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Der Pinguin meines Lebens – The Penguin Lessons

Zivilcourage-Tango

Um Zivilcourage geht es in diesem Film von Peter Cattaneo (Mrs Taylors Singing Club), der mit Jeff Pope auch das Drehbuch nach den Aufzeichnungen von Tom Michell geschrieben hat.

Zivilcourage zeigen oder nicht, Unrecht mitansehen und Mund halten oder nicht, eingreifen oder nicht, Unrecht geschehen lassen oder nicht. Das zu entscheiden, ist in einer demokratischen Gesellschaft wie der unsrigen nicht unbedingt so schwierig, wie in Diktaturen und Despotien.

Tom Michell (Steve Coogan) ist nicht prädestiniert der Zivilcourage-Typ. Er ist eher der Abenteurertyp, Engländer, Englisch-Lehrer, hat wohl Schicksalsschläge hinter sich, Beziehung kaputt. Als Alleinstehendem macht es ihm nichts aus, sich nach Argentinien an ein exklusives Internat engagieren zu lassen, um den schnöseligen Jungs der feinen argentinischen Gesellschaft Englisch beizubringen.

Es ist 1976; kurz nach Michells Ankunft in Argentinien findet der Militärputsch statt und die Junta etabliert sich. Tom hält sich raus. Er nutzt die ersten freien Tage, um mit einem Lehrerkollegen (Björn Gustafsson) in Uruguay Party zu machen und Frauen aufzureißen. Dort läuft ihm wegen Ölpest sein titelgebender Pinguin zu.

Der deutsche Titel bleibt rätselhaft, die Marketingabteilung wird sich was gedacht haben dabei, warum der Film auf Deutsch nicht, wie auf Englisch, Die Pinguin Lektionen heißt. Er reinigt den die Ölpest am Strand überlebt habenden Pinguin mit seiner Affäre der Nacht. Diese ist schnell vorbei. Ihm bleibt der Pinguin. Der ist anhänglich. Er wird ihn nicht wieder los. Muss ihn sogar mit nach Argentinien nehmen, die Szene an der Grenze erklärt wieso.

Das Tier nun im feinen Institut unbemerkt unterzubringen, nun das geht gar nicht, führt zu unterhaltsamen Szenen, die nicht frei von Komik sind. Der Pinguin bekommt sogar einen Namen, Juan Salvatore, und er wird sich als ein großartiger Katalysator erweisen sowohl in der Verbesserung des Schulunterrichtes mit seiner disziplinlosen Klasse als auch, mehr noch, in seiner eigenen Entwicklung und seiner Beziehung zum Begriff der Zivilcourage. Diese wäre gefragt in dem Moment, in dem er Zeuge wird, wie die Tochter seiner Zugehfrau auf offener Straße verhaftet und verschleppt wird.

Peter Cattaneo versetzt sich in Tempo, Atmosphäre und Flair der 70er Jahre, fährt ein paar schöne Autos aus der Zeit auf, steckt seine Darsteller in die passenden Kostüme und ventiliert gleichzeitig leicht bekömmlich ein Thema, was gerade in unserer Zeit von hoher Brisanz und in vielen Ländern der Welt hochgefährlich ist.

Blinder Fleck

Im Trüben fischen

Was wollen wir für einen Staat, einen strafenden oder einen schützenden? Das ist die Hintergrundfrage bei dieser sehr schwierigen Dokumentation von Liz Wieskerstrauch, schwierig in dem Sinne, dass das Thema, das sie anfasst ein unglaublich delikates ist mit extrem problematischer Beweislage: Kindsmissbrauch, speziell organisierter, ritualisierter, aber auch derjenige im engen familiären Umfeld.

Soll der Staat sich nur darum kümmern, Täter zu bestrafen (Täter kommen hier nicht vor, auch keine Infos, ob welche zur Rechenschaft gezogen worden sind) oder soll er die Kinder schützen?

Los geht es immer bei den Kindern als Zeugen. Dazu installiert die Filmemacherin ein symbolische Verhörsituation im leeren Raum. Um die dreht sich alles, um die gehen die Statements von Fachleuten, die mit dem Thema befasst sind.

Wie glaubwürdig sind die Zeugenaussagen von Kindern? Denn je kleiner sie sind, desto weniger können sie ihre Erlebnisse in Worte fassen, wenn sie als ganz kleine Kinder Missbrauch erleben, kann sich der als traumatischer Flashback melden.

