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The Imitation Game – Eine streng geheime Liebe

Ein mit britischer Klarheit und Nüchternheit inszenierter Film über zwei Geheimnisse höchst unterschiedlichen Kalibers. Einmal Staatsgeheimnis, die Entschlüsselung der Nazimaschine „Enigma“ und zum anderen die Homosexualität des genialen Mathematikers und Kryptoanalytikers Alan Turing. Dank der Entschlüsselung von Enigma sei der Zweite Weltkrieg, um mindestens zwei Jahre verkürzt worden, so schätzen Historiker, und die Opferzahl um Millionen verringert. Aber für seine Schwulität wurde Turin Jahre nach dem Krieg vor Gericht gestellt und zu einer chemischen Kastration verurteilt, die bei ihm zu Depressionen mit folgendem Suizid geführt haben.

Ein Geheimnis, was man verrät, ist kein Geheimnis mehr. Darum inszeniert Morten Tyldum, der ein Drehbuch von Graham Moore nach dem Roman von Andrew Hodges vorliegen hatte, so kristallklar, so einleuchtend, dass man gar nicht an Geheimnisse glauben möchte. Aber gerade diese Klarheit offenbart, wie die Geschichte heftig hin und hergerüttelt wird zwischen den beiden Geheimnissen, über die sie berichten möchte und die doch nicht gelüftet werden sollten.

Der Hinweis auf Enigma schürt die Erwartung eines Kryptothrillers. Der wird auch eingeführt, aber gleichzeitig wird, es ist ein Zopf aus drei Strängen, das Verhör wegen des Einbruchs beim Mathematiker in den Film eingeführt, eines Einbruchs, den er gar nicht geahndet haben möchte. Es scheinen Stricher gewesen zu sein, die sich Geld erhofft hatten; seine kostbaren Rechenformeln haben sie nicht angerührt. Zu diesem Strang gehören Rückblicke in die Schulzeit, die Info, dass sein Schulfreund Christopher hieß, den er sehr gemocht haben muss, aber den Schmerz über dessen Tod, den ihm der Direktor giftig mitteilt, muss er für sich behalten.

Turing wird später seine Entschlüsselungsmaschine Christopher nennen, ein wahrhaft ansehnliches Gerät von Räderwerk, ein Vorläufermodell des Computers. Das ist der Hauptstrang der Geschichte, der in der Bletchley Radio Factory spielt, beginnend damit, wie Turin zu der geheimen Truppe stößt, die Enigma enträtseln soll. Skrupellos ergreift er gleich die Macht, indem er sich über die Entschlüsselungsnieten, die in der Truppe das Sagen haben, bei Churchill beschwert und daraufhin zum Chef ernannt wird, worauf er gleich die zwei Flaschen entlässt.

Alan Turin wird gespielt von Benedict Cumberbatch, einem Schauspieler, der Geheimnis zulässt und die Frau, die das Testrätsel noch schneller löst als er, die einzige Frau in der Truppe, Joan Clarke, wird gespielt von Keira Knightley. Sie kann er nur durch einen Heiratsantrag bei der Truppe behalten. Was in ihrer Liebesbeziehung los, resp. nicht los ist, auch das muss er streng für sich behalten. So viele Geheimnisse, pikante, schwerwiegende, für sich zu bewahren, das führt zu einigen fühligen Situationen, gibt dem Film im späteren Verlauf momentweise einen melodramatischen Touch, verschiebt den Film auf hohem Niveau in die Nähe des Kitsches.

Um dem Film mit den vielen Geheimnissen (zu einem bestimmten Zeitpunkt entdeckt Turin auch noch, dass einer seiner Enigma-Truppe ein russischer Spion ist) nicht zu sehr aus der Zeit fallen zu lassen, wird der Druck zur Enträtselung von Enigma in Form von aufbereitetem Archiv-Kriegsmaterial in einen gewissen Rhythmus versetzt.
Das lässt den Eindruck des Filmes etwas verschwimmen, dass er sich mit zwei so grundsätzlich verschiedenen Geheimnissen beschäftigt und sich nicht recht entscheiden kann, wie weit er sie offenlegen soll.

