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Kommentar zu den Reviews vom 20. März 2025

Noch sprießt der Kinofrühling verhalten, aber nichtsdestoweniger beachtenswert. Wie man im sexy Schönheitsbusiness als Frau würdevoll altert, zeigt ein beeindruckender amerikanischer Star. Ganz konventionell mit den Hollywoodmitteln erzählt ein Grimmsches Märchen vom Widerstand gegen eine böse Herrscherin. In Skandinavien wird Toleranz geprobt im Umgang mit Behinderten. In Brasilien widmet sich das Kino einem hübschen jungen Mann, der die Liebe bei Männern sucht. Aus der DDR gibt es die Auferstehung eines verführerisch schönen Winterfilmes. Aus dem regnerischen Berlin kommt der Versuch einer Vorstellung der Geleit-Methode zur Verarbeitung oder Heilung der Folgen von Krieg und Flucht. Aus München gibt es einen schrägen Einblick in das studentische Kunstakademieleben. Aus den USA kommt schieläugige Mafia-Romantik. Aus Frankreich und Belgien kommt die Annäherung an eine große Künstlerin über ihre Traumata und deren künstlerische Bewältigung. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat Glücksgöttin gespielt und einer Auserwählten eine Sendung gegönnt, die offenbar nicht so richtig ankommt und deshalb glaubt das öffentlich-rechtliche Fernsehen, müsse es die Moderatorin mit einem eigenen Porträt, das den Zugang über die Depression sucht, pushen. Mit dem Allerwelts-Wohnthema ist es überzeugt, nichts falsch zu machen, beweist aber just das Gegenteil; wobei hier interessante Nuancen zwischen konkurrierenden ARD-Sendern zu beobachten sind.

Kino

THE LAST SHOW GIRL
Pamela Anderson ist mutig und respektheischend

SCHNEEWITTCHEN
Um das Momentum des Widerstandes geht es aktuell.

LARS IST LOL
Trisomie 21 in der Volksschule

BABY
Hübscher junger Mann in Sao Paolo zwischen Knast, Strich und Liebessehnsucht

NINOTSCHKA SUCHT DEN FRÜHLING
DDR-Eskapismus oder wie aus Speisezwiebeln Tulpen werden

DAS LICHT
Geleit gesucht zur Traumaverarbeitung im regnerischen Berlin

DIE AKADEMIE
Nicht der schlechteste studentische Zugang: die eigene Kunst und die Akademie durch den Kakao ziehen.

THE ALTO KNIGHTS
Der doppelte De Niro

NIKI DE SAINT PHALLE
Und nicht eine einzige Nana!

TV
LEBENSLINIEN: EVA KARL FALTERMEIER – WENN MAMA AUF DIE BÜHNE GEHT
Die Glücksfee des BR schenkt ihr eine eigene Sendung.

GENERATION WOHNKRISE – JACKPOT IMMOBILIE
Wie bastle ich mir was Nettes fürs Nachtfernsehen zusammen?

GENERATION WOHNKRISE – WOHNUNG ALS INVESTEMENT
Hier gibt’s mittemang im TV-Hack immerhin eine schöne Geschichte von der Erzieherin, die vom Wohnungskauf träumt.

GENERATION WOHNKRISE – UNBEZAHLBARE MIETEN
Wenn einen die Mieten schon schier schwindlig werden lassen, so noch viel mehr dieses beliebige Konvolut an Scherzchen zu dem Thema.

GENERATION WOHNKRISE – ALPTRAUM EIGENHEIM
Mit Tendenz zum Horrorgenre

The Alto Knights

Keine Ahnung

warum dieser Film in der Regie von Barry Levinson nach dem Drehbuch von Nicholas Pileggi mit Robert de Niro in der Doppelrolle des Gangsterbosses Frank Costello und dessen Jugendfreund und späteren Rivalen Vito Genovese gemacht worden ist.

Irgend wer muss nostalgisch den Narren am amerikanischen Mafiafilm gefressen haben. Das ist verständlich, wenn man ans amerikanische Kino der Vergangenheit denkt. Aber wieso De Niro diese Doppelrolle spielen muss, das können weder der Film noch andere Überlegungen erklären. Was soll der Reiz sein, zwei beinah identische Männer, die um den Posten des obersten New Yorker Mafiabosses rivalisieren, der Film spielt nebst Rückblenden 1957, von ein und demselben Darsteller, der noch dazu in vorgerücktem Alter ist, spielen zu lassen?

