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Reif für die Insel – Les Cyclades

Amorgos

ist eine der Zykladeninseln und war Traumziel der beiden Teens Magalie und Blandine. Aber das vermeintliche Ausspannen des Freundes von Blandine durch Magalie hat die Freundschaft in Trümmern hinterlassen.

Jahrzehnte später ist Blandine (Olivia Côte) eine von Depressionen geplagte Frau, verhärmt, ohne Lebensfreude, ohne Perspektiven und mit einem erwachsenen Sohn, Benjamin (Alexandre Desrousseaux). Der weiß von der damaligen Freundschaft und wie lustig es die beiden Freundinnen hatten, wie viel Spaß, wie viel Vergnügen, wie viel Heiterkeit.

Benjamin macht Magalie (Laure Calamy) über Facebook ausfindig und organisiert eine Überraschungsbegegnung. So ganz funkt es nicht zwischen den beiden Ex-Freundinnen. Aber Blandine hatte mit Sohn Benjamin einen Griechenland-Urlaub auf Amorgos gebucht. Trickreich tritt der Sohn zurück und schickt statt seiner Magalie.

Regisseur und Marc Fitoussi charakterisiert sehr eindeutig, fast zu eindeutig, die beiden gegensätzlichen Charaktere. Magalie ist die ständig auf- und überdrehte, die es mit den biblischen Vögeln hält, die im Sommer tirillieren und das Leben genießen und nicht für den Winter vorsorgen.

Magalie ist eine gescheiterte Existenz voller Optimismus, eine Schnorrerin wird sie an einer Stelle bezeichnet, während Blandine deutlich von Depression gezeichnet ist und so an gar nichts eine Freude finden kann, ihr ein Lächeln zu entlocken, scheint ein Ding der schieren Unmöglichkeit.

Hinzu kommen jede Menge Pannen auf der Reise, die Blandine keineswegs lockerer machen. Wegen einer Schlaumeierei von Magalie landen sie auf einer fast menschenleeren Insel mit lediglich ein paar knackigen Windsurfern und weil sie bei der nächsten Überfahrt den Ausstieg verpennen, kommt Bijou (Kristin Scott Thomas) ins Spiel, die mit ihrem Freund Dimitris (Panos Koronis) zur Inselbewohnerin geworden ist.

Die Dramaturgie hat Bijou als Katalysator vorgesehen, um das zu leisten, was Magalie nicht gelingt: Blandine aus ihrer frustrierten Reserve rauszuholen.

Das Hauptaugenmerk von Regisseur und Drehbuchautor Marc Fitoussi liegt auf pausenlosen Dialogen, die spannend zu inszenieren es ihm an Rhythmus- und Tempogefühl zu mangeln scheint. Ein französisches Dialogstück, das nicht unbedingt neugierig auf die deutsche Nachsynchronisation macht.

Saw X

Wer bestraft hier wen?

Es hat Gott wohl John Kramer (Robin Bell) mit Krebs bestraft – unheilbar meint die Schulmedizin. In der Verzweiflung greift der Todkranke zu jedem Strohhalm. Kramer lässt sich mit Cecilia Pederson (Synnove Macody Lund) ein, die angeblich mit Experimenten weit jenseits der Schulmedizin Patienten vorm sicheren Tod bewahrt.

Die Sache ist so illegal, dass nur konspirativ zusammenzukommen ist. In Schweden ist Cecilia und ihren Mitarbeitern der Boden zu heiß geworden. „Ganz zufällig“ kann Cecilia Kramer dazwischenschieben und einen schnellen Termin beim Pederson Project in Mexiko arrangieren; hört sich seriös an, wenn von Wachkraniotomie gesprochen wird. Gegen viel Geld, das versteht sich von selbst.

Anfangs des Filmes wirkt Kramer schon leichenblass. Das wird sich im Zuge des Filmes von Kevin Greutert nach dem Drehbuch von Pete Goldfinger und Josh Stolberg ändern, indem die Hautfarbe wider rötlicher oder bräunlicher, auf jeden Fall gesünder wird.

Kramer durchschaut die unsaubere Praxis des illegalen Heilbetriebes und fängt auf seine Art an, die Beteiligten zu bestrafen. Das passiert auf ganz abscheuliche Weise nach dem Prinzip, dass der Gestrafte in Ketten ist und sich nur durch Selbstverstümmelung wieder befreien kann, was wohl das Prinzip dieser inzwischen längst schablonenhaften Reihe „Saw“ zu sein scheint und ergibt eine schwer erträgliche, vor allem überwiegend sinnfrei wirkende Bilderstrecke just wegen dem Schematismus, so dass die Straffrage weiter gestellt werden kann: ob hier der Zuschauer bestraft werden soll und wenn ja, wofür.