Missverstanden

Ein Film, der seine Hauptdarstellerin um Verständnis bitten lässt, den Teen Asia, ein Mädel kurz vorm Explodieren der Pubertät, das sich schon früh im Film die Haare kurz wie Twiggy schneiden lässt.

Der Film spielt 1984 in Italien. Er schwelgt schamlos in der plakativen Schilderung kaputter Familienverhältnisse. Darum wird die dritte der Töchter, Asia, pausenlos hin- und hergeschoben zwischen ihren Eltern, dem Künstlerehepaar Bernadotte, er berühmter Schauspieler, sie eine weniger berühmte Pianistin und Nymphomanin. Einmal fragt Asia, wie die Mutter es schafft, immer wieder die Männer auf sich aufmerksam und verliebt zu machen. Sie hat einen Männerverbrauch, wie andere Leute Zigaretten rauchen.

Früh im Film findet die Trennung der Eltern statt. Das Familienleben war unerfreulich. Asia ist die Vernachlässigte. So kann denn der Film Unglücksszene an knallige Unglücksszene fügen. Dafür kann man schon mal um Verständnis bitten.

Die älteste Schwester Lucrezia mit ihrem Pink-Knall ist schon voll ausgewachsen, ein blondes Vollweib und vom Vater vergöttert. Sie zieht mit ihm aus. Es gibt viele Szenen in der Schule. Die dickste Freundin und Asia, die nennen sich gegenseitig nur „Ist“, und behaupten, alle Geheimnisse zu teilen. Man kann sich vorstellen, wie lange so etwas anhält. Bis zum ersten Blondschopf, Adriano. In den verliebt sich Asia. Aber ihr wertvollstes Wesen ist die schwarze Katze, die ihr auf der Straße zugelaufen ist. Was ihrem Vater gar nicht gefällt. Denn er ist abergläubisch. Für ihn gibt es nichts Schlimmeres, als eine schwarze Katze, die über das Drehbuch für seine Filmhauptrolle geht. Aus der Rolle wird dann auch nichts.

Asia jedenfalls wird ständig wieder rausgeschmissen von dem Elternpart, bei dem sie sich gerade befindet, immer wieder ist sie unterwegs mit kleinem Gepäck, dem weißen Käfig mit der schwarzen Katze drin. Die Schule ist noch der stabilste Punkt oder zum Schwänzen geht sie auch mal in die Kirche, um dort eine merkwürdige Beichtszene mit einem heftig schnaufenden Priester zu erleben.

Der Film will knallig wirken, auch mit den musikalischen Effekten, die nicht allzu sensibel gesetzt werden. Er versucht mit Schnoddrigkeit zu punkten. Er scheint mehr Lust an der Schilderung der Kaputtheit der menschlichen Verhältnisse zu haben, denn die Absicht der Ergründung oder des Verstehens. Er wirkt wie eine anekdotische Aneinanderreihung von Dingen, die möglicherweise in einem Vorbildfall oder in einem Roman geschildert werden.

Der Film verzichtet vollkommen auf Charakteranalyse der Hauptfigur und somit auf deren Konflikte. Asia geht durch den Film und die Verhältnisse, mal traurig, meist staunend, ohne Widerstand, letztlich auch nur mit sich und dem eigenen Unglück beschäftigt wie die kaputte Erwachsenenwelt.

Ein Film wie ein punkiges Plattencover (der arschcoole und viel jüngere Punk Ricky ist auch einer der Lover von Muttern, Charlotte Gainsbourg). Oder die Verarsche beim Ball, wo sie das Sündenzimmer eingerichtet hat, und im Dunklen statt Adriano das Dickerchen vor sich hat. Enttäuschung.

Ein Film von Asia Argento, das Buch hat sie mit Barbara Alberti geschrieben wie frisch von der Leber weg.
Freiheit des Teens: ich mach was ich will, heißt, mit der Freundin auf dem Klo Zigarette rauchen und anschließend in die Schüssel sich erbrechen.
Oratoriumsmusik zur Zerstörungsorgie beim Ball.
Miss Verstanden.

