dem Roman von Michael Petroni als Vorlage? Dann wirkt alles wieder so nett und gedämpft und süß. Die Erinnerung ist der Schriftführer der Seele. Diesen Aristoteles-Satz trägt Max in den Film. Mit anderen Worten lernen wir die Seele des Todes kennen, nicht unbedingt eine angenehme Bekanntschaft.

Trotzdem war’s auch wieder lustig: die Schneeballschlacht und der Schneemann im Keller, zur Erheiterung des versteckten Flüchtlings, der daran allerdings schwer erkranken wird und nur weil Liese ihm unendlich viel vorliest, kommt er ins Leben zurück. Diese Info erhalten wir über den Dialog, nicht über Spiel und Inszenierung.

Gehobene Musik verweist den Film in den Bereich der Hochkultur, so tut es auch die Beleuchtung und die angenehmen Farben, der Verzicht auf Härte. Das Gröbste, was vorkommt, ist der Begriff „Saumensch“, mit welchem Rudi Eliese immer wieder tituliert. Kurzfristig schockierend wirkt, wie der Vater von Rudi von der Gestapo abgeholt wird und der gespenstische Zug verhafteter Juden durchs Babelsberger Studiogelände zieht. Der Studiobahnhof heißt Molching. Irgendwie schafft dieser Film es nicht, die Studioatmosphäre zu verlassen, die Studioklang- und Lichtwolke zu durchbrechen. Was gerade am verzweifelten Versuch deutlich wird, den Tod anfangs und am Ende über den natürlichen, metereologischen Wolken sprechen zu lassen. Über den Symbolismus, dass die Studiostraße Himmelstraße heißt, mokiert sich selbst der Tod. In Babelsberg müssen solche Straßen garantiert himmlisch sein.

Man of Tai Chi

Dass ein Schauspieler bei diesem Film nach einem Drehbuch von Michael G. Cooney, nämlich Keanu Reeves, Regie geführt hat, macht sich insofern angenehm bemerkbar, als er sein Hauptaugenmerk nicht auf computeranimierte Rekordkämpfe im Martial-Arts-Segment legt, sondern darauf, dass sie wie echt wirken und spannend bleiben.

Die Schraube der Spannung wird dadurch methodisch ständig angezogen, dass unser junge Protagonist mit den langen schwarzen Haaren, Chen Lin-Hu als Tiger, anfänglich ein Idealist ist, der als letzter Schüler eines Tai-Chi-Meisters bei diesem lernt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er als Kurierfahrer, wobei immer noch eine Kleinigkeit für seine Eltern abfällt.

Das Tai Chi, was eine sanfte Gewalt lehrt, die beim Üben erst mal von Langsamkeit und Meditation ausgeht, erweist sich für ihn anlässlich der Teilnahme an einer Meisterschaft als höchst hilfreich. Er, der Idealist, fällt Mark Donaka auf. Dieser betreibt nebst Kampfschulen und diversen legalen Aktivitäten auch illegale Kämpfe, mit denen er übers Internet ein Riesengeschäft macht.

Schön wird hier gezeigt, wie unser ideale Held allmählich von der Spinne Donaka ins Netz gelockt wird. Denn Donaka hat den letzten Kampf beobachtet und er braucht einen brillanten Ersatz für einen getöteten Kämpfer. Die illegalen Kämpfe um Leben und Tod sind die fetten Bringer. Einen Idealisten kann Donaka allerdings nicht gebrauchen.

Zuerst wird Tiger ein Jobangebot zugestellt, was beim Vorstellungsgespräch gleich zu einem nicht angekündigten Kampfcasting in einem fensterlosen Raum mit großem, venezianischen Spiegel wird, das Tiger bravourös für sich entscheidet. Aber für Geld zu kämpfen lehnt er dankend ab, das ist gegen die Ehre des Tai Chi.

Jetzt packt Donaka ihm bei der Verehrung für den Meister. Dem Kloster, in dem er unterrichtet, drohen die Schließung und Verkauf wegen Baumängeln. Und schon braucht der Idealist Geld und ist fürs erste gefangen. Völlig hilflos wird er nicht bleiben, obwohl der Sog in die Maschinerie der illegalen Kämpfe gewaltig ist.