Hat er es verdient, dass auch noch ein holder Knabe, Diego (Joshua Okamoto), in diesen hochmoralischen Prozess mit hineingezogen werden muss? Vorher hat sich die Straffrage schon innerhalb des Filmes umgekehrt, ob vielleicht doch Kramer von der Heilerin bestraft werden soll und wenn ja, wofür.

Nach so viel brutaler Bestrafung rundum kann die Welt nur noch eine bessere werden.

Trail der Träume

Savas läuft und läuft und läuft

Er ist ein Mann mit Mission, ein Mann, der Träume wahrmachen will, ein Mann, der Menschen inspirieren will, er ist ein gläubiger Muslim, Einwanderer der zweiten Generation aus Bremen, er ist ein Mann mit Aura, ein begnadeter Selbstdarsteller mit Ausstrahlung und Humor und er ist ein Mann, der nicht sein Leben in einem Job verbringen will, der ihn anödet: Savas Coban.

Er ist ein Mann, der mit diesem Film, also mit seiner Extremsportleistung, die darin dokumentiert wird, den Sprung in ein besseres Leben schaffen will, in eines, das nicht ohne Geld und Zukunft ist. Es ist sein Sprung in das Leben eines professionellen Extremsportlers.

Darin unterscheidet er sich deutlich von Lukas Borchers, der in Kurs Südwest seine eigene Coming-of-Age-Reise ganz selber dokumentiert.

Das Projekt von Savas Coban ist der Ultralauf über 5170 Kilometer in 87 Tagen als Rundkurs durch Peru, jeden Tag mehr als die normale Marathonstrecke, eine enorme physische und vor allem Willensanstrengung durch die extrem unterschiedlichen Klimazonen von Peru, ausgehend von Lima, Küste, Meer, gesichtslose Städte, Wüste, Hochgebirge, Dschungel.

Begleitet wird Savas Coban von einem Filmteam um Steffi Rostoski, die mit Dorit Jeßner auch das Drehbuch geschrieben und das Material zu einem flott-süffigen Film zusammengeschnitten hat.

Teils filmt Coban sich selber, man sieht ihn vor Schmerz schreien oder in die Kamera behaupten, er schaffe das.

Der Film gibt einen interessanten Eindruck von Peru und geht sparsam mit den üblichen Folklore-Einsprengseln um. Mehrfach gerät der Läufer in politische Demonstrationen, das Kamerateam muss auch mal zurückbleiben. Es gibt appetitliche Bildern vom Essen, wobei ihm gelegentlich sein Vegetariertum zum Problem wird.

Der Film fängt an als eine anrührende Homestory, gibt Einblick in Cobans Herkunft aus Bremen in einem Haushalt, in dem ein Vater nicht vorhanden war, dafür eine fürsorgliche Mutter und Schwestern. Hier formuliert er auch seine Berufswahl, nicht die schlechteste Methode, nämlich via negationis, also mit Ausstreichen von Berufen, die nicht in Frage kommen. Da bleibt für ihn, der in der Jugend auch Kampfsport gemacht hat, das Extremläufterum übrig. Und das meistert er, zumindest für den Zuschauer im Kino, bestens, der sich ermutigt fühlen darf, seine eigenen Träume ernst zu nehmen und nicht gleich als unerfüllbar abzutun, der sich zutrauen soll, sein ganzes Potential auszuschöpfen.

Der Film ist, wenn man so will, auch das Dokument einer gelungenen Integration von einem Menschen, der seine Position gefunden hat in dieser unserer kapitalistischen Gesellschaft, der sein Geschäftsmodell entwickelt hat.

Störung

Die perfekte Welt,

die gibt es nur auf der Bühne, die ideale Welt ist nur auf der Bühne möglich; nur hier kann der Autor Fortschritte in seinem Denkkabinett machen; der Rest ist Störung und Scherben. Der Rest ist Traumatisierung, Flucht, Psychiatrie, der Wunsch nach Suizid. So herauszulesen aus den nachgelassenen Texten eines Freundes von Regisseur und Drehbuchautor Constantin Hatz.