Hinzu kommt, dass der Mensch die Fähigkeit hat, traumatische Erfahrungen mit neurobiologischen Tricks abzuspalten, dass er dadurch nichts mehr vom Trauma weiß und ein einigermaßen normales Überleben praktizieren kann. Mit bestimmten psychologischen Methoden der Konfrontation kann diese neurobiologische Mechanik durchbrochen werden.

Offenbar gibt es schwerste Vergehen an Kindern in ritualisierter Form, das heißt es gibt einen Ablaufplan, ein Protokoll, das den Tisch für den Täter deckt; da passieren Dinge, die sich der normale Mensch auf der Straße so nicht vorstellen kann. Aber stimmen die auch, wenn Kinder sie erzählen?

Dazu werden unterschiedliche Psychologen-Meinungen angeführt. Diejenigen, die die Gerichtsverwertbarkeit für problematisch halten, weil das Gericht kontinuierliche, korrekte Aussagen braucht. Was, wenn Mandanten Ausfallerscheinungen haben; wenn das Gedächtnis nicht kohärent ist? Was wenn Zeugen Dinge schildern, zum Beispiel Details eines Hauses, die so gar nicht existieren? Halten die Aussagen von Zeugen einer Überprüfung auf Glaubwürdigkeit stand?

Der Film arbeitet dem diffizilen Thema entsprechend mit teils unkenntlich gemachten Interviewpartnern, aber auch ganz offen im Bild mit Opfern, er arbeitet mit Distanz, Unschärfe, Symbolbildern und Zeitlupe oder setzt eine Zeugin auch mal hinter Milchglas.

Aeon Oz

Kontemplation / Meditation

Nach einer mutig-langen Schwarzphase folgt als Epilog ein wilder Tanz von Männern und Frauen in roten Tangas um ein Lagerfeuer. Mit diesen Bewegungen in den Boden hinein hat er etwas von afrikanischen Tänzen. Mitreißend.

Es folgt der Titel. Die Befürchtung des häufigen Filmschauers, da er weiß, dass es sich um eine Dokumentation handelt, was nur teilweise zutrifft, es würden jetzt die unsäglichen Talking-Heads sich breit machen, die Erklärungen, das Geschwätz.

Entwarnung kann gegeben werden. In diesem Film von Heinz Kasper wird überhaupt nicht geredet. Bis auf eine Passage in der gedichtreziationshaft das Aeon Oz Mantra gesprochen und in verschiedenen Sprachen transskribiert wird.

Sonst ist nur Tanz zu sehen. Es dürfte Ausdruckstanz im Sinne der titelgebenden Meditation sein. Die Protagonistin ist Juana del Maar Jiménez Infante. Im Prolog und im Epilog tanzt sie mit dem Dance Collective for Arcanum-Meditation.

Der Film wurde vor allem in Indien und in Kolumbien gedreht. Indien mit seinem unerschöpflichen Reichtum an Motiven, die für eine Tanzperformance geeignet sind, Kolumbien nicht weniger: Sandwüste, Flusslandschaft, Insel, Bergpanorama, Dschungel, Teeplantagen, Felskulisse, Laubwald, Meer und Gischt. Es mangelt an nichts.

Auch die Kulturlandschaft fehlt nicht. Es sind vor allem buddhistische Tempelanlagen, die die Tänzerin mal meditativ gehen oder in Meditationshaltung sitzen lässt. Das schwarze, fransige Haar der Protagonistin, ihre wehenden Gewänder, meist in Unifarben und als Kontrast zur Landschaft in der sie barfuß tanzt, sich in die Höhe erhebt, sich dreht, die Arme streckt, die Beine, sich anschmiegt an Mutter Erde. Die Musikuntermalung besorgt ein Trio aus klassischen Streichinstrumenten.

