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Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben

Eindrücke auf die Schnelle:

Tschernobyl und Grenoble, dass man die beiden aussprachetechnisch verwechseln kann, signalisiert die Spannbreite des Humors und den Grad der geistigen Ermüdungserscheinung (vollendet noch durch die lähmende deutsche Synchronfassung) der Erfolgsmarke „Stirb langsam“ über die Jahrzehnte. Der Zusatz im Titel „ein guter Tag zum Sterben“ sollten treffend abgewandelt werden in „ein guter Tag zum Aufhören“. Denn für einen Abgesang auf die Marke „Stirb langsam“ würde die Ausgabe von 2013 vielleicht gerade noch taugen, als Sterbebildchen könnte man die andächtig schönen Zeitlupenaufnahmen vom in Agonie taumelnden russischen Mil Mi-26-Hubschrauber in den Ruinen von Tschernobyl hernehmen.

Waren die ersten Stirb-langsam-Filme vielleicht noch so aufregend wie Tschernobyl anno 1986, so ist der Nachkomme von heute mit einem Bruce Willis im Rentner-Alter noch so filmergiebig wie eine Après-Ski-Party in Grenoble.

John McClane verbringt einige Abenteuer-Tage mit seinem Sohn Jack in Moskau. Sie spielen dort CIA-Agenten in einem den Zuschauergeist wenig fesselnden, routiniert hergestellten Böse-Russen-Gute-Amis-Weltbild (Buch: Skip Woods und Roderick Thorp, Regie: John Moore), ballern viel um sich und müssen sich selbst oft in Sicherheit bringen. Der Torso des Films besteht vornehmlich aus einer einzigen massenhaften Autoschredderei auf den Straßen Moskaus. Der Schlüssel zur Lösung des Falles liegt in Tschernobyl. Das angereicherte Uran dort mag zwar realiter noch Jahrtausende strahlen, cineastisch ist es längst angestaubt und wenig sinnstiftend, wird lediglich verwendet für ein moderates Leichenbegängnis im geistig entsprechend verlangsamten Rhythmus.

Es ist eine süß-sentimentale, konfliktfreie Vater-Sohn-Geschichte eingebettet in ein unehrliches, raues Milieu, dessen Schilderung durchaus belegt, dass das formal-technische Know-How für Action-Kino vorhanden wäre, das zeigt die flotte Eingangspassage.

Nostalgie-Urlaub eines Altstars. Dafür und für das Stehengebliebensein in einer anderen Zeit spricht, dass Bruce Willis auf seinem Flug nach Moskau eine uraltmodische CIA-Papp-Kladde mit sich trägt, was möglicherweise als Gag gedacht ist.

Bruce Willis zeigt: alte Helden können am Filmset sehr müde, aber glücklich strahlend wirken, selbst wenn um sie herum das Agenten-Actionalphabet gebetsmühlenartig durchdekliniert wird. Dekorativ wird ihm ein Sohn zur Seite gestellt, der dem Hollywood-Pensionär garantiert nichts entgegensetzen wird. Darüber können auch die hochprofessionell hergestellten Pointen nicht hinwegtäuschen, die immer in die heftigsten Gefechtslagen eingeschoben werden und gelegentlich eine Vater-Sohn-Differenz vortäuschen sollen.

R.I.P. John McClane.

Findet Nemo 3D

Der Erfolgsfilm „Findet Nemo“, der 2003 in die Kinos gekommen ist, hat laut IMDb bis Ende Dezember 2012 über 900 Millionen Dollar eingespielt. Jetzt, zehn Jahre später, reicht der Autor und Regisseur Andrew Stanton eine sorgfältige 3D-Fassung nach, die wunderbar die Tiefen von Meer und Aquarien, aber auch von Korallenriffen und Fischschwärmen und versunkenen Schiffen und dem Hafen von Sydney und das Innere eines Walfisches cineastisch auslotet.

Man sitzt als Zuschauer wie mit plattgedrückter Nase an der Glaswand einer Wunderwelt und lässt sich atemlos bezaubern. Denn auch die Geschichte ist stark, nicht umsonst der Erfolg.

Schon die Geburt von Nemo, dem kleinen Clownfisch, ist mit Unglück verbunden. Ein Hai dringt ins Korallengebiet ein, in dem Marlin mit seiner Frau vierhundert, nun was sind das: Eier abgelegt hat; sie haben noch diskutiert, wie sie ihren Nachwuchs nennen wollen. Die Hälfte sollte Marlin heißen, die andere Hälfte nach der Mutter Cora. Und einen einzigen wollte der Papa Nemo nennen.

Nach dem Unglück nun blieb ein einziger übrig. Das war Nemo. Dann kommen die Titel. Nemo geht jetzt zur Schule. Er soll alles lernen über die Gefahren des Meeres. Nemo hat noch einen weiteren Makel, außer dem Verlust der Mutter, er hat auch eine Behinderung, denn eine Seitenflosse ist verkümmert, ist viel zu klein. Brisant-Thema Inklusion auch ganz nebenbei noch großartig abgehandelt.

Jedenfalls schon am ersten Schultag schwimmt Nemo zielbewusst dorthin, wo es verboten ist: in die Tiefsee. Und prompt wird er von einem Taucher gefangen. Es ist ein Zahnarzt aus Sydney, der diesen Goldfisch mit den drei Streifen für das Aquarium in seiner Praxis mit Ausblick auf die Oper von Sydney mitnimmt.