Ouija – Spiel nicht mit dem Teufel

Wenig ambitionierter Horrorfilm, der mehr Werbung für das Hasbro-Spiel Ouija sein dürfte denn primär als Horrorkinounterhaltung beabsichtigt.

Ein Spielbrett mit Silben und Buchstaben drauf und eine Art vergrößerte Computermaus, aber flachrandig, so dass die Fingerspitzen der Mitspieler sich darauf legen können und außerdem mit einer Art Auge ausgestattet, durch welches der von der magischen Bewegung angefahrene Buchstabe gelesen werden kann, welches andererseits wiederum, vor das eigene Auge gehalten, als Fern- oder Vergrößerungsglas zur Sichtbarmachung von im Jenseits beschworene Tote dienen kann.

Mit dem hier im Film verwendeten Spielbrett hat es zudem eine spezifische Bewandtnis zu früheren Bewohnern und unerklärlichen Vorfällen in diesem Haus, die zu heutigen Spukbegebenheiten im Film führen werden, die gerne mit Schock-, Jenseits- und Computereffekten eingebaut werden. Ferner wird Zahnseide als ein negativ belastetes Requisit eingeführt, die Assoziation zu einem vernähten Mund ist naheliegend.

Die Spieler im Film, vor allem die dominant gezeigten weiblichen, sind extreme Püppchen mit harmoniserten Gesichtszügen, mehr Spielfiguren denn Individuen, die jungen Männer, mehr noch Milchbuben, sind so besetzt und inszeniert, dass sie den Püppchen von Horrorstarlets nicht die Show stehlen. Insgesamt soll das Spiel der Darsteller wiederum nicht zu sehr vom beworbenen Produkt, dem Hasbro-Spiel, ablenken, wie Werbephilosophien es offenbar fordern. Das tun sie eh nicht unter der Regie von Stiles White, der mit Juliet Snowden auch das Drehbuch im Sinne einer Art System-Dramaturgie geschrieben haben. Dazu kommt noch einiges an Geisterbahnspuk im Rahmen der Erwartungen ans Genre; allenfalls an Halloween und mit einigem Alkohol intus lustig.

Die deutsche Routinesynchro lenkt auch keinesfalls ab vom zu bewerbenden Produkt, gibt ihm aber eine abtörnende Intonation. Farb- und Lichtgebung, Ausstattung und Location sind ebenfalls ganz im Rahmen der Horroranforderungen, systemimmanent, professionell genreroutiniert.

Es gibt in der Ausstattung Anspruchshinweise, die keineswegs eingelöst werden, Plakate von Shakespeare-Stücken, „Hamlet“ oder „Romeo und Julia“, letzteres Plakat in todesvioletter Farbgebung.
Stereotype Menschen wie Spielfiguren.

Fräulien Julie

Das Theaterstück „Fräulein Julie“ von August Strindberg, uraufgeführt 1889, also vor 125 Jahren, ist seither ein Dauerbrenner, ein Repertoirstück über eine unmögliche Liebe zwischen Herrschaft und Gesinde, zwischen Fräulein Julie, der Tochter eines Barons, die ohne Mutter aufgewachsen ist, und ihrem Diener John. Ein Drama. Ein Klassiker, der allein in diesem Jahrtausend schon gegen ein Dutzend Mal verfilmt worden ist.

In der aktuellen norwegisch-britisch-irländisch-französischen Koproduktion hat sich die berühmte Ingmar-Bergman-Schauspielerin Liv Ullmann des Stoffes angenommen, hat ein Drehbuch erstellt und die Regie geführt.