In ruhigem Schwarz-Weiß inszeniert Constantin Hatz die Fragmente mit verschiedenen Protagonisten, die die Textstücke voice-over oder live sprechen. Dass der Autor derselbe ist, wird schnell klar, dass der Text auf unterschiedliche Leben übertragbar und somit von einer allgemeinen Gültigkeit ist, auch.

Es sind die Probleme von Krieg und Flucht, von Vertreibung und Tod, auch von Krankheit, vom Ankommen in einer fremden Welt und sich darin fremd befinden allein schon durch den Mangel an Sprachkenntnis.

Es geht darum, dass ein Hirn das alles nicht fassen und verarbeiten kann. Es geht um den Versuch, beispielweise als Holzfäller fernab der Menschen und mit konkretem Arbeiten die beunruhigenden Probleme zu bewältigen.

Ganz konkret beschreibt der Autor, wie sein Vater von Soldaten brutal abgeführt wird oder die schwere Erkrankung der Mutter; die Erinnerung an einen toten Mann im Minenfeld, aber auch Züchtigung im Kinderheim; wörtlich zitiert werden Dialoge aus der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie.

An Außenräumen gibt es deutschen Wald oder karge, eher mediterrane Landschaft; Innenräume sind nebst einer Bühne, schablonenhaft steril eingerichtete Wohnungen oder Institute monolithischer Neubebauungen.

Die Monologe werden von den Darstellern unaufgeregt sachlich gesprochen.

Vielleicht kann der Film gelesen werden als eindringliche Illustration der Gedanken eines Menschen, der hier nie angekommen ist, nie ankommen konnte – als ein Menetekel über all den aktuellen Fluchtbewegungen, die ja von Menschen, von erwachsenen Menschen, Politikern, in Gang gesetzt werden.

Kommentar zu den Reviews vom 23. November 2023

Heute punktet im Kino der Norden. Allen voran Estland mit einer ungewöhnlich intimen Nahaufnahme von einer Gruppe von Frauen, dicht gefolgt von zwei brillanten Briten, einem ganz großen Altmeister, der unmissverständlich Mitgefühl für Flüchtlinge demonstriert und einem jüngeren Meister, der einen Altmeister der Schauspielkunst grandios auf die Leinwand bringt. Auf Englisch gibts ein französisches Biopic. Kroatien lässt sich nicht lumpen mit einer märchenhaften Animationsfantasie. Frankreich punktet in Thailand mit Genrekino aus dem Effeff. Das deutsche Kino beschäftigt sich mit den Frauen, einmal mit einem kleinen Stück Haut, um dessen Unversehrtheit große Dramen sich abspielen, und zum anderen mit dem unziemlichen und ungezügelten Frust und der Wut über die wenig rosigen Perspektiven, die ein Frauenleben nach dem Abitur bietet. DVDs kommen aus den USA, aus Frankreich und aus Britannien. Sie beschäftigen sich mit der besonderen Fähigkeit unbewusster Manipulation, mit dem lindernden Effekt eines Gesellschaftstanzes und mit tödlichen Unterwassergefahren. Im TV gabs ein Movie als Erinnerung an einen zu früh verstorbenen, direkt humanistischen Regisseur und um Gelder zu binden, hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen holprigen Challenge mit viel Geschwätz sich einfallen lassen.

Kino
SMOKE SAUNA SISTERHOOD
Katharsis für Körper und Seele

THE OLD OAK
Fremdenhass in altbritischer Kneipe

IN VOLLER BLÜTE – THE GREAT ESCAPER
Der Veteran, der nochmal über den Kanal fuhr.

NAPOLEON
Kleiner, großer Mann

KIT & ANTOINETTE UND DER MAGISCHE HIMBEERHUT
Von Vorurteilen und Verschwörungstheorien

FARANG – SCHATTEN DER UNTERWELT
Vaterliebe, die eine Blutspur hinterlässt.

ELAHA
Eine Jungerfernhäutchenstory

DEAD GIRLS DANCING
Auch Mädels müssen mal die Sau raus lassen dürfen.

DVD
HYPNOTIC
Die Sache mit diesen besonderen Fähigkeiten.

DIE RUMBA-THERAPIE
Der Genuss liegt in der Erfüllung des Erwartbaren.

DEEP FEAR
Den Film muss man erst mal aushalten!

TV
MORIN
Bestenauslese Mitte der 30er dieses Jahrhundert mit weit fortentwickelter KI.