Eine Polizistin, die auf den letzten Toten von Donaka angesetzt war, ist enttäuscht, dass der Fall geschlossen wird. Sie wird jetzt vorbereitend als künftiger Rettungsengel eingeführt, der hofft, über Tiger zu Donaka zu finden. So wird es selbstverständlich auch kommen mit vielen Hindernissen und Rückschritten dazwischen, mit teils mit gewaltiger Musik aufgedonnerten Kämpfen, mit ganzen Serien von Kämpfen, die aber recht variantenreich sind; mit schönen Flugaufnahmen von Hongkong, mit einer feinen Gesellschaft, die die tödlichen Kämpfe als exklusives Ereignis erlebt, zwischendrin Vater und Mutter, die sich über eine Waschmaschine freuen, ein recht lustiger Kameramann und ein IT-Spezialist bei der Polizei mit einem Gesicht, wie selbst ein Computer und mit markanten Lehrsätzen zur Philosophie des Kämpfens, einerseits redlich und tugendhaft, andererseits ums Leben.

Die industrielle deutsche Synchro ist lieblos. Aber man überhört sie relativ bald, da einem die Bilder und die inhaltliche Erörterung genügend in Beschlag nehmen. Dass der Tai-Chi-Kämpfer eben kein Krieger sei. Tiger entwickelt seinen eigenen Stil und am Schluss darf festgestellt werden, dass in unserer Welt sich das Traditionelle und das Moderne vertragen können. Respekt vor dem Alter und vor dem Meistertum gehören dazu. Der würdige Mensch muss sein Chi beherrschen und nicht von ihm beherrscht werden.

Auch ein ganz normaler Hero-Film für Leute, die davon träumen etwas ganz Besonderes zu sein, was sich bei der Einladung zum Vorstellungsgespräch zu Donaka mit VIP-Service vom Rolls-Royce bis zum Privatjet ausdrückt.

Tier oder beherrschter Kämpfer, das wird zum Dauerkonflikt im Film. Unverhofft gerät Tiger in die Position des Stars. Das reflektiert er aber nicht weiter. In der Auseinandersetzung mit dem Meister, der ihm vorwirft, er sei nur noch pure Kraft, entgegnet Tiger, was er bei ihm lerne sei für das Leben draußen nicht hilfreich, dort wo die Hemmschwelle zum Töten auf leicht überschreitbare Höhe hinuntergesetzt wird.

Später wird Tiger damit konfrontiert, dass er auf TV-Videowand die Manipulation, die Donaka mit ihm getrieben hat, anschauen und begreifen muss. Dessen Spiel war, Tiger dazu zu bringen, seine Unschuld zu verlieren. Der Hauptkonfliktmoment dabei ist eine schöne Szene, wie er den unter sich liegenden Gegner mit der Faust totschlagen könnte, aber die Hand zittert und zittert und das Bild geht in die fliehenden Lichtlinien über einem fahrenden Auto über, in dem die bald rettende Polizistin sitzt.
Zwischendrin darf man sich über einen kleinen Fauxpas in der Übersetzung amüsieren: auf dem Textband unter der Internetübertragung steht: KAMPF BIS ZUM TOT.
Zum Endkampf klischeehafter Text von Donaka: du schuldest mir ein Leben. Du bist ein Nichts. – Ich wusste, dass du es in dir hast.
Ein Film wie eine Lektion fürs Aufbaustudium im Fach Martial Arts.

Mittsommernachtstango

Bei diesem Film, der kaum fürs Fernsehen gut genug ist, wundert mich nur eines, wie ist es der Regisseurin und Autorin Viviane Blumenschein gelungen, gleich mehrere Filmförderer von ihrem Projekt zu überzeugen. Das wäre sicher ein spannender Film, vermutlich eine Groteske sondergleichen, wenn man denn genau hinschaute.

Wobei die Idee des Reizes nicht entbehrt, selbst wenn sie nicht neu ist. Erstens muss man Aki Kaurismäki gewinnen, der ist ein Name des Weltkinos. Man muss ihn dazu bringen, vor der Kamera allen Ernstes zu behaupten, der Tango habe seine Wurzeln in Finnland. Dann reist man nach Argentinien. Lässt die Kamera mitlaufen bei einer Tangomusikgruppe. Man lasse sie drauf los plappern.

Wie überhaupt bei Frau Blumenschein sich die Aufgabe von Dokumentation offenbar darin erschöpft, die Leute zu diesem und jenem ihre Statements abgeben zu lassen, Geschwätz und Meinungen und dazwischen ein paar hübsche Luftaufnahmen von Seen in Finnland, Städteimpressionen von Buenos Aires, finnische Sauna und Essen und mit einem roten Auto im Polarkreis unterwegs eine Verunsicherung über die Weiterfahrt mäßig inszenieren mit einem Erdnussverkäufer, der mit seinem Gefährt daher kommt, und den Rest besorgt eh der Tango, sein Rhythmus.