Soll das erklären, dass sie im Grunde genommen die gleiche DNA haben? Ok, beide sind Italiener, sind ungebildet nach Italien gekommen; sprechen dafür ein makelloses Englisch. Vito war erst der Boss. Ist dann 15 Jahre in Italien gewesen. In der Zeit hat sein Alter Ego Frank die Macht gefestigt und für Ruhe in der Gangsterwelt gesorgt. Das ändert sich wie Vito zurückkehrt und wieder nach der Macht greifen will.

Die Geschichte ist nicht sonderlich spannend erzählt – und schon gar nichts erzählt sie darüber, wie genau das funktioniert mit der Gangstermacht. De Niro als Frank erzählt rückblickend. Es ist in etwa so, als ob man gemeinsam mit ihm ein Fotoalbum aus seinem bewegten Leben anschaut. Der berühmte Dia-Abend bei Nachbars kommt einem in den Sinn. Warum soll uns dieses Leben interessieren? Was soll diese Erzählposition des alten, sich zurückgezogen habenden Gangsters, der das Kartell vor seinem Rückzug hat auffliegen lassen, uns fesseln?

Es kommt hinzu die Perzeptionsschwierigkeit zumindest für einen, der nicht ein exzellenter Recognizer ist: immer wieder ist unklar, wen De Niro gerade spielt. In jungen Jahren mag ein Schauspieler brillieren mit der Darstellung gegensätzlicher Rollen in einem Film, er mag Talent zeigen. Aber wenn ein Mime alt geworden ist, so bringt ihm das keine Lorbeeren mehr, wenn er zwei Charaktere versucht zu spielen, die sich erstens sehr ähnlich sind, und die er dann selbst nur einmal mit hellerer und eimmal mit tieferer Stimme spielt. Den Rest besorgen Maske und Kostüm.

Nein, das Kalkül mit dem Unique Selling Point des doppelten De Niro geht nicht auf. Das funktioniert deutlich besser mit dem doppelten Robert Pattinson in Mickey 17, der auch seinen Klon 18 spielt. Aber der ist jung und biegbar. Während im Alter, wenn womöglich künstliche Gelenke eingebaut worden sind, auch ein Gang kaum mehr variabel ist.

De Niro beweist zwar nach wie vor, dass er ein wunderbarer Schauspieler ist, er beweist aber auch eine überraschende Naivität, wenn er meint, er müsse in seinem fortgeschrittenen Alter noch solche darstellerischen Sperenzien vorführen. So wirkt denn der Film lediglich altbacken. Angesichts des Gangstertums, das sich gerade im Weißen Haus ausbreitet, wird einem richtig mulmig, wenn Mafia so unkritisch, ja direkt bewundernd dargestellt wird.

Schneewittchen

Das Momentum des Widerstandes,

auf das das wache Amerika geradezu sehnsüchtig wartet, ist in dieser ordentlichen Hollywood-Repertoire-Verfilmung von Marc Webb nach dem Drehbuch von Erin Cressida Wilson, Dorthy Ann Blank und Richard Creedon sehr schön herausgearbeitet worden.

Schneewittchen (Rachel Zegler) steht der Herrscherin und bösen Stiefmutter (GalGadot) samt ihrem martialischen Staatsappart vor mächtiger Schlosskulisse unbewaffnet gegenüber. Hinter ihr die Stadtbewohner, vor allem Frauen in eindrücklicher Chormenge.

Schneewittchen soll verhaftet werden. Sie ergreift das Wort. Sie erinnert die Soldaten an ihre Herkunft. Sie kennt sie namentlich aus ihrer Jugend. Sie erinnert an die gute Zeit unter ihrem Vater als König. Der Machtbann ist gebrochen, das Momentum des Widerstandes in Gang gesetzt.

Ob die Amerikaner spüren, was die Szene ihnen erzählen will und ob sie deswegen dem Film zu einem größeren als dem kalkulierten Erfolg verhelfen?

Es ist konventionelles Kino mit den Fundusmitteln Hollywoods erzählt. Das heißt zuerst, dass viel Sorgfalt verwendet worden ist auf die der Geschichte immanente Dialketik, die den Fortgang bestimmt. Das hat eine zwingende Folgerichtigkeit. Die Ausschmückungen bremsen nicht, sie sind opulent, wie es eben Hollywood ist. Wenn es Eichhörnchen gibt, dann ein Heer davon und ein Igel ist genauso wenig an Niedlichkeit zu toppen.