#CHALLENGE1923 – 3 MENSCHEN. 6 SONGS. Folge 1
Der öffentlich-rechtliche Versuch, einen 3-Minuten-Song mit Labern auf 18 Minuten zu strecken, ohne sich für den Song selber zu interessieren.

Napoleon

Starker Mann –
mit großer Kelle angerührt,

wie es sich gehört für einen klein gewachsenen Mann mit großen Ambitionen, wie Napoleon es war; wobei Ridley Scott nach dem Drehbuch von David Scarpa just auf diesen Aspekt der Organminderwertigkeit wenig Wert legt.

Scott und Scarpa interessiert der Machtmensch, der meist mit regloser Miene die Welt um sich herum beobachtet, daraus seine Schlüsse zieht und die Gunst der Stunde zu nutzen weiß, erst, um ein siegreicher Soldat in der Besiegung der Engländer bei Toulon zu werden, um diese Meriten bald schon einzusetzen, um sich innert kürzester Zeit faktisch selber zum Kaiser von Frankreich zu krönen, auch wenn der Form halber die Geistlichkeit das tut.

Damit die reglose Machtmiene nicht zur Masche wird, hat ihm das Drehbuch Momente vorgesehen, in denen Napoleon mal lacht; das wirkt wie einer Befreiung, wenn er privat mit Josephine (Vanessa Kirby) gezeigt wird, die er später heiratet.

Joaquin Phoenix spielt diesen Machtmenschen absolut richtig und viele werden wieder von einer grandiosen Schauspielerleistung sprechen; dabei scheint die reglose Miene doch mehr eine Sache der Konsequenz zu sein. Und sie lässt an Diktatoren von heute denken, wie den russischen Despoten, der mit regloser Miene den Überfallskrieg auf die Ukraine erklärt mit Tausenden von Toten, aber auch an einen deutschen Bundeskanzler, dem das Bundesverfassungsgericht gerade 60 Milliarden Euro aus dem Budget weggestrichen hat (ein erklecklicher volkswirtschaftlicher Faktor) und der mit einer Miene, als sei nicht mal ein Windhauch durch den Bundestag gezogen, sagt, man werde das sorgfältig prüfen.

Es werden flott erzählt die verschiedenen Stufen der Machterklimmung und dann der Machtausübung bis hin zum Russlandfeldzug; dazwischen Ägypten, die Gerüchte über Seitensprünge seiner Frau, das Problem der Kinderlosigkeit und damit des Throhnfolgermangels.

Furios sind immer die Schlachtengemälder; die sind um 1800 rum auch besonders kinoergiebig, wenn Phalanxen von Soldaten aufeinanderzumarschieren, wenn die Kavallerie mit nach vorn gestreckten Säbeln vorprescht, wenn Kanonenkugeln durch die Luft gejagt werden.

Es ist ein Kino, das sich bildprotokollhaft diese Geschichte vorgenommen hat und das in zügigem Tempo tut; es ist nicht ein Kino, das berühren möchte; auch wenn es für die Liebesgeschichte Momente des Melos eingebaut hat.

Es ist ein Kino, dem große Schlachten durchaus gelegen kommen. Es ist ein Kino, das im ersten Moment irritiert, denn es ist eine urfranzösische Geschichte, aber es wird Englisch gesprochen. Es ist ein süffiges Kino fürs breite Volk, das illustrierte Historie liebt. Es ist ein Kino, das in unserer Zeit der allerorten gedeihenden, größenwahnsinnigen Autokraten dieses Thema mit prächtigen Schauwerten und prima Schauspielern anregend vorführt.

In voller Blüte – The Great Escaper

Der große Ausbrecher,

so heißt der Originaltitel und ist reißerisch angemessen, einfach weil Oliver Parker nach dem Drehbuch von William Ivory mit seinem hinreißenden Protagonisten Michael Caine als Weltkriegsveteran Bernard Jordan einen wunderbaren Kinoerzählfilm auf die Leinwand zaubert, hergestellt mit allen Finessen des Kinohandwerkes und getragen von der jahrzehntelang erprobten Schauspielkunst eines Michael Caine und seiner wunderbaren Partnerin Glenda Jackson als dessen Gattin Irene.

Die haben sich zur Zeit des Zweiten Weltkrieges kennen- und lieben gelernt und es scheint eine lebenslange Liebe geworden zu sein von der Art wie im Dokumentarfilm Für Immer eindrücklich geschildert.