Denn Tango ist Kult. Und wer einen Film über Tango macht, der wird gleich mit dem Hauch und dem Rauch des Kultes eingenebelt, der strahlt offenbar den Kult aus. Tatsächlich, man könnte seine Zeit schlechter verbringen als hiermit. Mit dem Planen von Militäreinsätzen in fremden Ländern beispielsweise. Das tut weder Frau Blumenschein noch ihre argentinischen oder finnischen Musiker. Sie bleiben beim Tango oder finnischen Variationen davon. Das ist doch immerhin etwas. Und wer sich den Film anschaut, der tut in der Zeit auch nichts Schlimmeres.

„Ja“ auf finnisch hört sich an wie „Cul“, verlässt in Argentinien die Sphäre der Anständigkeit und bringt die Lateinamerikaner jedes Mal zum Grinsen. Und dass einer der Musiker, nachdem er aus dem Wasser steigt, auf Deutsch „Scheiß gut“ sagt, lässt darauf schließen, dass das Team gut Deutsch durchsetzt war und also deutsches Fördergeld inklusive.

Non-Stop

Dieser Film von Jaume Collet-Serra nach einem Drehbuch von John W. Richardson, Christopher Roach und Ryan Engle stellt die Frage nach der Flugsicherheit im Gefolge von 9/11, wie tauglich das System der mitfliegenden Air-Marshalls ist. Er kommt zum Schluss, dass es eine absolute Sicherheit zwar nicht gibt, dass jedoch selbst bei einem gefährdeten Transatlantikflug samt einem hochlabilen, alkoholabhängigen Marshall, Liam Neeson als Bill Marks, und bei einem äußerst raffinierten Jahrhundert-Verbrecherhirn, die Passagiere mit einigen Blessuren, etwas Durchzug und viel Aufregung und Ängsten doch noch sicher auf einer Piste landen werden.

Das Raffinierte an dem Anschlag auf den Flug der „British Aqualantic“ ist, dass der Air-Marshall als Täter gebrandmarkt wird. Es dürfte einiger Recherche von Seite des Verbrecherhirns bedurft haben, all seine Gewohnheiten und jene des Comarshalls zu recherchieren, deren Handys mit dem Sicherheitssystem zu knacken, überhaupt, was hier alles vorbereitet gewesen sein muss und dass die erwarteten Aktionen dann auch sekundengenau eintreffen, nun so eine Raffinesse ist einem gewöhnlichen Menschen nicht zuzutrauen, es bedurfte ja nicht nur großen Hackergenies sondern auch noch des Zugangs zum Bombenbau, auch hier nichts Simples, zu Drogen, Vertausch von Gegenständen mit der Fingerfertigkeit eines Taschendiebes, gezielte Handhabung kleiner, unscheinbarer Todespfeilchen, ferner das Vorausberechnen des Verhaltens des labilen Airmarshalls – ein Osama bin Laden wäre ein Kinderhirn dagegen. Also, wer das alles an menschlichem Genie für möglich hält, ganz zu schweigen vom Zugriff auf finanzielle Transaktionen und auch die Überzeugung, dass bei einer Flugzeugentführung der Staat innert kürzester Zeit 150 Millionen locker macht und transferiert, wer das alles glaubt und für möglich hält, der sollte vielleicht in Zukunft besser kein Flugzeug mehr „boarden“, denn im wahren Leben muss es nicht so glimpflich ablaufen wie im Kino.

Die Einführung zum Film war schön. Der Film nimmt sich ausgiebig Zeit, den Teppich für die Action zu bereiten. Er ist nah bei Liam Neesen, seine Facon, seine Labilität wird überzeugend gezeichnet. Beim „Boarden“ des Flugzeuges werden einige Passagiere genauer vorgestellt. Julianne Moore stellt sich kompliziert an und will einen Fensterplatz, höchst verdächtig, aber sie kommt sicher gerade von einem Dreh, sie spielt jedenfalls nicht viel anders. Aber in der Besetzungsliste steht, sie spiele Jen Summers. Auch gut so. Wie die Handlung entwickelt und zusammengeschnitten wird, das ist im Rahmen eines von IMDb auf 50 Millionen Dollar geschätzten Budgets bestimmt vertretbar und ansehnlich.

Im übrigen kommt die Enge und das Gefühl der Ausgeliefertheit in einem Flugzeug bestens zur Geltung. Aber dagegen haben wir ja den Helden, der ist ein Held und bleibt ein Held und gibt sogar in einem Krisenmoment seine Schwächen zu.