Der Papa will Nemo unbedingt wiederfinden. Aber wo? Da wo er verschwunden ist, findet sich noch die Taucherbrille des Zahnarztes und auf dem Brillenband ist seine Adresse aufgeschrieben. Aber Marlin kann nicht lesen (auch das durchaus ein aktuelles Thema). Zum Glück trifft er auf Dorie, ein blaue Fischdame mit Gedächtnisverlust (noch so ein Thema). Aber sie kann lesen. Das kann ja heiter werden. Und Sydney ist weltenweit entfernt.

So ist Platz genug für unglaubliche Gefahren und Verfolgungsjagden; Minenfelder aus dem Krieg müssen durchquert werden genau so wie Gebiete mit giftigen Quallenfeldern. Aber auch Haifische, die Veganer werden wollen, sind immer noch eine Gefahr. Fischschwärme kommen vor, die wie bei einem Figurentanz Antworten auf Fragen geben und Schildkrötenmassen auf ihrer langen Reise um die halbe Welt kennen die besten Strömungen von Kontinent zu Kontinent. Dann sind aber auch industrielle Fischer mit riesigen Fangnetzen unterwegs.

In Sydney schließlich hat es die Zahnarztpraxis mit den nicht eben sensiblen Behandlungsmethoden in sich mit ihrem Aquarium mit einer wiederum ganz speziellen Lebensgemeinschaft und dem Neuankömmling Nemo. Die planen nun den Ausbruch, was uns Einblick in das technische Funktionieren des Drumherums eines solchen Aquariums gibt, aber auch darin, dass alles was flüssig ist in dieser Praxis, direkt ins Meer fließt. Kommen noch die Pinguine hinzu, nachdem Marlin mit Dorie glücklich den Walfisch überlebt hat.

Aber auch in der Tierwelt zu Meer und zu Luft gibt es einen Gerüchtestrom, und der wird das Missing Link zwischen Vater und Sohn herstellen. Nach dem Happy End in Sydney muss schleunigst die Schulbank im Korallenriff gedrückt werden. Der Alltag hat Nemo – und uns – wieder nach diesem exzeptionellen Abenteuer.

Ende der Schonzeit

Ein Film, haarscharf an einem aktuellen Thema vorbei (das wäre: mittels Samenspende gezeugte Kinder suchen ihre biologischen Väter), ein Film, der in einer Zeit spielt, als künstliche Befruchtung der Frau mit Spendersamen noch nicht möglich war. Ein unfruchtbarer Schwarzwaldbauer greift einen vor den Nazis fliehenden Juden auf und zwingt ihn, mit seiner Frau Nachwuchs zu zeugen. Auf die Review anlässlich des Filmfest München hin meldete sich sogar einer der Hauptdarsteller zu Wort.

Quellen des Lebens

Oskar Roehlers ausführliche Saga einer kaputten Familie, die auch so tut, als sei sie ein Abriss der jüngeren deutschen Geschichte, wobei nicht ganz sicher ist, wie weit sie es vielleicht gerade nicht ist.

Kaputt, kaputt, alles ist kaputt. Die ganze Vorgeschichte der Familie von Oskar Roehler, mit der der Film anfängt. Sein Großvater Erich Freytag kehrt 1949 kaputt vom Russlandfeldzug nach Steinbach in Franken zurück. Unangemeldet, unbegleitet taucht er vorm Wohnblock auf, in dem seine Frau mit den Kindern und die verhasste, grobklotzige Marie wohnt, die mit seiner Frau ein Liebesverhältnis angefangen hat.

Der Sohn Klaus (jung gespielt von Kostja Ullmann, älter von Moritz Bleibtreu) ist schon den Kinderschuhen entwachsen. In ihm sprießen literarische Ambitionen, die von seiner Mutter durchaus unterstützt werden. Jetzt kehrt der stinkige, zerlumpte, zahnlose Vater aus dem Krieg zurück. Seine Schwester will ihn gar nicht ins Haus lassen. So wendet er eine Kriegsweisheit hinsichtlich zermürbender Belagerung des Feindes an und schlägt sein Quartier, obwohl nicht mehr Sommer ist, auf der Parkbank vorm Haus auf.

Sein Sohn bringt ihm Kaffee. Bringt ihn zu einer öffentlichen Dusche. Zivilisiert ihn ganz schnell. Die erste Begegnung des Zuschauers mit ihm war eine von hinten, die Ruhr hat ihm furchtbaren Durchfall verursacht, wovon er sich im Gebüsch zu entledigen versuchte. Die Kamera hat Roehler im Gebüsch aufgestellt. Auch beim ersten Betreten der Wohnung furzt und stinkt der Kriegsheimkehrer was das Zeugs hält.

Unter der Dusche ist „der Dreck der Jahre von ihm abgeflossen“ wie in etwa der Ich-Erzähler und spätere Enkel Robert, wie er im Film heißt, erzählt. Der Sohn kümmert sich um seinen Vater. Beschafft ihm auf dem Schwarzmarkt ein neues Gebiss. Sie besichtigen eine verrottete Fabrik. Die Porzellan-Öfen sind noch brauchbar. Wir befinden uns in Steinach im Fränkischen.

Bald schon wird der Vater zum Unternehmer. Er baut eine Gartenzwergproduktion auf. Roehler erzählt das als ob er die Geschichte an wichtigen Punkten illustriere. Krank macht den Vater schier, dass Mutter zwischen ihm und Marie schwankt, dass Marie ihn kurzentschlossen verlässt.

