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Last Breath

Lebensgefährlicher Job –
eine wahre Geschichte

„Salvation Diver“ sei einer der gefährlichsten Berufe, die es gibt, so die Info für den Zuschauer im Anspann dieses Filmes von Alex Parkinson, der mit Mitchell LaFortune und David Brooks das Drehbuch nach einem Dokumentarfilm geschrieben hat. Das sind Männer, Frauen tauchen zumindest in diesem Film und in dieser Funktion nicht auf, die Schäden an Pipelines auf dem Meeresboden reparieren.

Warum der Beruf so gefährlich ist, ist bald zu erfahren. Die Männer fahren – hier im Film von Aberdeen, Schottland, aus – mit Spezialschiffen aufs Meer hinaus, hier mit der Haros. Die Taucher ziehen sich zu Dritt jeweils in eine Druckkammer zurück, eine Kompressions- und Dekompressionskammer.

Wenn sie auf dem Meer eine angepeilte Stelle erreichen, wird eine Mannschaft mit Taucheranzug und mit einer Art Nabelschnur, die sie mit dem Schiff verbindet, ins kalte Wasser gelassen. Je zwei Taucher machen das, der dritte Mann überwacht von der Kammer aus das Geschehen, so wie eine ganze Mannschaft an Bord hinter Computern und Bildschirmen das Geschehen verfolgt.

Es ist eine Horrorvorstellung, unter Wasser zu sein und dort hängen zu bleiben, wie die deutsche Produktion The Dive vorletztes Jahr atemberaubend gezeigt hat.

Hier bei Alex Parkinson ist alles eine Nummer größer, es ist die volle Industrie involviert. Bei Sturm werden die zwei Taucher Chris (Finn Cole) und Dave Auysa (Simu Liu; im ersten Moment des ersten Anblicks blitzt kurz die Idee einer Wiedergeburt eines Charles Bronson durchs Hirn) ins Wassser gelassen.

In der Überwachungskammer bleibt der ältere Duncan (Woody Harrelson), der erst kurz vorm Start erfährt, dass das seine letzte Taucherreise sein würde.

Vieles ist gut nachvollziehbar auch für den Laien, wie das Leben des Tauchers von der Technik und den Kollegen abhängt. Vielleicht spektakelt der Film etwas zu viel, der wahnsinnige Sturm, dann passiert ein Kurzschluss, Technik fällt aus und Chris bleibt auch noch hängen, da sich seine „Nabelschnur“ nicht ganz genau nachvollziehbar verharkt. Die Katastrophe ist angebahnt und wächst sich aus, wie die Verbindung zum Schiff reißt und Chris in den Tiefen des Meeres treibt.

Das wird mit gutem Sog wie nach Rezeptbuch für Katastrophenfilme gezeigt. Die Geschichte beginnt regelkonform mit der Schilderung des privaten Glücks von Duncan mit seiner Verlobten Morag (Bobby Rainsbury) in einer neckischen Behausung fernab jeglicher Ortschaft direkt am Meer. Entsprechend wird sie am Schluss auch wieder zugeschnürt, das darf wohl verraten werden, dass Chris überlebt, medizinisch ein Wunder und wie schwierig die Rettung war, wie die an Bord alles versuchen, um den Mann zurückzuholen.

So eine Reparaturreise ist auf 20 Tage angelegt, so lange soll eine 3-er-Mannschaft in der Kammer bleiben und am Schluss braucht es 4 Tage für die Dekompression. Das erhöht das Risiko bei Unfällen deutlich.

Islands

A Littel Inconvenience

Vielleicht will Jan-Ole Gerster, der mit Blaz Kutin und Lawrie Doran auch das Buch geschrieben hat, bewusst den Zuschauer erst mal manipulieren.

Das erste Bild ist reine Sandwüste und nichts sonst und ein Mensch, der da liegt, unklar, ob lebendig oder tot. Man denkt an einen der unzähligen Flüchtlingsfilme wie Ich Capitano.