Schön ist schon der Anfang mit dem Märchenbuch, den wunderbar dekorativen Inkunabeln und den süßen Tieren drum herum. Das glückliche Leben unter einem gütigen König wird üppig geschildert. Schneewittchen ist noch ein Kind (Emilia Faucher). Der Tod der Mutter wird unsentimental erzählt und nur symbolisch bildhaft umgesetzt. Die Stiefmutter hält Einzug am Hof, beseitigt den König.

Schneewittchen von ihrer Stiefmutter stiefmütterlich ins Abseits gestellt. Wie Schneewittchen eine junge Frau ist, begegnet sie Jonathan (Andrew Burnap). Ein typisch jugendlicher Held. Sie befreit ihn.

Die Stiefmutter ist herrschsüchtig, eitel. Der Spiegel meint, dass Schneewittchen die Schönste im ganzen Land sei. Sie muss beseitigt werden. Aber sie kann fliehen usw. Die Geschichte darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Die Filmemacher haben gar nicht erst eine Umdeutung oder Veränderung versucht, so weit trifft wohl der Begriff des Repertoir-Kinos zu. Es ist auch als Musical angelegt. Die Darsteller singen hervorragend und die Tanznummern des Chores erinnern ebenfalls an das gute, alte Stadttheater, so wie Kostüme und Ausstattung, halt im Maßstab eines Hollywoodstudios. Denn wenn einer hier mit dem Vorhandenen umgehen kann und die entsprechenden Leute hat, so kann durchaus etwas Taugliches und Anschaubares herauskommen dabei; die Klassiker, so wie wir sie kennen.

The Last Showgirl

Diese Vergänglichkeit

Die Vergänglichkeit ist unbestritten eines der großen, wenn nicht das große Thema der Menschen. Mit dem Tod wird das ganze Leben eines Menschen, sein Werk in Frage gestellt wie die Beziehungen zu den anderen Menschen auch. Der Drang des Menschen, sich unsterblich zu machen in seinen Werken und Taten, ist enorm. Der Gedanke eines Individuums, sich den eigenen Tod vorzustellen, eine Welt ohne einen selbst, ist zumindest schwer, wenn überhaupt erträglich.

Gerade in den Geschäftszweigen, die von Jugendlichkeit und Schönheit leben, wiegt der Gedanke an die Vergänglichkeit besonders schwer. Dem Schmerz darüber hat jetzt Gia Coppola nach dem Drehbuch von Kate Gersten diesen Film, dieses wundervolle Gemälde über die Vergänglichgkeit und den Umgang der Menschen damit, gewidmet.

Die all diese Gefühle mit Würde in sich vereinigt und darstellt, ist Pamela Anderson, mit faszinierender Schönheit, der reine Vergänglichkeitsschmerz, aber gleichzeitig auch den Eindruck vermittelt, dass sie unberührt sei davon, dass sie darüber steht, dem Thema einen Hauch Unvergänglichkeit verleiht. Das ist es, was dem Film eine hohe Gültigkeit weit über das Individuelle hinaus gibt.

Shelly hat ihr Berufsleben lang als Tänzerin im Razzle Dazzle in L. A. getanzt. Sie hat es geschafft, Generationen von Frischfleisch zu überleben, auch dank ihrer Schönheit, Beweglichkeit und Grazie.

Film und Maske versuchen den Altersunterschied wegzuretuschieren. Ihr Ex Eddie (Dave Bautista) ist der Inspizient. Er wird dem Ensemble die traurige Nachricht vom Aus der Show nach 30 Jahren übermitteln.

Einblick in die Branche geben Gespräche mit Eddie, mit Kolleginnen, mit ihrer Tochter Hannah (Billie Lourd). Brutal wird das Thema der Vergänglichkeit virulent bei einem Casting, das Shelly nach dem Wissen um das Aus der Show mitmacht. Da erfährt sie direkt, was gefragt ist.

Neben Pamela Anderson beeindruckt hinsichtlich Alter Linda Montana als eine Frau, die ihr Alter nicht versteckt und noch in einer Cocktail-Bar als sexy Girl in Mini-Uniform, Brustbetonung, neckischem Hütchen und Glitzerfrack bedient. No Business like Showbusiness, aber it’s a hard und gnadenloses Business, gerade für die, die nicht berühmt sind.