Der Film ist modern und heutig. Er schildert erst das Leben im vornehmen Alten- und Pflegeheim „The Pines“. Das hat Charme, das hat Zauber ganz ohne Verklärung. Das verstehen die Engländer, auch so ein Thema wie das Altern, die Pflege sowohl mit wachem Auge als auch mit Humor zu schildern.

Die Feierlichkeiten zum Gedenken an den 70. Jahrestag des D-Days stehen an. Der hochdekorierte Bernard möchte nochmal über den Kanal, möchte nochmal an den Ort, an dem er vor 70 Jahren gekämpft und einen Freund verloren hat.

Die Info über diesen Verlust, wird der Film allerdings erst im Laufe der Ereignisse enthüllen. Bernard wollte auch seine Frau mitnehmen, die aber gesundheitlich schlechter dran ist als er; vor allem hat er vergessen, sich anzumelden.

Da es ihm aber keine Ruhe lässt, geht er auf eigene Faust mit dem Rollator los. Das ist der originaltitelgebende Ausbruch, der noch von sich reden machen wird. Man leidet mit dem gebrechlichen Mann mit, wie er seinen Weg geht, aufs Schiff kommt.

Der Film erzählt in gekonnter Verzopfmanier nun einerseits die Erlebnisse und Ereignisse des Ausbrechers in Frankreich bei den Feierlichkeiten, bei denen besonders eine Versöhnungsgeste mit deutschen Veteranen, die erstmals auch teilnehmen, um ihrer Toten zu gedenken, beeindruckt.

Andererseits verfolgt der Film im Pflegeheim, wie dort mit dem Verschwinden des Seniors umgegangen wird. Die sich am wenigsten Sorge macht, ist seine Frau Irene, die sowieso nie um einen kessen Spruch verlegen ist. Als Drittes flicht der Film Erinnerungen ein an die junge Liebe der beiden sowie an die traumatischen Erlebnisse bei der Landung in der Normandie.

The Old Oak

Spielend durch den Kino-TüV,

falls es denn so einen gäbe, kämen der versierte Drehbuchautor Paul Laverty und der nicht minder versierte Inszenierungsmeister Ken Loach mit dieser neuen Zusammenarbeit.

Es sind alle Regeln für ein Meisterwerk der Kunst befolgt. Es wird ein aktuelles Thema anhand von einer Einzelbegebenheit minutiös rechercheriert und bestens nachvollzieh- und mitfühlbar erzählt.

Meisterlich sowieso die Schilderung der runtergekommenen Verhältnisse in der ehemaligen Bergbaustadt Durham, die heute aus dem letzten Loch pfeift. Grade noch ein paar Hanseln, die zum regelmäßigen Bier in „The Old Oak“ zusammenkommen beim Wirt TJ Ballantyne (Dave Turner), der natürlicherweise als Zentralfigur, den sich entwickelnden Widersprüchen im Ort direkt ausgeliefert und damit einem Loyalitätskonflikt ausgesetzt sein wird.

Garniert wird das perfekte Soziodram, das mit viel Rührseligkeit sich am Ende fast selbst bemitleidet, mit einer bedeutungsvollen Rührstory um das Hundchen Marra.

Unruhe kommt auf in Durham, wie syrische Bürgerkriegsflüchtlinge ankommen; es ist das Jahr 2016. Damit fängt der Film an. Nicht nur, dass am Ort die Immobilienpreise im freien Fall sich befinden, jetzt werden in leerstehende Häuser auch noch die Neuankömlinge einquartiert. Für Stammtischbrüder ist das zuviel. Die sind unverhohlen fremdenfeindlich.

Die Zentralfigur bei den Flüchtlingen ist Yara (Ebla Mari). Sie kann im Gegensatz zu den anderen Flüchtlingen Englisch und dafür gibt es auch eine plausible Begründung. Was sie mit TJ verbindet, ist die Liebe zur Fotografie. Sie hat eine gute Kamera, die aber bei einer Belästigung durch junge Typen aus Durham beschädigt wird.

Diese Kamera wird zum Requisit, das Yara näher zu TJ bringt, der sich zwar aus den lokalen Auseinandersetzungen raushält, dem aber Mitleid nicht fremd ist, wie er sich überhaupt als hilfsbereit erweist, auch wenn seine Stammkunden das übel kommentieren. Ganz verdirbt er es sich mit ihnen, wie sie für einen speziellen Anlass den kleinen Saal der Kneip öffnen möchten und TJ das den Stammtischbrüdern verweigert, aber kurz darauf bereit ist, dieses für die Flüchtlinge zu tun.