Dieser Mensch bewegt sich, steht auf. Es ist keiner aus einem Flüchtlingstreck. Es ist Sam Riley als Tom, der zu einem Auto geht, das außerhalb des Bildrandes steht, holt sich einen Schluck Wasser. Er fährt über eine Teerstraße los.

Tom ist Tennislehrer in einer Ferienanlage auf Tene, wie es später mal heißt, Teneriffa, in Sichtweite zu Fuertaventura, wo ein Vulkan ausgebrochen ist. Der wird später eine Rolle spielen. Wobei ein Vulkan von hohem Symbolgehalt ist, blutende Erde, speiende Erde, verletzte Erdrinde bis hin zum Empedokles, der sich in einen hineinstürzen wollte, um sich der Erde zurückzugeben.

So philosophisch wird der Film nicht. Er nimmt sich lieber ein Stück westlicher Lebensbefindlichkeit vor, das Urlaubsleben in einer Ferienanlage. Hier kann man Tennis spielen. Tom ist Tennislehrer. Viel mehr ist über ihn nicht zu erfahren. Und das ist dann doch ein eklatanter Unterschied zum Film Oh Boy vom selben Regisseur. Hier stromert der Protagonist Tom Schilling durch Berlin. Er hat einen klaren Konflikt, der ihn treibt, das ist derjenige zu seinem Vater. So wird die Spannung im Film erzeugt.

Darauf verzichtet Jan-Ole Gerster hier und statt auf Exposition setzt er lieber auf Explikation. Deutlich wird erklärt, wie es Tom mit seiner Stundenplanung hält. Dass ihm ein früher Beginn um neun nicht passt und dass das französische Paar zwar Tennisstunden buche, aber noch nie gekommen sei.

Die Concierge bringt die Info in den Film, dass Tom ausgebucht sei. Das zu wissen wird wichtig, wenn Anne (Stacy Martin) um Extra- und Einzelstunden für ihr Söhnchen Anton (Dylan Torrell) bettelt. Sie kommt mit dem Bus in der Anlage an. Der erste Blick zwischen ihr und Tom ist überdeutlich fingerzeigedick inszeniert wie in einem schlechten Studentenfilm.

Der Film erklärt, dass Tom nichts gegen ein Extrageld habe, er verheimlicht aber, wozu er das braucht.

Zu dem Zeitpunkt erinnert der Film Resort-Film wie Ulrich Seidls Paradise Liebe oder einen Film mit Hannelore Elsner Alles inklusive aber auch Animal über Animateure auf einer griechischen Urlaubsinsel.

Es gibt eine Szene, wie Tom Party macht und in fremden Betten landet.

Mit der Ankunft der Familie McQuire mit Anne, Anton und Vater Dave (Jack Farthing) rückt der Film deren Familienproblematik ins Zentrum des Interesses. Der Haussegen scheint schief zu hängen.

Überdeutlich hebt der Film Berühungen von Tom und Anne hervor und wieder glaubt man sich momentweise in einem eher schwachen Film.

Nach dem Verschwinden von Dave werden Polizeiszenen eingefügt, die erschreckend an das deutsche Fernsehen erinnern. Lange kann man so mit diesem gehypten Film hadern.

Andererseits ist da diese Musik, die in einer eigenartigen Diskrepanz zur doch recht banalen Handlung steht. Zusammen mit den exzellenten Schauspielern erzeugt das eine dichte Atmosphäre. Zur Versöhnung mit dem zwei Stunden langen Film trägt die Bemerkung von Dave bei, der sich für die kleine Unannehmlichkeit entschuldigt. So rückt er nah heran an ein Stück europäische Lebenswirklichkeit.

I am the River, the River is me

Lässig-lockere Flussfahrt

So lässig locker dürften touristische Studienreisen selten sein, wie diese Ruderbootsfahrt den Whanganui River hinunter in Aotearoa in Neuseeland.