Der Film zeigt ihre Bergman-Prägung in der Benutzung unendlich vieler Halbnah-Einstellungen, allerdings werden vor der Kamera keine Seelenabgründe seziert, an Inszenierung bietet Ullmann lediglich höchst theatrale Szenen, in denen sich die Darsteller Jessica Chastain als die Baronesse, Colin Farrell als Diener John und Samantha Morton als Köchin Kathleen beinah schauspielschulhaft um den Strindberg-Text bemühen, versuchen, viel Emotion reinzulegen. Das kann beim Zuschauen insofern anstrengend wirken, als der Schnitt eine einzige Aneinanderreihung von Bildern alternierender, immer sich wiederholender nur zweier oder dreier Kamerapositionen ist, Kamerpositionen, die Raumteile aus der Bühne wie Stücke aus einer Torte herausschneiden. Und wenn man zwischendrin mal kurz aufs Klo oder raus muss, weil das Handy vibriert, und man betritt den Kinosaal wieder, so hat man das Gefühl, die hätten den Film angehalten oder seien immer noch gleich weit.

Es ist Bauchschauspielerei, zu der Liv Ullman ihre Darsteller treibt, was nicht ohne eine gewisse physische Faszination ist. Dass alles nur Theater ist und die Regieanweisung das Oberste, die Weisungsgebundenheit, verrät eine Szene, bei der John ganz schnell das Schloss verlassen will und noch einige Dinge in eine Tasche oder Mappe packt; da ist ein Papier mit einem Schreibstift drauf, der fällt ungeplant zu Boden. Colin Farrell schaut diesem kurz nach, sich bücken wäre schlecht und entgegen der Regieanweisung, würde ihn aus dem Bild katapultieren, so packt er weiter und geht schnittlos in der gleichen Einstellung aus dem Raum, ohne dabei den Schreiber vom Boden aufzuheben und einzustecken, kaum zu erwarten, dass die Regisseurin uns damit zeigen wollte, wie kurz das Gedächtnis dieser Figur ist.

Herzig ist die Regieidee von Liv Ullmann, der Köchin einen kleinen Bulldoggenhund zu geben, auf den die Kamera mangels Interesse am dramatischem Geschehen immer wieder schwenkt. Oft trampeln besonders die Darstellerinnen zu stark auf den Böden des Schlosses und auf den Treppen herum. Das knallt heftig und passt so gar nicht zum immer wieder darüber gelegten, gepflegten Klassik-Sound.

Es ist ein Mittsommernachtsdrama, inklusive brutaler Tötung eines gelben Kanarienvogels mittels übergroßem Küchenmesser. Wie denn überhaupt die Requsitenspielerei bühnenhaft sorglos betrieben wird.

Bezüglich Theaterverfilmung vergleiche die sensibler-vielschichtigere My old Lady oder Joss Whedons aus leichter Hand geschütteltes Viel Lärm um Nichts.

Baymax – Riesiges Robowabohu

Robuwabohu Disney-Mix aus Rührgeschichte vom Jungen, der seinen Bruder verliert und in einem pinguinhaften Roboter einen Freund findet und von der sciencefictionhaften Entfesselung der Microbots, die eben dieser Junge, Hiro, erfunden hat.

Hiro ist ein Tüftler, ein Nerd, der einen Microbot entwickelt, mit dem er bei illegalen Roboterkämpfen, um die es Wetten gibt, viel Geld gewinnt, denn der Roboter ist zwar klein, unscheinbar und niedlich, kann sich aber so schnell er zerlegt wird, wieder zusammensetzen, was durchaus von Nutzen sein kann gegenüber angsteinflößenden Robotergegnern.

Der Ort, an dem die Kämpfe stattfinden, heißt Sanfransokyo, eine Mischung aus Tokio und San Francisco, aber die steilen Trambahnen von San Francisco, die gibt es hier. Während Hiro mehr einem japanischen Anime nachempfunden ist, mit den Haaren immer keck so, dass man die Augen und damit den Gesichtausdruck gerade noch sehen kann, somit auch die Entwicklung, die er durchmacht. Vom renitenten Teen, der durch den Tod seines Bruders und mit Hilfe von Baymax, einer Robotererfindung des Bruders, der sich primär als Gesunheitsassistent sieht und auch als solcher entwickelt worden ist, zum verantwortungsbewussten Erwachsenen heranwächst.