Auf einer Party des erwachenden Nachkriegslebens in Deutschland, wo vor allem Anwälte den Ton angeben, lernt Klaus Gisela Ellers kennen. Eine ziemlich verrückte, spontane Begegnung. Gisela ist mit einem langweiligen Juristen zusammen. Den schickt sie zum Zigaretten holen, um Klaus anquatschen zu können. Bald schon läuft ihr Gespräch über Literatur, Sartre. Die amour fou hat begonnen mit dieser höchst eigenwilligen Dame Gisela Ellers, die von Lavinia Wilson brillant und im Verlauf des fast dreistündigen Filmes immer exzentrischer gespielt wird, die eine richtig scheussliche Mutter zu Robert sein wird, die dem Kind nicht mal die Brust geben will, weil doch ihr Mann sicher keine Hängebrüste mag. Aber das ist vorgegriffen.

Gisela ist das Kind neureicher Geschäftsleute mit einer Mutter, die nur schreien kann, wenn das auch in der Wahrnehmung des Erzählers so wirkte, für den Filmzuschauer kann es irgendwann nerven, hier streiten sich Filmkunst und realistische Kindheitserinnerung oder ein gewisser Hang zum Schrillen. Die Industriellen-Eltern sind nicht einverstanden mit der Liebe ihrer Tochter zu einem lebensuntauglichen Literaten, der noch nicht mal Erfolge vorzuweisen hat. Einmal ist er im Lokalblatt erwähnt worden. Das hat seine Mutter, eine sehr zurückhaltende, Vertrauen erweckende Darbietung der sonst gerne überdrehten Meret Becker, ihm vorgelesen und war still glücklich darüber.

Klaus selbst würde sich als skeptischen Realisten bezeichnet haben. Dieses Etikett würde vielleicht auch ganz gut zu seiner Mutter passen. Die Ellers wollen nun das junge Paar auseinanderdividieren. Sie schicken die Tochter nach Wien zum Studieren. Da ist die Defloration, eine bilderbuchschöne Szene mit wenig Aufwand, merkwürdig kurz dazu, aber schon längst geschehen.

Manchmal kommen mir die Bilder aus Gründen des gewissen Aufwandkinos, was Roehler hier dank vieler fördernder Institutionen doch betreiben kann, etwa überstatisch vor. Das erinnert aber auch an die Impressionen, die Kinder vom Leben haben. Was er uns bietet, ist eher eine skizzierte, illustrierte Biographie denn eine kinospannende Geschichte, die sich auch immer wieder gerne bei einzelnen Szenen überlang aufhält, zum Beispiel, um wieder vorzugreifen, wenn der kleine Robert in die Pubertät gekommen ist und mit seiner Laura einen Spaziergang in den farnbedeckten Wald macht und sie an einen schlammigen Tümpel kommen und er wie eine Performance anfängt erst sich selber und dann seine Verehrte, er im weißen Hemd, sie im weißen Kleid, mit Schlamm einzudrecken. Also ob Roehler sich kaum von der Erinnerung trennen könne. Er hängt ihr nach. Wobei diese Art von Erinnerung womöglich ganz schön Eigenleben entwickelt.

Wienaufenthalt von Gisela, Sisi. Sie führt ein Bohème-Leben und wie sie kein Geld mehr hat, geht sie auf den Strich. Klaus besucht sie unangemeldet und nimmt sie mit. Ein Kind ist unterwegs. Das wird Robert, der Ich-Erzähler. Jetzt kaufen Giselas Eltern der jungen Familie eine schöne Wohnung. Aber diese junge Bohème-Mutter ist eine schlechte Mutter. Sie ist nur an ihrer Literatur interessiert. Klaus geht es auch nicht gut, er hat prinzipiell Schreibhemmung. Er leidet. Die Familie kann nicht zusammen bleiben. Das Kind kommt erst mal aufs Land zu den Großeltern ins Fränkische. Dort lernt der Bub das Nachbarmädchen Laura kennen. Dann kommt er zu seinem Vater nach Berlin. Wird ein Straßenkind, denn Vater kümmert sich nicht um ihn. Romantik der Verwahrlosung. Bis ihn die Industriellen-Großeltern ins Hotel Kempinski am Kuhdamm einladen. Und gleich mitnehmen. Eine zerrissene Jugend im Nachkriegsdeutschland unter lauten kaputten Leuten. Gern spiegeln die Werke von Roehler diese Zerrissenheit wieder auch als Verweigerung einer wohlig-geborgenen Erzählweise. Drei Jahre im Subproletariat in Berlin.

In der Villa der neureichen Großeltern, die Oma sagt mit lang gedehnten Endsilben Pommees Frittees, erwächst Robert zum aufsässigen Teen, besprayt die Wand mit der Parole „Freiheit für Angela Davis“.

Dann wieder zu den Gartenzwergfabrikanten-Großeltern aufs Land. Neue Beziehung zu Laura, sie abfragen und ficken wollen, sie will aber noch nicht, sie ist noch nicht bereit, so muss er auf Toilette Druck ablassen. Ständig werde ich von meiner Mutter behelligt, was wir den ganzen Tag machen. Man sieht diesem Satz an, dass das nicht alles nur naturalistisch geschrieben worden ist. Oskar Roehler ist kein Gerhard Hauptmann. Er kommt ja aus bereits künstlerisch überdrehten Kreisen. Darum ist ein Gespräch über die Entwicklung der Zentralperspektive bei Breughel ganz selbstverständlich. Genau so wie die erstaunliche Entdeckung, dass auf einem Altdorfer-Gemälde der Weiler auszumachen ist, in dem Laura wohnt.