Die Lockerheit verdankt sie einerseits dem einheimischen Reiseleiter Ned und Stud, der von einem anderen Fluss her kommt, als auch dem norwegischen Dokumentaristen Petr Lom, der mit Corinne van Egeraat auch das Drehbuch geschrieben hat. Er ist ebenfalls der Kamermann, legt gleich die Dokusituation offen, setzt die inzwischen ausdauerstarken Drohnen erhellend, aber auch spielerisch ein, einmal macht er sich einen Witz daraus, mit der Kamera draufzuhalten, wie eine Mitfahrerin versucht, die Drohne im Fluge einzufangen.

Sicher ist eine großartige Kamera mit entsprechenden Naturaufnahmen, diesem opulenten Grün und die auch ein hervorragendes Auge für sinnigen Beifang hat, die halbe Miete einer Dokumentation über einen Fluss. Die andere Hälfte ist die Moderation von Ned, dem Maori vom Stamme der IWI, einem Aktivisten, einem der viel zu erzählen hat, das aber ganz ungezwungen und spontan tut, wieso der Fluss der erste ist, der den Status einer legalen Person erhalten hat. Dazu gibt es Clips aus dem Parlament.

Die Mitreisendenden sind aus aller Welt, sogar ein Sef aus Bayern, der sich wegen dem Lech (dagegen schaut der BR mit seiner Lech-Doku reichlich altbacken aus) für das Whanganui-Projekt interessiert; sie wollen etwas erfahren über den Umgang mit diesem Fluss.

Vielleicht einer der überraschendsten Theorie- oder Philosophiepunkte der Maori ist derjenige, dass die Natur, der Fluss, auch uns zuhört, sie uns beobachten. Da denkt man an den Film über die Krähen, Krähen – Nature ist Watching us, der ein Bewusstsein für diesen Fakt geschaffen hat.

Das ist ein besonders wichtiger Impuls und eine besonders wichtige Erfahrung, ein höchst willkommener Ausflug angesichts des pöbelnden Rabaukentums, das im Weißen Haus Einzug gehalten hat mit dem Motto Drill-Baby-Drill, ohne jede Rücsicht auf eine eh schon geschundene Natur. Und 88 Minuten Entspannung dazu.

Es gibt Infos über die Maoris, ihre Tattoos, ihre Musikinstrumente und ihre Musik, ihre Verbundenheit zur Natur, die Konnektivität; aber auch Verweise auf die grauenhaft brutale Behandlung durch die Kolonialisten; die Diskriminierung.

Ein weiterer gedanklicher Input ist derjenige, dass wir alle verschieden seien, aber dass wir alle Gleiche sind oder die Differenze zwischen Besitzen (der zerstörerische Kapitalismus, wenn wir das recht verstehen) und Behüten oder Bewahren (der Umgang der Indigenen mit der Natur). Im Abspann der Hinweis darauf, dass Rights of nature is now the fastest growing movement in the world.

Bergfreundinnen: „Abenteuer wilder Balkan“ (BR, Sonntag, 4. Mai 2025, 23.00 Uhr)

In den Bergen Albaniens

Das ständige Gelaber in dieser vorgeblichen Doku von Katharina Kestler und Sabina Kist (ein Tobias Henkenhaf scheint in der Dramaturgie rumgestöbert zu haben) stört die Ruhe, die die drei Frauen suchen und die der Film offenbar nicht vermitteln will in diesem wilden Bilderverhau aus der 170-Kilometer-Wanderung über den High Scardus Trail durch ein Stück Kosovo, Nordmazedonien und Albanien; ein Bilderverhau so wild wie die Berge, die sie durchwandern, ständig unterbrochen von Talking-Heads, indem die Protagonistinnen ihre eigene Wanderung kommentieren.

Eine abgestandene Art der Dokumentation, die das Team gerade mal beim Abendessen zeigt und ansonsten so tut, als seien die drei Frauen allein unterwegs.

Zudem ist das Bildmaterial ungewöhnlich hektisch und nervös zusammengestöpselt und mit wenig ergiebigen Zwischentiteln versehen, graphische Sperenzien mit Infos, Orts- und Kilometerangaben.

