Der problematische Versuch, das auf den Bühnen Deutschlands und Österreichs seit Jahrzehnten erfolgreiche Singspiel „Im Weißen Rössl“ von Ralph Benatzky als Material für eine modern intendierte, distanzierende Adaption für die Leinwand zu verwenden.
Es scheint das Herzensprojekt von niemandem gewesen zu sein. Ausgenommen vielleicht der Darsteller des Leopold, ein wunderbarer Fritz Karl, der all die Verzweiflungen der unerhörten Liebe zur Wirtin Josepha hinter einer von professionellem Kellnertum beherrschten Mimik verbirgt und ihr durch dieses Verbergen ein grandiose Präsenz gibt und der Darsteller des Dr. Siedler, Tobias Licht, der in den Gesangsszenen spielt, als würde er gerade die Geburt zum Schlagerstar, eine seelenwandernde Wiedergeburt von Peter Alexander durchleben und der außerdem ein ausgezeichneter Sprecher ist, bei dem noch der windigste Text Prägnanz erhält; aber auch die Darstellerin der Josepha, Edita Malovcic hat Professionalität genug, dass sie die Rössl-Wirtin an jedem österreichischen Hoftheater verbindlich spielen könnte. Auch Gregor Bloeb, dem Sigismund, ist eine gewisse alpine Urigkeit nicht abzusprechen in einer beinah pikant zu nennenden Schnittmenge zur Schlagerstarschmierigkeit. Das sind die Highlights aus dem konfusen, nicht sehr homogenen Cast. Bei einem Singspiel, noch einem österreichischen dazu, ist die Besetzung in Deutschland immer ein Problem, erfordert höchstes Problembewusstsein vom Caster und vermutlich auch Kenntnis des Genres.
Wie sowieso sich vor allem die Frage stellt: was hat die Macher dieses Filmes, es sind Jan Berger als Autor, Christian Theede als Regisseur und Frau Prof. Regina Ziegler als Produzentin a) zur Produktion bewogen und b) mit diesem Cast und diesem Stab. Denn auch das Filmorchester Babelsberg, was versuchen muss einen modernistischen Sound zu erzeugen, scheint wenig Bezug zu Benatzky zu haben (oder sich nicht genügend beschäftigt damit), haut einen jazzigen Sound über die alten Songs – oder mal melodramatisch „so blau, so blau“, aber schafft es nicht, die bewährten Qualitäten der Tradition, die sie rausschmeißt, durch eine Musik, die ein Verhältnis dazu herstellt, zu ersetzen. So wird dem Original etwas weggenommen, aber es erhält keine aufwiegende andere Qualität.
Das gilt auch für die Bearbeitung, für die Kostüme und Kolorierungen (man möchte kitschkritisch sein, drückt aber beim Kitsch nur noch mehr und geschmackloser auf die Tube). Man entfernt den k. u. k. -Höhepunkt des Originals, den Auftritt des Kaisers und ersetzt ihn durch einen platten Schuhplattlerwettbewerb, der auch gar keinen Vorlauf bekommt und als Höhepunkt dann eine Mischung aus Schuhplatteln und Wrestling um den Verkaufsvertrag zwischen Siedler und Sigismund wird. Dabei ist das Thema Autorität und Untertanentum beileibe nicht aus der Welt.
Wobei hier wie bei allen Songnummern nur eine uninspirierte Choreographie sich abmüht, die sich an längst verblichener ZDF-Unterhaltung orientiert: möchten die Macher das Durchschnittsalter der Zuschauer auf 90 hochschrauben? Oder ging es primär darum, Subventionsgelder abzugreifen?
„Im Weißen Rössl“ ist ein nicht tot zu kriegender Evergreen, selbst wenn man ihn in einem regenverhangenen Berlin anfangen lässt (schade, dass da nicht wenigstens der Song „Wenn es hier mal richtig regnet, dann regnet es sich ein, denn die Gegend ist gesegnet, mit Regen allgemein“ eingepasst wurde). Das hätte doch wenigstens karikierenden bis relativierenden Charme entwickeln können. Aber der Grund für Berlin wird ein anderer gewesen sein. Da dürften ein paar Hintersaßen des Kinogewerbes den Vorsatz entwickelt haben, aus dem leinwandsperrigen B-Starlet Diana Amft einen regelrechten Filmstar zu machen. Also musste eine entsprechende Rolle her. Wie man dafür ausgerechnet auf das Weiße Rössl kommt, bleibt undurchsichtig; jedenfalls musste auch das Buch entsprechend umgeschrieben werden, denn der Film soll ja für den deutschen Markt genau so attraktiv sein wie für den österreichischen.
Ferner ist kaum zu erwarten, dass es ein großes Casting um die Rolle der Ottilie, die hier im Film zum Schaden des Ganzen aufgebläht worden ist, stattgefunden hat. Das war wie erwähnt vermutlich eine interne Ausmarcherei, die sicher hundertmal spannender gewesen ist, als der Film es nachher wurde. Und hatte zur Folge, dass der wunderbare Doktor Siedler mit einer Partnerin spielen muss, von der so gar nichts rüber springt. Der Zuschauer soll aber bittschön glauben, dass Siedler vom Blitz getroffen ist – vielleicht eher vor Schreck über die Besetzung.
Wenn die Macher, an ihrer Spitze Frau Professor Regina Ziegler, schon ein Kino der Heimatfilme der 50er Jahre machen wollen, und wenn sie es schon fahrlässig ohne jeden nachvollziehbaren Geistesblitz karikieren wollen, dann sollten sie wenigstens ein Traumpaar ausfindig machen, wie es damals Romy Schneider und Karlheinz Böhm gewesen sind. Aber dieser Mühe hat sich die Produktion nicht unterworfen oder war schlicht nicht in der Lage, die Folgen einer solchen Billig- oder Schnell-Schnell-Besetzung und gänzlich ohne umfassenden Wettbewerb abzusehen. Insofern Unfähigkeit. Insofern höchst problematisch, dass das Projekt mit öffentlichen Geldern gefördert wurde. Ein kurzsichtig kalkulierter Film, der nur auf die nächsten Fördergelder schielt, weil die bleiben ihm erhalten, ob der Film floppt oder nicht.
Dass Diana Amft leicht lispelt, das ist noch das kleinste Übel, hätte aber viel Reiz bekommen können, wenn das eingebaut worden wäre als ein Problem von ihr. Schlimmer ist, wenn sie in einer intimem Passage dem Dr. Siedler den Zeigefinger entgegenstreckt, wie sie sowieso sich wohl wenig mit der Gestik, dem Gestus der Figur beschäftigt zu haben scheint.
Fürs Kino fehlen hier jede Menge an Qualifikationen.
Faktisch wurde der Film zwar auf den Gegensatz Stadt/Berlin und Land/Weißes Rössl hin getrimmt, aber im Geiste des Weißen Rössls, hätte der dann auch viel deutlicher zur Herstellung von Jokes und Komik herhalten müssen.
Ein weiterer Beitrag zur Sammlung in Formalin eingelegter Filmhomunculi des geförderten deutschen Filmes, in der Rubrik „Auswüchse des deutschen Filmfördersystems in den ersten zwei Dekaden des 21. Jahrhunderts“.
Der problematische Versuch, das auf den Bühnen Deutschlands und Österreichs seit Jahrzehnten erfolgreiche Singspiel „Im Weißen Rössl“ von Ralph Benatzky als Material für eine modern intendierte, distanzierende Adaption für die...