Ausgiebig ausgebreitet wird die Internatsphase von Robert mit seinen Freunden, der eine, der sich nachts unter der Decke mit Bildern von Nazi-Großadmiral Dons befriedigt, oder der skrupellose Frauenaufreißer, gespielt von Wilson Gonzalez Ochsenknecht („dieser Song ist ein Dosenöffner“).

Auch diese Bündelung und Wertung der Erinnerung ist sicher mehr nach dem Gewicht in der Erinnerung von Roehler ausgewählt, denn nach den Gesichtspunkten einer auf Spannung gebürsteten Geschichte. Das wirkt sehr privat bis privatistisch, was zwar Sympathie erweckt, aber es könnte den Wirkungsrahmen eines solchen Filmes auch deutlich einschränken.

Dann kommt noch das rührende Nierenopfer des kriegsgeschädigten Opas an Oma. Auch wieder so eine Szene, in der Roehler sich ausgiebig suhlt.

Das ist keine Weltraumnutte, das ist deine Mutter.
Der ganz normale Wahnsinn, hämmerte seinen Kolben in die Mutter wie eine Dampfmaschine.
Berlin in den 60ern. Die Mauer.
Marx hatte recht, das ökonomische Denken bestimmt den Menschen.

Wir werden Zeuge der Geschichte einer Familie, in welcher von Anfang an der Wurm drin ist, und in die immer wieder die Weltgeschichte und die Deutsche Geschichte mit hineinspielen, in Form von Krieg oder des aufkommenden Wohlstandes ebenso wie Italienreisen. Oder der Berliner Mauer. Oder eines Willy Brandt am Fernsehen. Nicht systematisch oder nach erzählerischen Standpunkten gestrafft, sondern nach den individuell roehlerschen ausgebreitet; wie soll sich ein Mensch mit so einem kaputten Hintergrund auch den sowieso schwer erlernbaren Regeln cinematographischer Spannungserzeugung und Erzählens beugen.

Ein höchst persönliches Werk, was 60 Jahre Bundesrepublik in ein grelles Schlaglicht taucht.

Celeste & Jesse

Heiraten oder gute Freunde bleiben; sich trennen von Wohnung und Bett, und trotzdem gute Freunde bleiben, darum geht es hier, ein sicher nicht zu weit hergeholtes Thema, das uns Lee Toland Krieger nach einem Drehbuch von Rashida Jones und Will McCormack schmackhaft zubereitet.

Celeste und Jesse sind ein verheiratetes Paar. Und getrennt. Er wohnt jetzt in der Garage, ist wenig erfolgreicher Künstler. Sie ist im Haus wohnen geblieben und ist erfolgreich mit ihrer Agentur. Seit sie sich getrennt haben und sich zu nichts mehr verpflichtet fühlen, haben sie Spaß miteinander wie kleine Kinder. Besonders ein Spiel amüsiert sie königlich: sie hält einen kleinen Gegenstand, zum Beispiel einen Mini-Maiskolben in der Hand und er reibt daran und so spielen sie mit kindlicher Freude und wie unschuldig Sex bis zum Erreichen des akustischen Orgasmus. Aber es darf sich auch um eine Tube mit Lippencreme handeln, bis das Weiß herausquillt.

Ein mit unserem Protagonisten-Paar dick befreundetes Paar, das dabei ist heiraten zu wollen, kann sich nun mit dieser demonstrativ vorgespielten Lebenspraxis von Celeste und Jesse gar nicht anfreunden. Sie drängen auf richtige Trennung und Neuorientierung der beiden.

Das verläuft bei Jesse schneller und erfolgreicher. Bald schon hat er eine Belgierin geschwängert. Er steht zu seiner Vaterschaft. Die Belgierin hat aber keine Green Card. Also müssen sie heiraten. Davor muss er sich jedoch von Celeste scheiden lassen. Der fällt es allerdings immer schwerer, mitzukriegen, wie sich Jesse emanzipiert. Allerdings wird sie es am Schluss verstehen. Sie wird Gelassenheit gelernt oder auch: das Loslassen gelernt haben.

Das wird an einer Reihe von Szenen klar, in denen es um das Schlangenstehen geht, vor einer Kasse, einem Schalter oder beim Einchecken zum Flugzeug. Diese Reihe von Szenen verdeutlicht auch, was diesen Film so sympathisch macht: dass die Autoren Rashida Jones und Will McCormach, die beide auch mitspielen, Rashida die Hauptrolle der Celeste, von ihrer eigenen Lebenswelt aus gehen, von Dingen um sich herum, die sie beobachten und dann zu symptomatischen Szenen verdichten.

In der ersten Schlangenstehszene herrscht Celeste einen arroganten Vordrängler noch an bis zum Kreuzverhör. In der letzten dieser Szenen zeigt sie große Gelassenheit, lässt einem Gecken cool den Vortritt. Wer nach dem Kino bei der nächsten Schlangstehgelegenheit cool bleibt, der dürfte vom Film was mitgenommen haben.