Zu schweigen vom sinnfreien Sound, der drüber gelegt wird; wie ein beliebiger Griff in eine Juke-Box, ohne überhaupt zu wissen, welcher Art von Geschichte die Musik eine angemessene Atmosphäre verleihen soll.

Ein Problem sind die Bären und wie sich verhalten, falls man einem begegnet.

Drohne flieg, ist eine weitere Begleiterscheinung, die nicht dazu gegeignet ist, den Eindruck, den die Wanderinnen haben, adäquat wiederzugeben. Sie produzieren auch einen Podcast. Der Müll überall zeigt, dass es wohl mit der gesuchten Zivilisationsferne, mit der Unberührtheit der Natur, nicht so weit her ist.

Diese Art Reiseberichte, origineller und spannender, gibt es en masse bei Youtube. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das in einer Finanz- und Legitimationskrise steckt, sollte sich überlegen, ob es in solche fruchtlose Unternehmungen und Formate überhaupt ein Geld investieren soll. Hinzu kommt, dass die Befassung mit der Gegend und den Menschen oberflächlich und nicht vorbildlich für einen künftigen Tourismus ist. Low-level-documentary!

Dass der BR noch solche vollkommen überflüssigen Dünnflussdokus anfertigen lässt, zeigt, dass dem Sender offenbar seine prekäre Lage an Ansehen und weiterer Finanzierung nicht so recht klar ist. Den Sternenhimmel oder ein Aquarium über den Bildschirm flimmern zu lassen, wäre garantiert nicht weniger anspruchsvoll. Für diesen liederlichen Umgang mit den unfair zulasten einkommensschwacher Haushalte erhobenen Zwangsgbührengeldern sollte Redakteurin Katrin Nachbar regresspflichtig gemacht werden.

So massiv, wie der BR diese Produktion – mit wie eben erwähnt zu Lasten einkommensschwacher Haushalte erhobenen Zwangsgebührengeldern – bewirbt, scheint es, dass er ihr – aus gutem Grund – misstraut.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Irenas Geheimnis (DVD)

Heldin im Graubereich

Selbst in der brutalsten Vernichtungsmaschinerie wie derjenigen des Holocaust findet sich immer dieser Zwischenbereich des Menschlichen, dieser Graubereich eines Schmierstoffes, ohne den Menschen nicht umgehen können miteinander, ohne den die Menschen seelen- und gefühlslose Roboter wären. Das ist vermutlich der menschliche Zwischenbereich, der vielleicht die größte Differenz zu KI ausmacht.

In diesem Graubereich hat sich während des Holocaust Humanes abgespielt, davon zeugen jede Menge von Geschichten und Filmen. Eine davon hat sich Louise Archambault nach dem Drehbuch von Dan Gordon vorgenommen.

Der Autor hatte die Originalgeschichte von Irena Gut Opdyke zur Grundlage. Darin beschreibt die couragierte Polin deutscher Abstammung, wie sie eine Gruppe von Juden vor dem Zugriff der Nazis gerettet hat – und das in einer von diesen requirierten Villa, in der der Offizier Rugmer (Dougray Scott) als Einzelperson residiert.

Irena (Sophie Nélisse) wird beim Überfall auf Polen von der Straße weg zur Zwangsarbeit gezwungen. Sie hat schnell den Kontakt zu den Offizieren und wird von der schwersten Arbeit befreit. Sie beaufsichtigt eine Gruppe von Juden und Jüdinnen, die zwangsweise nähen sollen. Es sind keine gelernten Schneider.

Dieser menschliche Schmierstoff, also wie sie auf die Nazis wirkt, wie sie mit ihnen umgeht, macht sie zu einem wichtigen Bindeglied zu den Zwangsarbeitern. Dadurch dass sie in diesem Graubereich zwischen Tätern und Opfern unterwegs ist, erhält sie auch Informationen, speziell über die drohende Verhaftung der Juden.