Ninotschka sucht den Frühling

Ein Wintertraum

DDR-Heimatfilm, DDR-Idylle, DDR-Bergfilm, DDR-Kinderfilm, DDR-Biedermeierfilm, DDR-Klinikfilm, DDR-Illusionsgeschichte.

Man muss nur stark genug träumen, dann wird das Unmögliche wahr, dann wird aus einer ordinären Speisezwiebel eine Tulpe und aus dem Winter wird Frühling. Das ist die Lehre des russischen Majors (Jürgen Frohriep) an die Titelfigur Ninotschka (Catrin Hennig), ein munteres Mädchen, das mit ihrer Mutter, Schwester Lusja (Ingrid Föhr) tief in den Bergen, traumhaft verschneit, in einem aus einem Chalet gebauten Herzsanatorium lebt.

Ninotschkas Spielfreund ist Waljerka (Andreas Schlarmann), ein etwas größer gewachsener Bub, der ihr auch mal die Schneehütte kaputt haut; was aber nach Reparatur des Schadens keine Friktion in die Kinderfreundschaft bringt.

Sonst gibt es in der Einsamkeit niemanden, außer noch dem Hausmeister Onkel Timofei (Harry Hindemith). Dessen Drähte zu Kindern halten sich in Grenzen.

Da lässt sich der Fliegermajor und Kurgast mit Herzproblemen mehr auf Ninotschka ein, hilft ihr beim Bau der Schneehütte, unterstützt ihre Raumfahrtsfantasie, holt sie wieder vom Baugerüst herunter, das die Startrampe darstellt, und auf der Waljerka sie schmählich hat sitzen lassen. Er ist es, der die Illusion mit der Tulpenzwiebel unterstützt. Aber er muss auch wieder abreisen.

Dieser DDR-Film ist von 1972/73 von Ursula Schmenger, die mit Doris Wildbrandt auch das Drehbuch frei nach der Erzählung von E. Zujurupa geschrieben hat. Er spiegelt eine heile Welt, die von kleinen Missetaten nicht erschüttert werden kann. Vermutlich legt er Zeugnis ab über den DDR-Winterschick von damals, besonders die beiden Kinder tragen recht aparte Klamotten, aber auch bei den Erwachsenen ist ausgewählte Eleganz zu beobachten; auch das Kinderzimmer von Ninotschka ist auffällig bunt und elegant.

Und fast möchte man den Film als ein Dokument der Klimageschichte sehen, wann haben wir zuletzt so einen Winter gehabt? Vor allem scheint er ausgiebig zu sein, das erzählt der Film deutlich. Das Bild mit der Speisezwiebel, aus der eine Tulpe werden soll, ist vermutlich als subtiler Kommentar zum stotternden Idealismus der DDR zu verstehen.

Niki de Saint Phalle

Traumatisiert

Dieses Biopic über Niki de Saint Phalle konzentriert sich auf ihre frühe Zeit und stellt sie vor allem als eine traumatisierte Frau dar, hobbymalende Arztgattin mit zwei Kindern, die oft in psychiatrischer Behandlung ist. Es sind Amerikaner aus Boston, bilingues, die in Paris leben.

Die Behandlungsmethoden in der Klinik wirken archaisch, Elektroschocks und anfangs keine Aktivitäten. Aber hier fängt Niki de Saint Phalle an, sich künstlerisch zu betätigen, mit Materialien zu arbeiten, zu kleben, Collagen zu machen. Ihr Trauma ist Missbrauch durch ihren Vater, der offenbar keine Frau unberührt lassen konnte. Deshalb zeigt der Film oft Krämpfe, die die Darstellerin der Künstlerin, Charlotte Le Bon, spielen muss. Auch der latente Hang zur Selbstverstümmelung wird illustriert mit Blicken in ihre Vorräte an gefährlichen Instrumenten bis hin zur Pistole.

Prägend für das Bild, was der Film von der Künstlerin entwirft, ist die erste Szene mit ihr als Fotomodell für Schmuck. Hier führt der Film seine dominierende Methode der Halbnah-Aufnahmen ein. Später fließt die Info in den Film ein, Bresson habe sie für eine Filmrolle besetzen wollen; sie lehnt ab und wolle nicht tun, was andere ihr vorschreiben.

Mit der Besetzung von John Robinson als ihr Gatte Harry Mathews ist nicht weiter überraschend, dass sie offenbar keine Probleme hat, sich zu trennen. Aber auch Damien Bonnard als Jean Tinguely bleibt wie Staffage.