Jesse und Celestes Lebenswelt, das zeigen auch Inhalte und Vokabular im Film. Es sind junge Menschen in einer In-Welt, keine Außenseiter, keine besonders komplizierten, problembehafteten Menschen. Es sind Wonnepfropfen von jungen Menschen, optimistisch nicht schwerenöterisch, sie nehmen das Leben leicht und am Ende auch gelassen. Vielleicht auch etwas oberflächlich.

Celeste hat ein Buch verfasst mit dem Titel Shitegeist. Auch so eine Szene, wie sie es im Buchladen auf das Gestell der vom Personal vorgeschlagenen Bücher umplatziert und gleich nachfragt, ob genügend Exemplare vorrätig seien.

Ein Film im Life-Style junger Menschen, die sicher Modemagazine mögen und Life-Style-Magazine; denen moderne In-Nahrung wie veganes Essen nicht fremd ist, die Yoga-Kurse nehmen. Die wenn sie eine IKEA-Kommode, so wie Jesse, nicht richtig zusammenbauen können, gleich von Koos und Serra und solchen „Brands“ sprechen. Leute, die auch einen Kostümball mögen und sich da womöglich als originelle Serienkiller verkleiden, mit lauter DVD-Hüllen. Leute, denen auch eine Asia-Massage – bei der sich gleichzeitig mit dem ebenfalls massierten Partner zu unterhalten sehr schwierig werden kann – nicht fremd ist.

Gegen die Vorstellung von ihrem eigenen Geschmack nimmt Celeste eine Sängerin von leicht problematischem Niveau in ihre Agentur auf. Für die Brötchen. Alles dem Leben abgeschaut. Und Spaß haben sie an den Namen der Kanzlei, die die Scheidung vornimmt: „Stein, Weinberg, Steinberg und Jimenez“ (oder ähnlich). Aber auch am Disney-Gebäude aus modernster Architektur in L.A können sie sich genau so ergötzen, wie sie den berühmten Hollywood-Schriftzug offenbar in ihrem Film haben wollen. Selbst Justin Bieber spielt in der Welt ihrer Wahrnehmungen, aus der sie quasi authentisch berichten, ein kleine Nebenrolle.

Bericht aus einer sorglosen, randintellektuellen aber nicht ganz verschlafenen amerikanischen Mittelschicht mit einem guten Feeling fürs Kino und die darin gegebene Möglichkeit zur Selbstdarstellung.

Madison County (DVD)

Eric England, der Autor und Regisseurs dieses Slasher-Movies, meint es nicht unbedingt gut mit seinen Protagonisten. Dabei sind James, Will, Brook, Jenna und Kyle nette junge Menschen aus einer ruhigen, gepflegten Siedlung in einem amerikanischen Kleinstädtchen. Will hat seinem Freund James einen Wochenendausflug vorgeschlagen, zu dem sie die Mädels Brook und Jenna mitnehmen wollten. Denn Will ist in Kontakt mit einem Schriftsteller, der einen blutigen Horror-Roman geschrieben hat. Dieser Autor hat insofern etwas Geheimnisvolles, als er weder über Mail noch über Telefon erreichbar ist. So müssen in langen Intervallen Briefe geschrieben werden. Und auf diesem Wege wurde auch das jetzt beabsichtigte Interview verabredet. Will kann das für seine Abschlussarbeit an der Uni brauchen.

James ist passionierter Fotograf und der hatte die Idee mit dem kleinen Trip, weil er dann auch Fotos von dem Schriftsteller schießen könne. Die beiden Mädels wurden eingeladen, weil die Herren es krachen lassen wollen.

Einziger Wermutstropfen gleich zu Beginn der Reise: der ältere Bruder von Brook, Kyle, kommt ungefragt mit, er hockt sich einfach ins Auto. Dass ausgerechnet der jetzt noch mitfahren will, als Anstandswauwau womöglich, das trübt die Aussicht auf ein ausgelassenes Wochenende etwas. Denn Kyle ist ein finster drein schauender Kerl.

Aber junge Leute können sich arrangieren, die lassen sich so einen Spaß nicht so leicht verderben. Sie wollen nach Madison County. Die Fahrt wird einige Stunden dauern und gegen Ende hin werde es bergig und recht kurvig, kündet der Fahrer an. Und tatsächlich, schon nach wenigen Kurven muss der, der hier als der stärkste, der männlichste charakterisiert ist, Kyle, sich erbrechen.

Man hält also auf einem kleinen, waldigen Parkplatz. Und das zeichnet Eric England durchaus als einen aus, der Ahnung hat von Horror, dass er sich für so einem Moment oder auch für Pinkelpausen, genügend Zeit lässt, genügend Ruhe. So können sich im Zuschauerhirn schon die Gespenster entwickeln, darf das Horrorgefühl angezurrt werden. Es gibt Andeutungen, dass da hinter den Bäumen noch wer ist. Ganz verschwommen.

Einmal sieht der Fotograf auf einem geschossenen Bild etwas Unklares. Um diese Stimmung der aktiven Neugier und Erwartung des Zuschauers noch zu steigern, hat England mit Igor Nemikovsky einen Komponisten engagiert, der sich mit diskreten, dunklen Streichertönen oder mit einigen einsamen Gitarrenzupfern begnügt, eher untertextmässig andeutend, oh, oh, da ist doch was im Schwange, Vorsicht wäre die Mutter der Porzellanschüssel. Statt den Horror noch akustisch zu unterstreichen und zu kommentieren oder gar vorwegzunehmen. Die Musik, die versucht im Zuschauer die eigenen Horrorsaiten zum Erklingen zu bringen. Auf Resonanz spekulierend.