Eine wichtige Rolle in diesem Zwischenbereich spielt Schultz (Andrzej Seweryn), der durchschaut, wie Irena menschlich bleiben will, ohne heldenhaften Widerstand leisten zu wollen, wie sie den kleinen Spielraum, den ihre Funktion ihr bietet, nutzt.

Wie Rugmer in die Villa zieht, soll Irena als Haushälterin mit einziehen. Sie wittert die Chance, dort die Juden zu verstecken.

Louise Archambault erzählt diese thrillerhaft aufregende Geschichte in angenehm weicher Bildsprache und mit den nötigen Zwischentönen, die dieser Graubereich menschlicher Beziehung verlangt. Irena ist eine Heldin ohne jeden Heldengestus, sie handelt intutitiv und schlau, gerät in Konflikt mit ihrer Religion, wie es darum geht, bei einer Schwangeren im Versteck eine Abtreibung vorzunehmen, damit das schreiende Baby die Gruppe nicht verrät und sie geht ein enormes Risiko ein, wie Rugmer hinter das Geheimnis der vermeintlichen Ratten im Keller kommt.

Kommentar zu den Reviews vom 1. Mai 2025

Heute stellen wir uns das Kino als ein Riesenwandgemälde vor, wie die Murals in Mexiko, bunt gemischt mit Themen. Irre frisch und gegenwärtig kommt eine amerikanische Superheldengeschichte daher. Von Beziehungstrennungen erzählt uns ein Spanier. Ein Amerikaner mixt Spuk mit kunsthistorischen Motiven. Ein Russe beschäftigt sich furios mit dem Auktorialen und dem Mephistophelischen. Aus den Karpaten grinsen ganz eigene Monster von der Leinwand herab, bis hin zu niedlich. In Deutschland wird eine komplexe Familiengeschichte aufgezutzelt. Die Amis wenden sich der lang im Kino entwickelten, kompakten Westernwelt zu. Einem Franzosen ist das zu hart, er erzählt anhand von einem richtigen Reh eine Prinzengeschichte. In der Schweiz erwacht in der älteren Generation nochmal der Punk ihrer Jugend. Und ein Deutscher hat wohl den aktuellen Satiretrend verpasst. Im Fernsehen plustert sich ein Tatort auf wie eine Henne mit Minderwertigkeitskomplexen; ganz billig schustern sie eine Fußballgeschichte zusammen und es entblödet sich nicht, direkte Werbung für ein Spitzenrestaurant zu machen.

Kino
THUNDERBOLTS
Marvel at its best!

VOLVEREIS
Feiert die Trennungen und nicht die Eheschließungen!

DEATH OF A UNICORN
Kollision der modernen Menschenwelt mit dem Übersinnlichen

DER MEISTER UND MARGARITA
Die Bildwelt tendiert dazu, die mephistophelische Geschichte zu erdrücken.

DIE LEGENDE VON OCHI
Karpatenmonster, die nicht so bekannt sind wie die Vampire.

DER DRITTE BRUDER
Eine deutsche Familiengeschichte, eine deutsche Akademikergeschichte

RUST – LEGENDE DES WESTENS
Eine kompakte, hermetische prä-KI- und IT-Bilderwelt!

BAMBI – EINE LEBENSGESCHICHTE AUS DEM WALD
Fast möchte man glauben, dass Rehe die besseren Menschen sind.

EINFACH MACHEN! SHE PUNKS VON 1977 BIS HEUTE
Punknische – Nischenpunk

MUXMÄUSCHENSTILLX
Satirischer Ladenhüter.

TV
TATORT: ZUGZWANG
Hier wird eine Fernsehredaktion Opfer ihrer höheren Ambition.

BAYERN ERLEBEN: DAS FRANKENDERBY – ZWEI VEREINE, EINE LEIDENSCHAFT
Köcheln im fränkischen Sud

LEBENSLINIEN: ALEXANDER HERRMANN – DER SPITZENKOCH AUS FRANKEN
Werbesendung. Aber der Sender ist dumm und statt zu kassieren, bezahlt er noch dafür und der Protagonist sagt sogar, dass er das braucht. Das versteht der Zwangsgebührenzahler mit bescheidenem Haushaltseinkommen nun grad gar nicht mehr.