Der Film von Céline Sallette, die mit Samuel Doux auch das Drehbuch geschrieben hat, schafft es, keine Kunstwerke der Künstlerin zu zeigen, schon gar nicht die Nana-Figuren, mit denen sie später berühmt geworden ist.

Und auch von Tinguely gibt es nicht eine seiner berühmten Maschinen zu sehen, lediglich Materialien in seinem Garten und einmal stehen ein paar Künstler vor so einem und der Zuschauer muss es sich denken, hört nur die Geräusche, die nicht so penetrant sind, dass sie den Nachbarn aus dem Busch locken.

Während die Dokumentation über Jeff Koons nachvollziehbar herleitet, warum und wie Jeff Koons zur Kunst und gerade zu derjenigen, die ihn auszeichnet und berühmt gemacht hat, gekommen ist, bleibt der vorliegende Spielfilm die Antworten auf diese Fragen schuldig. Und wie er uns die Kunst der Niki de Saint Phall vorenthält, so versteckt er ihre Persönlichkeit hinter der Modelmaske, selbst wenn die kunstbeserkert oder Ausbrüche spielt. Vielleicht ist dieses Biopic nicht ganz so begabt wie die darin beschriebene Künstlerin.

Lars ist LOL

Frühe Solidaritäts- und Liebeskonflikte

Volksschule in Norwegen. Die Schulwegfreundinnen Amanda (Lilly Winger Schmidt) und Sara (Norah Lulu ali-Amoafo) sind jetzt in der Klasse, in der sie Buddys für die Neuzugänge aus dem Kindergarten werden sollen.

Für Amanda hat sich Lehrerin Janne (Marianne Mork Larsen) etwas ganz besonderes ausgedacht. Sie soll der persönliche Buddy des Neuzugangs Lars (Adrian Overjordet Vestnes) sein. Er hat das Down Syndrom, lebt mit seinem sympathischen Vater (Oystein Roger) in einem entzückenden Holzhaus. Vater ist liebevoll bemüht um seinen Sohn.

Amanda ist nicht begeistert. Sie ist verliebt in den kirschäugigen, schwarzlockigen, etwas untersetzten Adam (Ilias Bouyambib) mit dunklem Teint; hat Hemmungen, es ihm zu sagen. Sie bringt es aber nicht über sich, den Buddy-Job für Lars abzuweisen. Sie begleitet ihn auf dem Nachhauseweg. Beim zweiten Mal, bittet er sie, reinzukommen. Da denkt man, jetzt hat der Film von Eirik Saeter Stordahl, der mit Iben Akerlie auch das Drehbuch zu diesem entzückenden Movie geschrieben hat, sein Pulver schon verschossen: Amanda wird eines Besseren belehrt und in eine überraschende Welt voller Wunder eingeführt. Und das wars dann.

Der erste Teil stimmt. Lars ist ein Zauberfan, sie hat Harry Potter gelesen. Er führt sie in die Zauberwelt ein, begeistert sie. Ihr Konflikt ist, sich in der Öffentlichkeit mit dem offenen Lars zu zeigen und gleichzeitig an Adam ranzukommen.

Bei anderen Mädchen meldet sich die Bitch in ihnen. Sie sind missgünstig oder was auch immer. Sie setzen eine Mobbing-Seite gegen Lars ins Netz und sie erpressen mit Videos und Fotos Amanda. Diese übt Verrat an Lars. Der Skandal fliegt auf, muss in der Schule behandelt werden. Lars will nichts mehr von Amanda wissen.

Die Konfliktlösung liegt im Masken- und Zauberspiel, unterstützt vom verständigen Lehrer Stein (Nicolai Dahl Hamilton). Aber auch das gelingt nicht auf Anhieb.

Der Film ist eine wunderbare Geschichte über Toleranz und Coming-of-Age, über Fantasie, wie der Umgang mit Behinderten eine Bereicherung sein kann und wie Theater und ein Bisschen Zauberei durchaus ein Mittel zur Konfliktbeilegung sein können.

Die Akademie

Pain Ting

Ob das Wort Pain nicht essentiell im Wort Painting enthalten sei, das ist eine dieser kunstphilosophischen Fragen, die der Film von Camilla Guttner aufwirft. Dass Kunst mit Schmerz verbunden sei. Dass Kunst die Menschen bewegen soll. Dass es um Provokation gehe, um Wahrhaftigkeit, um die Notwendigkeit zu malen.