Andererseits nimmt England ganz übliche Situationen her, altbekannte Muster, anders geht es ja auch nicht. Den OARK General Store zum Beispiel. Das Zentrum in der menschenleeren Gegend, schiere Wildnis. Der Laden ist gefüllt mit skeptisch und feindlich dreinschauenden Provinzlern. Obwohl bis jetzt doch alles so normal war. Aber Gäste sind nicht willkommen hier. Das wird deutlich. Und was unsere fünf Reisenden noch nicht wissen können, mit wem sie es nämlich wirklich zu tun kriegen werden, das dürfte demjenigen, der die DVD-Hülle in der Hand gehabt hat, bekannt sein und lässt noch einiges an Blut, das fließen wird, erwarten.

Eric England versucht nicht, das Horrorgenre neu zu erfinden; aber er spielt sein Standard-Repertoire entspannt und subtil animierend wie ein Barpianist auf seiner Klaviatur, die er ausgezeichnet beherrscht. Eine gelungene Etüde in Horror.

Balkanmelodie

Stefan Schwietert, der uns mit „Heimatklänge“ schon einen wundervollen Kinofilm über moderne Varianten des Jodelns anhand von drei Künstlern beschert hat, versucht sich jetzt mit einem komplexeren Thema. Einerseits geht es, wie der Titel sagt, um Balkanmelodien.

Der Sachverhalt wird insofern komplexer und dadurch leider unübersichtlicher, als der Film gleichzeitig eine Dokumentation über das Schweizer Ehepaar Marcel und Catherine Celliers ist, die diese Balkanmelodien schon zur Zeit des Eisernen Vorhanges dem Westen vermittelt haben. Also ein Film über Vergangenheit und Gegenwart, über Vermittler und Vermitteltes. Zur Zeit der Dreharbeiten sind die Celliers schon 55 Jahre verheiratet. Sie wohnen in einem kleinen Anwesen hoch über dem Genfersee mitten in den Rebbergen mit Blick auf den See. Es dürfte sich um eine ähnlich feine Wohnlage handeln wie die von Godard, in dessen autobiographischen Film so ein Blick auf den Genfer See auch zu sehen war.

Es sind wie schon bei den Heimatklängen ein kleine Anzahl von Gruppen und Musikern auf die Schwietert sich konzentriert. Aber das Thema ist ausufernder. Und immer ist wieder Cellier gefragt. Sein Beruf war im Management einer Erz- und Metallfirma. Für diese reiste er oft in die vom Kommunismus beherrschten Balkanländer.

Es geht vor allem um Rumänien und Bulgarien. Hier wurde Cellier aufmerksam auf die indigene, die autochthone Musik, die zu Zeiten des Kommunismus staatlich spitzenmäßig gefördert worden ist (Putin, war neulich zu lesen, wolle jetzt die Don Kosaken staatlich fördern). In großen Betrieben gab es eigens angestellte Orchester.

Cellier fing an mit einem 25 Kilogramm schweren Telefunken-Gerät, später mit einer Nagra, diese Musik aufzunehmen und sie dann auf Schallplatten und in Radiosendungen im Westen bekannt zu machen. Das führte bis zum Gewinn eines Grammys.

Das erste Kapitel ist dem weltberühmten Panflötenspieler Gheorghe Zamfir gewidmet, dem Cellier mit Aufnahmen aus Panflöte und Orgel zum Durchbruch verhalf mit weit über einer Million verkaufter Schallplatten. Mit wachsendem Erfolg, von dem Cellier für sich nur 40 % in Anspruch nahm und damit noch sämtliche Unkosten schulterte. Aber mit dem Erfolg sei auch Zamfirs Gier und damit sein Misstrauen erwacht, was schließlich zur Trennung führte. Heute experimentiert Zamfir noch und unterrichtet.

Das zweite Kapitel fängt mit einem Friedhofsbesuch in Rumänien an. Gräber mit liebevoll angemalten Holzschnitzereien mit Musikern als Sujets. Die Überlebenden erzählen von damals und musizieren noch heute. Auch böse Songs von damals haben sie noch präsent: das Kollektiv hat uns alles gestohlen, gefickt sei die Mutter des Kollektivs.

Das dritte Kapitel widmet sich den Mysterien der bulgarischen Stimmen, „le mystère des voix bulgares“, das sind vier Alben, die Cellier damals mit Gesängen eines Frauen-Elite-Chores herausgegeben hat. Sie singen immer noch. Der Dokumentarist macht mit einigen von diesen Frauen eine Busfahrt mit und besucht eine Probe.

Es gibt ein weiteres Kapitel, das ist dem Gipsy-Pop aus dem Balkan gewidmet. Dazu erzählt Cellier die schöne Anekdote, dass damals, nachdem die Aufnahmen beendet gewesen seien und das Aufnahmegerät im Auto verstaut war, die Musiker ihn nochmals reingeholt hätten und ihm gesagt, jetzt würden sie für seine Seele spielen.

Trotzdem kann man sich von diesem kunterbunten Film mit viel aufregender Musik leicht berieseln lassen, sich auch wundern über die scheusslichen Stadt-, Straßenbahn- und Industriegebietsaufnahmen, die Schwietert über die nervenberuhigendste Musik noch legt.