Gipfeltreffen Momentensammler (BR, Montag, 21. April 2025, 22.45 Uhr)

Mit Toten und Bettgeschichten auf die Berge

Was dem BR so alles einfällt, mit den Zwangsgebührengeldern anzustellen. Bei all der Geld- und Fantasieknappheit. Ja, sie müssen sparen und nein, viel Fantasie entwickeln sie nicht dabei. Das Fantasieloseste sind Wiederholungen. Vintage-Fernsehen, hier nicht mal ganze Stücke, nur Schnipsel. Die kosten vergleichsweise wenig. Sie wurden von Thomas Rothneiger ausgewählt und zusammengestückelt. Das erinnert daran, wie wir früher unsere Ferien-Foto-Alben zusammengestellt haben. Viel Sendezeit zum Schnäppchenpreis. Die Promis werden’s schon richten, wird sich Redakteurin Sonja Kochndörfer gedacht haben. Dabei erzählt dieser Zusammenschnitt mehr über die BR-Promiphilosophie als über die Promis oder das Leben selber.

Viele sind schon tot, manche berühmt, andere offensichtlich berühmt („Du bist jetzt richtig berühmt“), wieder andere sind nicht so berühmt, es gibt solche, die berühmt sind für ihr Berühmtsein, dann auch verurteilte Steuerhinterzieher oder welche, von denen man sich wundert, dass sie noch nicht gestorben sind, mehr oder weniger berühmte oder nur BR-berühmte, Hausheilige des BR, was da so kreucht und fleucht im BR-Redaktions-Promi-Universum.

All das Promigewese wurde mit einem Moderator und begleitet von einem Kamera- und Tonteam des BR auf die bayerischen Berge gescheucht unter dem Titel „Gipfeltreffen“ und dort zur Brotzeit verdonnert, simpel, open-air, auf einer harten Holzbank. Dabei fällt bei den Plappereien unter viel Spreu ab und ab und an auch ein Satz ab über das Leben, den Tod, die Liebe, wie es durchaus passieren kann.

Man wundert sich nur, dass solche Sendungen auch 2024 noch gemacht wurden.

Ständig bangt man um das Fernsehteam, dass es nicht abstürzt, unsichtbar, drumherum. So was ist heillos veraltet in Zeiten von Handys und Headkameras.

Ein Dokument über das altväterliche, öffentlich-rechtliche Fernsehen, als die Welt noch in Ordnung und die AfD, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk radikal abschaffen will, noch nicht die umfragenstärkste Partei war. Die Sendung wirkt wie ein Abgesang auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Fai gmiatli wars, aber jezad ist genug und vorbei.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Kommentar zu den Reviews vom 17. April 2025

Auch diese Woche vor Ostern bietet das Kino wieder vielfältige neue Möglichkeiten sich vom Alltag und dem politischen Blödsinn in der Welt abzuwenden, sich unter anderen Aspekten mit der Menschheit zu beschäftigen. Zum Beispiel in Mississippi mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Musik und Vampirismus. Historisch eindrückliches Anschauungsmaterial von der Apartheid bietet die Geschichte um ein neu entdeckes Archiv eines südafrikanischen Fotografen. In Schweden gilt der volle Fokus dem Menschen und den Mischzonen seiner Gefühle. Ein deutscher Film wagt Riskantes im Hinblick auf das den Menschen konstituierende Geheimnis mit eher parapsychologischen Mitteln. Ähnliches probiert ein amerikanischer Film, allerdings mit den Technologien moderner Überwachungssysteme, die für das Horrorgenre eingesetzt werden. Menschen in Grenzsituationen, also auf der Flucht, haben in Griechenland einen Film darüber gemacht. Und dann gibt es noch einen Film, der sich den politischen Blödsinn als solchen direkt vorgenommen hat, ist beidem nicht gut bekommen. Auf DVD geht es diesmal besonders rasant zu und her: in Hollywood soll mit künstlichen Mitteln dem Alterungsprozess Paroli geboten werden, im Drogenmilieu versucht einer sich mit einer Umoperation unidentifizierbar zu machen und im Animationsgenre haben unterschiedliche Generationen offenbar ein unterschiedliches Tempo im Ablauf der Zeit. Das Fernsehen versucht echter Rettungsdramatik Footage abzugewinnen und gibt Einblick in das eher versteckte Universum eines religiösen Klosterlebens.

Kino

BLOOD & SINNERS
Die Magie von Musik, Heiligem und Vampirismus

ERNEST COLE – LOST AND FOUND
Der Fotograf der Apartheid

OSLO STORIES LIEBE – SEX
Die Fähre zwischen den Ufern

WAS MARIELLE WEISS
Kein Geheimnis mehr ist auch keine Lösung

DROP – TÖDLICHES DATE
Wenn jede Handlung von Dir von einem Anonymus via Mobilphon dirigiert und kontrolliert wird.