Die Filmemacherin siedelt ihren Film im Milieu der Münchner Kunstakademie an. Sie schildert es begeistert kunstvoll. Wobei der Filmeschauer, der ab und an an dieser Akademie vorbeikommt, wenn im Arri in München Pressevorführungen sind, einen deutlich nüchterneren Eindruck hat, von außen. Aber das sind filmische Mittel zur Evozierung einer Atmosphäre in dieser Schmiede der Kunst, die in ihrem Betrieb, wie zu hören ist, lange nicht so verschult sei, wie beispielsweise die Münchner Filmhochschule.

An der Kunstakademie haben sich die Studenten für die Klasse von einem Professor zu entscheiden und der muss einverstanden sein. Als zwei Grundtypen dieser Spezies werden der berühmte Prof. Copley (Jean-Marc Barr) und als negatives Exemplum Prof Roeg (Andreas Lust) eingeführt.

Beide Professoren haben ihre Macken, ihren Namen, erzählen viel über die Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit von Kunst. Roeg verhält sich zynisch-arschig; die Studenten protestieren gegen ihn.

Die durch den Film ziehende Hauptfigur ist die Erstsemester-Studentin und sehr begabt offensichtlich, Jojo (Maja Bons); sie ist mit einer gewissen Naivität behaftet und lernt sowohl den Lehr- als auch den Kunstbetrieb als gnadenlos kennen mit dem ewigen Assisten Manfred (Felix Phönix Lehmann), der die neue Studentin auf dem Kieker hat.

Es tummelt sich eine bunte Vielfalt an Figuren an so einer Akademie und das Biotop scheint den Schauspielern, die vornehmlich aus dem deutschsprachigen Subventionsteich zu stammen scheinen, gut zu tun. Sie wirken freier, enthusiasmierter.

Der Kunstbetrieb selbst wird durch den Kakao gezogen. Mit dem Nachwuchstalent Siri Grün (Luise Aschenbrenner), die ihre Familiennamensfarbe auch als Kunstfarbe verwendet. Oder mit dem schmierigen Prof. Koenig, den Michael Brandner spielt, wie ein aufgeplusterter Komparse, der endlich mal ein paar Sätze sagen darf und damit den Münchner Schickis einen Denkzettel verpasst. Und es gibt auch den Psychopathen-Künstler, den Christoph Luser verkörpert.

Es ist eine muntere Schilderung der Atmosphäre an dieser Akademie, dem ganzen Getue, den Hoffnungen, den Enttäuschungen (auch familiäre werden eingebaut, vom tollen Künstler, der sich nicht um Frau und Kinder kümmert, vom Freund, der sitzen gelassen wird, oder von der Kommilitonin, die schnell von der gemeinsamen Ausstellung abrückt, wie es nicht mehr opportun erscheint) oder von Mama (Katja Brenner) oder Oma (Isolde Barth) der Protagonistin.

Man sieht einmal mehr, wie schwer es ist, über Kunst zu reden, ihr Qualitäten zuzuschreiben oder abzusprechen und wie leichtsinnig das manch einer tut. Als dramaturgischer Leitfaden ist die Jahresausstellung eingebaut, bei der sich zeigt, wer die Gunst von wem hat (so explizit wird das hier dann aber doch nicht verhandelt).

Das Licht

Berlin bei Regen –
Das Geleit

Berlin bei Regen ist schön, so schön, als hätte ein Canaletto es gezeichnet und die heutige Technik noch einen Regen davor, faszinierendes Licht, faszinierende Stadtstrukturen und Stadtlinien.

Tom Tykwer drängt nach Jahren der Serienarbeit wieder ins Kino. Und will es uns zeigen. Allerdings fängt es etwas geschmäcklerisch an. Mit dieser Fahrt über die Stadtansicht auf ein Wohnhochhaus zu und dann auf ein Fenster und dahinter sitzt die Protagonistin Farrah (Tala al Deen) vor einer Stroboskop-Lampe, deren grelles Licht ständig an- und ausgeht, in schnellem Wechsel.