Thunderbolts

Gegenwärtig

Sehr gegenwärtig kommt einem dieses neueste Marvel-Produkt vor mit einer ungewöhnlichen Mischung aus Supersuperheldentum, Teamphilosophie und Existentialismus (einmal wird gar Kierkegaard zitiert!) im Sinne, dass der Mensch allein sei, leer (Bob) und ja, in poetischer Variante, dass er sich fühle wie ein Blatt im Wind oder in einem Bach, floating. Die das sagt ist die eindrückliche Protagonistin Florence Pugh als Yelena Belova.

Der Film schildert diesen Zustand massiv, indem er Yelena gleich zu Beginn von einem Hochausdach sich stürzen lässt, ein Bild, was auch im Trailer vorkommt, der Mensch ist ein Nichts. Dagegen hilft nur ein Team. Auch dafür hat der Film von Jake Schreier nach dem Drehbuch von Eric Pearson und Joanna Calo ein imponierendes Bild gefunden: wie sich das Team aus einer aussichtlosen Lage einen endlosen, von innen nicht besteigbaren Kamin hochturnt, so ein Bild fährt ein und man kann sich nicht erinnern, es so schon mal gesehen zu haben. Überhaupt sind die Darsteller der Truppe prima typisiert, alles irgendwie Prototypen heutiger junger Menschen.

Die drahtziehende Figur für die Handlung ist Valentina de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus), die auf witzige Art zu verstehen gibt, dass das „de“ unbedingt zu ihrem Namen gehört, die durch ihr Verhältnis zum Cup of Coffee ganz normal menschlich wird.

Valentina ist die Geheimdienstchefin, die eigenmächtig handelt und Experimente zur Entwicklung eines neuen Superhelden durchführt. Gegen sie läuft deswegen gerade ein Impeachment, dem sie sich mit allen Mitteln zu entziehen versucht.

Valentina ist nah an ihrem Ziel, den neuen Superhero in der Avenger-Reihe, die vorgeblich den Staat schützen sollen, die Sicherheit, einsatzbereit zu haben. Das wird die merkwürdige Rob-Figur (Lewis Pullman), ein Drogenabhängiger, der sich für das ausgeschriebene Experiment gemeldet hat. Auch hier ist spannend die krasse Nähe von schier göttlicher Macht und menschlicher Schwäche.

Wie Valentina ihre Experimente und die Konsequenzen daraus für sich selber darstellt, da muss man unwillkürlich an den jetzigen Inhaber der Macht im Weißen Haus denken: sie ist skrupellos, egoistisch, egomanisch und Staat und Gesellschaft sind ihr egal.

Mächtige Katatrophenbilder findet der Film zur Illustration vom Sentinel. Und dass er Humor hat, beweist er nicht nur mit dem kleinen in den Abspann hinein nachgeschobenen Merchandising-Clip.

Der dritte Bruder

Eine deutsche Familiengeschichte

Die Geschichte der Akademikerfamilie Jahrreiß, Ärzte, Anwälte, Künstler, von den späten 1930ern der letzten Jahrhunderts bis heute.

Dieser Abriss, diese Recherche nach ihrer Familie, ist der Beleg für künstlerische, also filmemacherische, Tätigkeit der heute aktiven Generation, jener von Kathrin Jahrreiß. Sie begibt sich mit ihrem Vater, einem Bühnenbildner, auf Spurensuche. Sie suchen nach einem bestimmten Grab auf dem Dresdner Friedhof. Das Vater-Tochter-Verhältnis ist nicht ohne Spannungen. Sie glaubt zu wissen, wo es ist, wissen tut er es, Hickhack. An Ort und Stelle wird klar, dass das Grab aufgelöst ist, dass der Vater nicht mehr länger dafür zahlen will.