So hat TJ schlechte Karten bei seinen Stammkunden. Es wird zu einem dramatischen Ereignis kommen, wie auch die Filmdramaturgie das verlangt, die zum Ausgangspunkt der Läuterung wird.

Ein Wermutstropfen aus Syrien in das Happy End hinein wird Ken Loach dazu nutzen, dem Film den Stempel seines persönlichen Mitleids mit den syrischen Kriegsgeschädigten aufzudrücken. Das gekonnte Melosoziodram droht dadurch am Ende zum schweren britischen Rührstück zu werden.

Smoke Sauna Sisterhood

Frauen intim

Das ist Kino. Das ist Intimität. Das ist Erotik – vielleicht für manche. Das ist für den Voyeur; – der per definitionem in jedem Kinogänger steckt.

Welcher Mann kann schon so nah, an in einer kleinen Holzhütte dicht gedrängten Frauen sein. Sie würden die Gespräche nie führen, wenn ein Mann anwesend wäre. Sie würden nie so und direkt über ihre Probleme als Frauen reden. Über Vergewaltigung und Schwangerschaftsabbrüche, über die „Krankheit“ Frau, über die Entdeckung der lesbischen Liebe, von der Frauwerdung bis zum Brustkrebs und zur Totgeburt und über das Leben nach dem Tod.

Regisseurin Anna Hints muss ein ganz besonderes Vertrauen zu ihren Protagonistinnen aufgebaut haben, dass sie so nah mit Kamera und Mikro bei den Saunagängen der „Schwestern“ wie sie sich nennen, dabei sein durfte, ihren Gesprächen lauschen, ihren Formen mit der Kamera folgen, auf Details der nackten Körper verweilen durfte.

Dadurch kommt aber auch ein großer Respekt zustande, nie werden die Figuren denunziert, nie entblößt; sie bewahren ihre Würde. Das ist eine große Kunst.

Es gibt auch die Ausflüge aus der Sauna, nackt ins Eisloch im zugefrorenen See, in den Schnee hinaus, in die Natur.

Der Film spielt zu verschiedenen Jahreszeiten. Er zeigt die Frauen auch beim Holzhacken für die estnische Trockensauna, die, wie im Abspann zu lesen ist, von der Unesco zum materiellen Weltkulturerbe zählt, er zeigt die Frauen bei Zubereiten von Fleisch für das Räuchern.

Die Kamera kann auch kunstvoll verweilen beim Rauch, den ein Aufguss entstehen lässt oder bei Stimmungen in der freien Natur wie dem Polarlicht oder Nebel über dem Wasser.

Die Sauna als ein geschützter Raum für die Frauen, wo sie nicht nur physisch nackt sind, sondern auch einen Seelenstrip vollziehen, wo sie alle gleich sind: Kreatur letztlich, die schmerzfähig als auch schmerzanfällig ist, die aber auch lustvoll zu einem Lied auf dem Bauch trommeln kann. Die Sauna als Ort der Reinigung von Körper und Seele, als Ort weiblicher Psychohygiene.

Kit & Antoinette und der magische Himbeerhut

Vorurteil und Verschwörungstheorie

Die Ameisen glauben, dass Musik Mauern zum Einstürzen bringe, die sind wohl geschult an den Trompeten von Jericho und die benachbarten Grillen wollen nicht wahrhaben, dass es einen Winter gibt und dass die zackigen Schneeflocken sie töten können.

Die Ameisen sind Architekten und bauen ihren Bau, die Grillen sind Musiker und verbringen den Tag mit Musizieren.

Antoinette ist die Tochter des Ameisenchefs Anton. Sie verpasst ihre Ameisen-Architekten-Diplomfeier, weil sie zu spät ist und wegen einer Abkürzung vom Weg abkommt. Sie landet bei den Grillen und freundet sich mit Musiker Kit an. Dieser bringt sie zurück zum Ameisenstaat, wird dort aber verhaftet.

Inzwischen baut Musterschüler Antheodor ein ziemlich verkehrtes Haus. Antoinette befreit Kit. Aber Antheor ist in Antoinette verliebt und ihm gefällt nicht, dass sie mit Kit zusammenspannt.

So wird die Ausgangslage für den Animationsfilm von Luka Rukavina geschildert, der mit Rona Julj nach der Geschichte von Darko Bakliza auch das Drehbuch geschrieben hat. Die dramatischen Ereignisse werden zu Erkenntnissen und zum Abbau von Vorurteilen führen.