Vor solchen Flacker-Effekten wird heute gerne im Vorspann gewarnt; hier nicht. Stattdessen kommt auf Schwarztafel eine Erklärung zum Geleit. Für mich war da der Film zu jung, man muss ja wie mit den Augen, wenn man aus dem Hellen ins Dunkel geht, diese erst adaptieren und so müssen sie es auch beim Film tun. Wenn da eine relativ theoretische Erklärung als Texttafel kommt für einen Sachverhalt, der erst Stunden später im Film relevant wird, und wenn in dem Moment noch ein verspäteter Zuschauer sich durch die Reihen quetscht oder man noch nicht voll konzentriert ist, so kann einem ein entscheidender Grundstein für das Verständnis des Filmes fehlen. Wenn also in dieser Phase schon ein entscheidender, inhaltlich entscheidender Text und dazu noch vollkommen abstrakt kommt, so ist er für mich jedenfalls nicht rezipierbar und schafft einen schmerzhaften Verständnisdefekt für den Rest des fast drei Stunden langen Werkes.

Vor allem kommt die Ausführung oder Erklärung dieser Geleitmethode erst Stunden später. Da schieben wir die Schuld eindeutig auf den Film. So viel wird klar, diese Methode dürfte etwas mit Traumabewältigung zu tun haben.

Es geht um die Familie von Farrah, die aus Syrien übers Meer geflüchtet ist in einem Seelenverkäufer, so viel wird auch klar. Unklar bleibt, warum sie dieses Geleit braucht und warum sie es ausgerechnet in einer deutschen Intellektuellenfamilie sucht, die recht gut situiert scheint.

Vater Lars Eidinger hat etwas mit Kampagnen zu tun und Mutter Nicolette Krebitz ist in der Entwicklungshilfe in Kenia engagiert und fliegt ständig hin und her. Sie hat mit einem Afrikaner den Sohn Dio (Elyas Eldrige) und mit dem Deutschen zwei halberwachsene Kinder, den Sohn, der ständig in virtuellen Welten und deren Games zu Gange ist, und die Tochter, die noch nicht mündig ist, aber bereits abtreiben muss.

Allein in diese Familie ist bereits ein Wust an Themen reingepackt, Nebenthemen, denn das stellt sich heraus, der Anlauf für das Geleit ist zweispurig.

Es gibt die Installation, in der das stattfinden soll. Die wird in Etappen als theatraler Raum, als Performance-Raum eingeführt.

Andererseits muss sich Farrah ihre Geleit-Familie angeln. Das wird auf hochdramatischem Wege initiiert, mit viel Theaterdonner, wenn man so will. Da ist die Mutter auf dem Rückflug von Kenia und gerät in horrible Turbulenzen. Da ist die Putzfrau der Intellektuellenfamilie, die den Pizzaboten aus der eigenen Tasche bezahlt. Der wird Minuten später vor dem Haus von einem LKW tödlich überfahren, während die Putze in der Wohnung tot zusammenbricht. Das wäre ein herrliches Gebiet für alle Psy-Forscher in der Nachfolge von Professor Bender aus Freiburg.

Jetzt erst ist der verpeilte Weg frei für Farrah in die angepeilte Wohnung. Und sie wird tatsächlich engagiert als Putze. Sie wird mehr leisten. Sie hat vielleicht Theorema von Pier Paolo Pasolini gesehen, sieht sich selbst in moderner Gendervariabilität als späte Nachfolgerin von Terence Stamp. Dieser hatte eine verkorkste Industriellenfamilie emotional aufgewühlt, indem er alle, Vater, Mutter, Tochter, Sohn in sich verliebt gemacht hat. Aber vielleicht hat sie auch nur ein spätes, britisches Remake, The Visitor gesehen, in dem es deutlich konkreter zur Sache geht als noch zu Pasolinis Zeiten; dagegen wirken Eidingers Nacktauftritte wie die eines Konfirmanden.

Leider jedoch befinden wir und sie uns nun im deutschen Kino, das von weisungsgebundenen TV-Redakteur abhängig und entsprechend unmündig ist und lieber mit Erklärungen arbeitet, als dass es Dinge spielen lässt.

Hierin ist Tom Tykwer vielleicht durch die viele Fernseharbeit deutlich geprägt. Nur ein Beispiel: wie Farrah mit dem Vater vor einem Späti sitzt, da erklärt sie. Oder er und seine Frau befinden sich in einer Paartherapie. Ja, auch das muss sein zur Erklärung der Kaputtheit der Familie.