XOFTEXT
Bschäftigungstherapie in einem Flüchtlingslager als Grundlage eines Filmprojektes

WARFARE
Mit einem Navy Seals Platoon im Irak

DVD
THE SUBSTANCE
Hollywoods Jugend- und Schönheitswahn auf die Spitze getrieben

EMILIA PEREZ
Wenn der Papa zur Tante wird und keiner sie kennt.

SONIC THE HEDGEHOG 3
Wenn die Geschwindigkeit so groß ist, dass Generationen sich einholen.

TV
IN HÖCHSTER NOT – Folge 1
Hautnah bei Bergrettungeinsätzen dabei

WIE IM HIMMEL SO AUF ERDEN
Auch das gibt es in Bayern: ein orthodoxes Frauenkloster.

Blood & Sinners

Schmankerl für Horrorfans

Vampirismus und Musik, wenn das mal keine prickelnde Kombination ist. Oder auch: das Heilige, die Musik und der Vampirismus. Das Gefährliche am Gesang. Auch wenn uns die Musik durchs Ohr eingeträufelt wird.

Pfarrerssohn Sammie (Miles Caton) platzt abgerissen in den Gottesdienst seines Vaters (Saul Williams). Er trägt einen Gegenstand, der wie eine Waffe aussieht. Überfallssituation. Papa unterbricht die Predigt, beschwichtig den Sohn, er möchte die Gitarre beiseite legen.

Die Musik, das Heilige und das Gefährliche. Das ist 1932 in Clarksdale, Mississippi. Wir erinnern uns, zu dem Zeitpunkt gilt im Süden noch die strikte Rassentrennung, der Ku-Klux-Clan ist die grausame Machtinstitution.

Der Film spult 24 Stunden hinter den Kirchenauftritt von Sammie zurück. Der Ansatz zu einem Spoiler sei erlaubt, in den Abspann hinein wird er zwei Stunden später 60 Jahre vorspulen, ein besonders neckischer Kunstgriff, der den Film – oder die Musik – nochmal in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Die Smoke-Zwillinge Elijah (Michael B. Jordan) und Elias (Michael B. Jordan) sind aus Chicago nach Clarksdale zurückgekehrt. Sie haben dort die Freiheit von der Rassentrennung kennengelernt. So fängt die Rückblende vom Vortag an, die den Hauptteil des Filmes bildet. Sie kaufen vom weißen Farmer Hogwood (David Maldonado) eine leerstehende Scheune. Sie zahlen bar. Sie wollen den Vergnügungssaal Juke Joint eröffnen und damit Geld verdienen. Die Baumwollarbeiter von den Plantagen sollten am Feierabend ein Bier trinken, tanzen, Musik hören können, so begründen sie den Kauf. Der Farmer wird noch gewarnt, nie wieder in der Scheune oder auf dem dazugehörenden Grundstück aufzutauchen, sonst würden sofort die Waffen sprechen.

Ryan Coogler (Black Panther, Black Panther -Vakanda forever, Creed- Rockys Legacy, Nächster Halt Fruitvale Station), der auch das Drehbuch geschrieben hat, erzählt seine Vampir-Geschichte, die noch enorm ausarten wird, konzentriert, dicht, geschmeidig, mit einem unwiderstehlichen Sog, zu schweigen von der Musik, die er thematisch verführerisch bis bedrohlich drüber gelegt hat.

Im Gegensatz zu vielen Black-Liberation Filmen (und auch um einen solchen handelt es sich ganz nebenbei) verfällt er nicht eine Sekunde in dieses Unglücksgefühl, dieses Gefühl des Diskrimierten, des Unterdrückten, des Ausgebeuteten oder des Anklagenden, der im weißen Zuschauer das schlechte Gewissen ansprechen soll. Er präsentiert lediglich die Haltung, dass es ihm unheimlichen Spaß macht, diese doch recht ungewöhnliche Geschichte mit den besten Mitteln der Hollywoodkunst meisterlich zu erzählen.

Nach wenigen, wohlverstanden: anekdotischen, und nicht erklärenden Hinweisen zur Vorbereitung der Party im Juke Joint, stampft der Laden vor Begeisterung, guter Laune, Alkohol, Tanz.