Dieses Vater-Tochter-Verhältnis steht für die Gesamsituation in der Familie, die geprägt ist von der deutschen Geschichte. Die Suche geht zurück zu den Großeltern der Filmemacherin. Hier kommt das zentrale Foto in den Film. Es sind die drei Brüder Jahrreiß aus einer Dresdener Familie, allesamt Akademier.

Einer der drei Brüder ist der Großvater der Filmemacherin. Er ist, wie ein weiterer der Brüder, mit einer Jüdin verheiratet. Die Nazizeit wird die Familien auseinanderreißen. Der eine Bruder emigriert in die USA, der andere bleibt in Dresden. Seine Ehe wird denunziert, die Frau wird abgeholt, ins KZ Auschwitz transportiert und stirbt dort.

Da ist der Vater der Filmemacherin gerade mal zwei Jahre alt. Er hat noch einen älteren Bruder. Die DDR wird auch diese Restfamilie trennen. Der ältere Bruder geht bald in den Westen. Vielleicht erklärt sich so die schier faszinierend scheinende Indifferenz, vielleicht auch Hilflosigkeit, des Vaters der Filmemacherin, diesen Familienangelegenheiten gegenüber.

Beachtlich sind die Unterschiede zwischen den drei Brüdern der Großvatergeneration: der nach Amerika gegangen ist, dessen Frau dadurch die Nazizeit unbeschadet überlebt hat, war der präsidiale Typ, der sogar einmal als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch gewesen sei und für den sich die Stasi über dessen Bruder in Dresden interessiert hätte, weil im Spiegel ein Streitgespräch zwischen ihm und Strauß abgedruckt worden sei. Dieser Bruder habe sich auch sehr um seine beiden Neffen gekümmert. Der andere Großonkel der Filmemacherin hingegen hat stramm als Jurist für die Nazis gearbeitet, ward schnell reingewaschen und als Verteidiger bei den Nürnberger Prozessen tätig. Der Opa dagegen hat offenbar relativ kontinuierlich in Dresden seine Kanzlei betrieben. Das gibt vielleicht auch eine Erklärung für die stoische Ausgeglichenheit, die ihren Vater auszeichnet.

Kathrin Jahrreiß fädelt diese Geschichte und Geschichten mit wunderbarem Sog auf, nie ist Betroffenheitsgetue, nie Fingerzeighaftigkeit, nie Moralismus dabei. Der Film gibt einen spannenden, individualhistorischen Beitrag zur deutschen Geschichte der letzten etwa 80, 90 Jahre mit dem speziellen Fokus auf eine Familie, wenn auch notgedrungen bruchstückhaft, und stellt gleichzeitig die Frage, was denn eine gelungene Familie sei oder sein könnte.

Rust – Legende des Westens

Im Land der Kopfgeldjäger

Es ist schon ein merkwürdiger Eskapismus, für über zwei Stunden aus unserer global-vernetzten IT- und KI-Welt in die hermetisch-kompakte Bildwelt der Kopfgeldjäger einzutauchen und das mit dem Wissen im Hinterkopf, dass bei den Dreharbeiten ein Schuss die Kamerafrau getötet hat. Ihrer wird im Abspann gedacht mit dem Versprechen, es nächstes Mal besser zu machen. Liest sich zynisch.
Andererseits wir so wild geschossen in diesem Film von Joel Souza, wie es wohl im Wilden Westen so war.

Wilder Westen, Wyoming, Colorado, New Mexiko um 1882 herum. Lucas (Patrick Scott McDermott) lebt mit seinem kleineren Bruder weit und breit allein auf dem Lande. Mutter ist gestorben, Vater hat sich schon länger umgebracht mit einer kostbaren Flinte.

Der Junge erschießt einen Typen, den er als Störefried wahrnimmt. Dafür soll er gehenkt werden. Harland Rust (Alec Baldwin, Todesschütze beim Dreh, Mitproduzent und Protagonist) entführt ihn aus dem Knast und rettet ihn so vor einem frühen, gewaltsamen Tod.

Widerstrebend geht der Junge mit, ist vielleicht doch besser, mit einem unsympathischen, unbekannten Alten durch den Wilden Westen auf der Flucht zu sein, als den baldigen, sicheren Tod zu erwarten.