Das Montagematerial für den Film setzt sich zusammen aus neu erstelltem Dokumaterial und Stadtimpressionen, eigens gedrehten Interviews mit den betagten Celliers in ihrem Haus hoch über dem Genfer See und mit einigen der Musiker, die Cellier damals entdeckt und gefördert hatte, aus Archivmaterial aus Radiosendungen und Fernsehshows und -nachrichten (beispielsweise wie Breschnjew und Ceaucescau Volkstanz tanzen), aus privaten Super-8-Filmen der Celliers, aus Schallplatten und Tonbändern und einer Diashow.

Ein bemerkenswert vielschichtiger Einblick in die politisch geförderte Balkan-Volksmusikwelt zur Zeit des Kalten Krieges.

Cirque du Soleil: Traumwelten

Eine junge Frau, große Augen, schlank, Bubikopf, geht auf einen Zirkus zu. Ein verwitterter, alter Mann drückt ihr ein Flugblatt in die Hand. Es wirbt für einen Aerialisten. Dieses Flugblatt wird Wegweiser und Suchmotto für die junge Frau.

Im Zirkus befindet sich eine altmodische Arena mit Künstlern aller Art. Ein Trapezkünstler schwingt sich durch die Luft (ist es der Aerialist?), stürzt ab. Da, wo er hinfällt, mitten in der Arena, gibt der Boden plötzlich nach, es entsteht ein Sog nach unten, der alles mitreißt, den abgestürzten Künstler genau so wie unsere junge Frau und wie Alice landet sie in einem Wunderland, in einem zirzensischen.

Dieses Wunderland ist nichts anderes als ein riesiges Filmstudio – als solches nehme ich das wahr – das für die wahnwitzigsten Artistendarbietungen hergerichtet ist. Von Synchronschwimmern über alle Arten von Luftkünstlern. Eine mächtige Darbietung versucht die vorherige zu überbieten. Es scheint sich um einen Wettbewerb der Zirkus-Rekorde zu handeln, um einen artistischen Leistungswettbewerb, um eine artistische Leistungsshow.

Es scheint, als ob uns Andrew Adamson, der Autor und Regisseur dieses Filmes vollends zudröhnen will mit Artistik, eine Nummer gewagter als die andere und das meiste in der Luft oder auf sich immer steiler anhebenden Wänden. Von Zirkuspoesie nicht die Spur. Durch den 3D-Faktor wirkt das Ganze eher als eine düstere Angelegenheit.

Den dünnen Faden einer Geschichte beschert uns jetzt ein Clown, der unsere bisher einzige Zuschauerin durch diesen Höllenschlund von Spektakel führt. Es gibt keine Pause zum Verschnaufen. Kein Platz für ein kleines Verdauungsbäuerchen. Eine Sensation reiht sich an die andere. Eine gewagter als die andere. Es gibt nicht einmal Ansagen, die den Kitzel erhöhen würde, es gibt keine „gekonnten“ Fehltritte.

Einzig Close-Ups von Händen, die mitten im Flug nach Unterschenkeln greifen, lassen erahnen, wie kühn diese Darbietungen sind. Bombastische Bombardierung mit Extremartistentum. Gelegentlich begleitet von Beatles-Songs. Wobei die Zartheit von „Black Bird singing in the dead of night“ vom Zirkus-Bombast schier zerquetscht wird.

Gewaltige Maschinerien, die sich bewegen mit großen Rädern, in und um die herum Menschen wie Katzen und Vögel zugleich sich hangeln und werfen und laufen und klammern. Ein Metropolis des Zirkus. Am Schluss wird unser Mädchen vom muskulösen Flugmenschen mit der weißen Pluderhose, der so gar nichts Erotisches hat, genauso wenig wie das Mädchen selber, in die Luft zu einem langen Tänzchen, einem Pas de Deux aerial, entführt. Das soll das Happy End der dünnen Story vor dem Applaus signalisieren. Insofern schade für den Wahnsinns-Aufwand. Hoffentlich haben die Artisten wenigstens eine anständige Gage bekommen.

Inuk

Ein starkes Votum für die Abenteuerpädagogik, was uns hier Mike Magidson, der mit Ole Jörgen Hameken auch das Drehbuch geschrieben hat, in grönlandheller Eislandschaft die von prächtigen, kräftigen Husky-Schlittengespannen durchquert wird, abgibt.

Die matriarchalische Chefpädagogin ist Aviaaja. Sie agiert wie die Leiterin eine großen Konzerns. Sie hat die Übersicht. Rebekka Jörgensen, die Darstellerin der Aviaaja, ist auch im richtigen Leben die Chefin eines Jugendzentrums in Uumannaq. Sie bringt einen bemerkenswerten Real-Life-Impetus in diesen Film. Von diesem Jugendzentrum kommt auch der Hauptdarsteller, der junge Inuit Gabe Petersen, der die Titelrolle Inuk spielt.

Die Geschichte im Film ist die: Inuks Vater war ein berühmter, ja der berühmteste Robbenfänger. Wie Inuk als kleines Kind erkrankte, fuhren die Eltern mit ihm im Schlittengespann einen riskanten Weg übers Eis. Das hören wir im Film mehrfach, dass das Eis immer schlechter wird. Der Hinweis auf den Klimawandel. An einer gefährlichen Stelle wollte der Vater dem Schlitten vorausgehen, um das Eis zu testen. Er ertrank. Die Mutter schaffte es, mit dem Kind zu überleben. Sie zog nach Nuuk, der grönländischen Hauptstadt. War aber allein überfordert mit der Erziehung und Fürsorge für den Jungen. Alkohol, Freundinnen, Rauchen bestimmten ihr Leben und nicht das Kind.