Indem das deutsche Kino auf diese große Phase des italienischen Kinos verweist, stellt es sich selbst in Frage. Vielleicht möchte es die laut und deutlich vom Zuschauer beantwortet haben: dass es eben ein anderes Kino gibt als nur das subventionierte, wettbewerbsfeindliche, fernsehabhängige deutsche, das jetzt mit der Trennung des deutschen Filmpreises vom staatlichen Preisgeld immerhin zu einem kleinen Stück Ehrlichkeit zurückgefunden hat; das bleibende Verdienst der scheidenden Kulturstaatsminsiterin Claudia Roth um das deutsche Kino. Ausreichen dürfte das nicht.

Ein paar Kamerapositionen von der Decke herab erinnern an den frühen, wunderbaren Tom Tykwer. Heute sehen wir, was das deutsche Fernsehen aus ihm gemacht hat. Vielleicht weint der Himmel über Berlin deshalb so oft. Da können die netten Gesangs- und Tanznummern auch nicht helfen, die überladen die Sache nur noch mehr.

So wird denn nicht klar, was Tykwer uns mit dem Film erzählen will, ob er gleich die ganze Welt kinematographisch erfassen und damit retten möchte? Dafür ist er zu jung, um der Welt bereits sein Opus magnum zu hinterlassen wie Francis Ford Coppola mit Megalopolis oder Martin Scrosese mit Killers of the Flower Moon.

Baby

Schön schwul schwülstig

melodramatisch und ein bisschen Soziodram (die Herkunft des Protagonisten).

Ein junges Schwulenleben in Sao Paolo zwischen Knast, Strich, Drogen, Liebessehnsucht, Liebe, Liebesenttäuschung und irgendwo ist noch die Mama.

Es ist die Suche nach Halt, nach Geborgenheit, nach einem stabilen Rahmen für das Leben, nach einem verlässlichen Menschen, die Baby (Jao Pedro Mariano) in Bewegung hält – und damit den Film von Marcel Caetano, der mit Abriel Domingues auch das Drehbuch geschrieben hat.

Es gibt einen Moment großer, irgendwie totaler Freiheit. Baby wird aus dem Jugendknast entlassen. Er ist 18. Ein unbeschriebenes Blatt, mindestens was die Zukunft betrifft. Es ist dieser Moment, keine Aufgehobenheit im Knast mehr, aber auch kein Zuhause, kein Geld, keinen Menschen zu dem er gehen könnte; zur Mutter vielleicht, aber da ist der abgestürzte Vater davor. Es ist der Moment, in dem alles offen ist, in dem alles passieren kann.

Dieser Moment dauert nicht lange. Ins Heim, wie von einer Sozialarbeiterin vorgeschlagen, will Baby nicht. So bleibt nur die Vergangenheit als Orientierungspunkt, da der Protagonist offenbar auch frei von Visionen ist. Er biegt ein in den Park.

Eine Transengruppe nimmt ihn fröhlich auf. Er hat schon ein Leben, auch ein Sexleben, hinter sich. Und für etwas wird er ja auch im Knast gelandet sein.

In einem schwulen Pornoladen will er sich mit Ronaldo (Ricardo Teodoro) vergnügen. Der weist ihn brüsk von sich. Er ist 42 und will Geld, ein Profistricher. Nachher treffen sie sich doch, sind sich sympathisch. Baby kann bei Ronaldo unterkommen. Sie arbeiten ab jetzt gemeinsam. Zum Strich kommt das Verklickern von Drogen.

Der familiäre Hintergrund von Ronaldo ist bunt. Er war verheiratet mit Priscila (Ana Flavia Cavalcanti). Die lebt jetzt mit dem Ronaldos halbwüchsigem Sohn und mit Jana (Bruna Linzmeyer) zusammen.

Das Schicksal schubst Baby im Leben hin und her. Er ist bereit für vieles. Aber er macht auch nicht alles. Es kommt zu Verwerfungen mit Ronaldo, mit den Drogenlieferanten Torres (Luiz Bertazzo).

Baby lernt Ale (Marcelo Varzea) kennen, einen wohlhabenden Bürger, der getrennt von seiner Frau lebt. Hier bahnt sich Liebe an, bis die Knastgeschichte rauskommt.

Das Melodram meldet sich stärker mit einem Besuch bei der Mutter, die nicht mehr in Sao Paolo wohnt. In Sao Paolo läuft Baby immer wieder die Vergangenheit über den Weg.

Themenbedingt gibt es schöne männliche Körper zu sehen, auch nackt, aber auch weniger schöne. Baby, das macht ihn sympathisch, ist jedem seiner Freier liebevoll zugewandt. Eine lebensfreudig-leichte Note bringt eine Gruppe von Straßenunterhaltern in den Film.