Der Alte ist der Opa des Jungen. So ein richtig herzliches Verhältnis will sich nicht entwickeln. Da die beiden von Kopfgeldjägern gejagt werden, bleibt keine Zeit für eine Annäherung, für den Aufbau eines intimen Verwandtschaftsverhältnisses.

Der Opa scheint unzählige Menschen umgebracht zu haben, weshalb auch immer. Immerhin entwickelt der Junge eine Art Fürsorgeinstinkt, wie die Gefahr wächst und der Opa verletzt ist. Es ist nicht unbedingt diese Geschichte, die den Film sehenswert macht, auch die Verfolgerei und die Schießereien kommen einem nur allzu vertraut vor. Vielleicht ist es diese konsequente Weltabgeschiedenheit und Unerreichbarkeit des Settings, ist es die Kamera, die wie mit einem Sog sich magisch dem Object of Interest nähert, ist es die Musik, die wie eine mächtige Maschinerie die Bildwelt umtost und untermauert – da braucht niemand Kopfhörer.

Bambi – Eine Lebensgeschichte aus dem Wald

Grün, so grün

ist der Wald, der Lebensraum des Protagonisten und der anderen Tiere dieses Filmes von Michel Fessler, der mit Laurence Buchmann auch das Drehbuch nach der berühmten Geschichte von Felix Salten geschrieben hat. Hier können die Augen entspannen, können die Augen über die Leinwand von einem Grün zum anderen wandern. Können die Augen sehen, wie Bambi, der in der Erzählung der Märchentante (Senta Berger), immer nur als er, als ein Junge, als ein kleiner Prinz bezeichnet wird, kaum zur Welt gekommen, versucht aufzustehen, während er noch von der Mutter kümmernd abgeleckt wird. Noch bevor er überhaupt was gesehen hat, entdecke er viel Neues, heißt es.

Gedreht worden ist in einem Tierpark, der eigens für Filmaufnahmen da ist. Es ist also eine Realverfilmung, ein inszenierter Tierfilm wie schon Die Eiche – mein Zuhause, bei der auch Michel Fessler als Drehbuchautor mitgewirkt hat. Und wie dort, gibt es auch hier im Tierreich keine Beute, es gibt kein Beutemachen, gesprochen wird nur von Hunger.

Gezeigt werden aus der bösen Menschenwelt lediglich ein Beil, Tierfallen, Waldwege, geteert und nicht geteert. ein Jäger kommt vor und Jagdhunde. Während es den Augen also gut geht, so könnten die Ohren vor lauter Süßmusikwolke Diabetes kriegen.

Erzählt wird die Geschichte des Heranwachsens von Bambi, der eines Tages mit einem Geweih der König des Waldes sein wird. Tierische Herrschaftsstrukturen. Auf ihn wirft schon in den ersten zwei Jahren diskret aus dem Hintergrund sein stolzer Vater unsichtbar ein Auge.

Für Erziehung und Ausbildung von Bambi ist die Mutter allein zuständig. Nach langer Zeit wird er eine Gespielin kennenlernen, ein Sie-Reh, eine potentielle Geliebte. Anthropozentrischer könnte die Liebesgeschichte und das Coming-of-Age kaum erzählt werden, so anthropozentrisch, dass es einem allmählich auf den Geist geht und man sich nicht mehr vorstellen kann, dass dem Original von Felix Salten, wenn es denn so geschrieben worden wäre, eine über 100jährige Erfolgsgeschichte beschieden gewesen wäre.

Für die Augen als Beifang und gleichsam als Entschädigung gibt es Tieraufnahmen von Igel, Hasen, Fasan, Wolf, Maus, Krähe, Eule, Wildschwein, Libelle, Schmetterling, Eichhörnchen, Adler, Waschbär, Frosch, Blaumeise, Glühwürmchen und die pflanzliche Natur, herrlich über die Jahreszeiten ihr Kleid wechselnd.