Das Jugendamt übernimmt die Verantwortung. Es verschickt den Jungen in das Jugendzentrum in Uumannaq hoch im Norden (dazu muss man erst mit einem Flieger und dann noch mit dem Helikopter reisen). Dort fädelt die ihre Umgebung immer wach und scharf beobachtende Aviaaja die Abenteuerfahrt mit den Robbenjägern und den Schlitten ein.

Auch ein Mädchen befindet sich im Jugendzentrum, das Inuk gefällt. Aber auf der Abenteuerreise in den Schnee und zu den Robben begreift er die Lektion, erst das Jagen zu lernen und dann sich um die Mädchen zu kümmern. Des weiteren erfährt er von seinem „Mentor“, einem erfahrenen Jäger, mit dem zusammen er ein Schlittengespann fährt, dass sein Vater einst ein berühmter Jäger war. Nebst vielem anderem Jägerstroh, was dieser ihm und den Kindern nächtens auftischt.

Ein schön elegischer Film über eine Vatersuche. Die Suche nach dem Vater in sich, nachdem Inuk den physischen Vater schon in früher Jugend verloren hat. Dadurch dass er sich auf den Weg seines Wirkens macht. Ein Stück Peitsche hat er geerbt von ihm. Hier wird ein kleiner Bezug zum Vater haptisch greifbar. Dieses Peitschenstück wird eingesetzt als eine Art Missing Link auf der Suche nach dem Vater und damit nach sich selbst. Eine Suche, die nicht ohne Härte, Schmerzen und Einsamkeit, ja sogar Verzweiflung abläuft. Aber die Suche ist wunderbar aufgehoben in den großartigen, fantastischen Bildern der Eiswüstenei Grönlands.

Parker

Jason Statham, der Parker spielt, hat seinen ersten Auftritt als Pfarrer verkleidet auf einem Rummelplatz. Er arbeitet in dieser Rolle als Mitglied einer Gang, die gerade eine Wettbürokasse auszurauben plant. Zwei sind als bunte Clowns geschminkt, andere machen diskreter mit.

Der Film fängt vital, schnell, mitten im tobenden Leben an. Auch wenn nicht alles nach Plan läuft, die Gang schnappt sich die Kohle. Wie allerdings Parker seinen Anteil von der Million einfordert, wird ihm das verweigert, denn die Gang will dieses Geld in den ganz großen Coup investieren. Das lässt sich Parker nicht bieten, er verlässt das Auto und bleibt angeschossen an einem Seeufer neben der Straße halbtot liegen.

Er wird sich im folgenden als wahrer Überlebenskünstler erweisen, der noch die heftigsten Blessuren in Windeseile kuriert oder selbst an Infusionen gefesselt aus dem Krankenhaus mitten durch eine Polizeiphalanx hindurch entkommen kann.

Das sind alles Bilder und Vorgänge, die einem Anspruch an gängiges Actionkino durchaus zu genügen vermögen. Statham ist durch und durch Action-Protagonist, hängt sich voll rein und wirkt mit jedweder Verletzungsmaske glaubwürdig.

Allerdings ist dies nicht nur ein Jason-Statham-Film sondern auch ein Jennifer-Lopez-Film. Das bringt ab ihrem ersten Auftreten in einem Nobel-Ressort die Dramaturgie des Filmes gehörig durcheinander. So ein hübsches Näschen ist nicht für Action gemacht. Sie spielt eine Immobilienmaklerin, die relativ erfolglos ist und abhängig von einer harschen Mutter.

Parker wiederum erfährt, dass seine ihn betrogen habenden Gangleute ebendaselbst den großen Coup planen. Und weil Lopez mitspielt, muss er jetzt an sie geraten. Das führt zu Szenen, wo ihr eine Chance gegeben werden soll, was jedoch nicht mit dem Bedürfnis nach Action kongruent ist. Das reißt ein bisschen raus aus dem Interesse, wie denn nun Parker, der immer mehr zur körperlichen Ruine wird, noch an sein Ziel kommen könne. Merkwürdigerweise wirken ab dem Moment auch die Action-Szenen nicht mehr so vital, sondern vielmehr routiniert.

Die Auktion um die Juwelen und dann der Count-Down in der Villa der Gang. Denen ist durch den breiten Raum, den der Film plötzlich Leslie, so heißt Jennifer Lopez im Film, widmet, die Grundlage entzogen und sie wirken wie aus einem anderen, längst bekannten Film.

Hinzu kommt, dass Statham schauspielerisch gesehen doch ein anderes Kaliber ist als Lopez. Sie bringt hier eher die Aura eines Horrorfilmes mit, während Statham für Action-Pur steht. Mit Auftritt Lopez gerät die Action-Schiene gewaltig ins Trudeln. Eine Beziehung zwischen den beiden konkurrierenden Stars ist wohl weder vom Drehbuch her vorgesehen noch von der Regie her in irgend einer Weise gefordert worden. Die beiden interagieren mehr wie ein routiniertes Streifenpolizisten-Team – von den Haltungen her.