Eine Gruppe Weißer begehrt Einlass. Sie haben Gitarren dabei, werden aber abgewiesen. Besonders vertrauenswürdig wirken sie nicht. Ruthie (Andrene Ward-Hammond), zwischen den Grobkategorien menschlicher Hautfarbenunterscheidung angesiedelt, soll erkunden, was mit denen los ist.

Ab hier kommt das Unheilige ins Spiel, ab hier ist es nicht mehr weit bis zu den Untoten, die nicht unbedingt als genretypisch selbstverständliches Phänomen genommen, sondern hinterfragt werden, wie es möglich sei, dass jemand, der erschossen worden ist, wieder mit einem spricht.

Es gibt nun Choreographien und Beleuchtungen, die eine spooky, rätselhafte Zwischenwelt aus Religion und Heiligkeit, aus übelster Abgründigkeit und Andacht aufleuchten lassen. Dahinter mag die Weisheit grinsen, wie leicht doch die Menschen mit faulem Zauber aufs Glatteis zu führen sind, wie leicht sie sich betrügen und manipulieren lassen, womöglich gar durch die Musik? Und das nicht unabhängig vom Phänomen der Massenpsychose.

Xoftex

Flucht bringt einiges durcheinander.
Flucht kann ein Nährboden bilden für wild-traumatische Bilderwelten.
Ein Ort für solche Bilderwelten ist das Kino.

Flucht kann Menschen gleich mehrfach den Boden unter den Füßen wegziehen. Zuerst wenn sie Hals über Kopf ihre Häuser und Wohnungen verlassen müssen, sei es wegen Bombenangriffen, wegen des Eindringens feindlicher Truppen oder auch wegen Naturkatastrophen. Die Flucht selber kann zum nächsten Risiko werden, wenn sie durch endlose Wüsteneien oder in wackeligen Booten übers Wasser führt. Zielort für viele Fluchten ist Europa.

Ankunftsort übers Mittelmeer ist oft Griechenland. Hier werden die Flüchtlinge in Lagern untergebracht, zu denen das Adjektiv menschenwürdig einem nicht unbedingt als erstes einfällt.

Die Wartezeit bis zu einem Asylbescheid beträgt 2017 etwa 12 – 18 Monate. In der Zeit leben die Menschen in diesen Verhältnissen dicht aufeinander, nur mit dem Nötigsten versorgt und mit nicht einem Minimum an Privacy.

Noaz Deshe hat dort zwischen 2016 und 2019 als Freiwilliger gearbeitet, die Situation studiert und Theaterworkshops gegeben. Ein Resultat der Aktivität ist dieser Film, zu dem er mit Babak Jalali auch das Drehbuch geschrieben hat. Er wirkt wie ein Experimentalfilm, der versucht, um den Protagonisten Nasser (Abdulrahman Diab) herum einen Stream of Chaos and Consciousness im Kopf eines Flüchtlings zu kanalisieren.

Einerseits lässt der Filmemacher seinen Protagonisten übers Internet versuchen, sich Bildung anzueignen. Hier wird als signifikantes Beispiel der Casimir-Effekt eingeführt, der sich auch als filmisch ergiebige Anregung erweist, allein schon durch die zwei Spiegel, die dazu nötig sind und die starke Energie, von der die Rede ist.

Starke Energien auch in einem Flüchtlingslager, schnell explodieren Spannungen. Der Sound über dem Film ist ein Fanal für sich an Abgründigkeit und Bedrohlichkeit.

Nasser wird ein Faible fürs Filmen zugeschrieben. Mit Handy und Improvisation lässt sich so manches machen. Es ist dies nicht der erste Film, der sich mit der Flüchtlingsthematik speziell in Griechenland beschäftigt.

Ein afghanischer Filmemacher hat die Zeit im Flüchtlingslager genutzt: Picknick in Morial – Blue Red Report war das Resultat.
Der Fernsehfilm Leaving Greece – Fluchtpunkt Griechenland beschäftigte sich explizit mit in Griechenland festsitzenden minderjährigen Flüchtlingen.

Aber auch so eine Lagerzeit geht vorbei. Nasser schafft es nach Schweden und ist dort für zusätzliches Footage gut.