Die beiden freunden sich an, der Pinguin-Roboter als Bruderersatz. Vorher war eitel Freude mit Bruder und Mutter. Hiro will sich bewerben am Technischen Institut der Universität von San Fransokyo. Nach der Präsentation seines genialen Microbots passiert allerdings ein Ungück. Das Gebäude wird ein Opfer der Flammen und für seine Erfindung hat schon ein Geschäftsmann Interesse gezeigt, aber auch der berühmte Professor Callaghan ist sehr angetan.

Die Feuersbrunst löst die Entwicklung von Feindbildern aus. Als Übeltäter wird der Geschäftsmann vermutet, aber bald erscheint auch der Professor in einem zweifelhaften Lichte. So wird denn jetzt aus der Rührgeschichte eine harte Kampf- und Verfolgungsgeschichte, der Rührroboter wird zum gnadenlosen Kampfroboter und einige Freunde von Hiro sind auch mit von der Partie. Bis schließlich aus Hiro ein richtiger Hero wird, comme il faut. Vorher gabs noch, das ist mehr dem Rührsektor zuzuordnen, im Rahmen der Anfreundung von Hiro und Baymax eine ordentliche Batterieschwäche und Luftdruckprobleme beim aufblasbaren Baymax.

Mortdecai – Der Teilzeitgauner

So, das war jetzt die technische Probe dieser Komödie aus bewährten Komödienversatzstücken ausgebuddelt aus einer verstaubten Komödienabstellkammer.

Diese Probe hätte man ruhig mit billigeren Darstellern statt mit Johnny Depp, Evan McGregor, Gwyneth Paltrow, Jeff Goldblum und und und durchstellen können. Die hätten ihre Parts wahrscheinlich nicht so kaltschnäuzig routiniert runtergenudelt. Die hätten sicherlich, falls das bei der hirnigen Regie von David Koepp überhaupt möglich war, mehr Lust und Laune an der klamottigen Komödie entwickelt. Die hätten statt trockener Komödiendenke Komödiensein geliefert. Da wäre der Running Gag zwischen Johnny Depp und seiner Gattin Gwyneth Paltrow vielleicht so rübergekommen dass man auch lachen kann, denn immer wenn sie sich küssen, wenden sie sich nach Double-Take-Muster ab und spielen Erbrechen.

Johnny Depp spielt einen snobistisch-britischen Kunstdieb, der laut Running-Gag wie auch seine Gattin Mundgeruch hat. Er heißt wie der Titel des Filmes: Mortdecai und spielt diesen Kunsthalunken, indem er oft und in verschiedene Richtungen das Gesicht verzieht.

Müssig, die Story wieder- oder vorzukauen. Verschiedene Interessengruppen sind hinter einem Gemälde her. Die schrecken nicht vor Schießereien, Totschlag, russischen Spreize-die-Eier-Folterszenen und anderen Hinterhältigkeiten zurück. Die Polizei ist involviert und der Geheimdienst. Die Locations wechseln von Moskau über Schlösser in Britannien bis nach L.A.

Die Übergänge dazwischen füllt die Regie, die ein Drehbuch von Eric Aronson nach dem Roman von Kyril Bonifiglioli zur Vorlage hatte, mit Kamera- und Schnittschnickschnack, überrissenem Zeitraffer, Schockschnitten, mit angeschriebenen Städten in Großbuchstaben, von denen ein landendes Flugzeug auch mal einen in Stück mitreißt.

Der Schnurrbart von Johnny Depp ist ein weiteres, häufig thematisiertes Requisit, mit dem zentralen Joke: „Es sieht aus, als hättest Du eine Vagina im Gesicht“. Eine Verbindung zum internationalen Terror wird über eine lockige, syrische Figur hergestellt; diese erinnert entfernt daran, wie lebendig Depp doch einst gespielt hatte. Jock heißt der Diener von Depp und wird, weiterer Running-Ga, von Depp öfters angeschossen. Eine andere Mafia ist hinter einem Finger von Depp hinterher. Der Countdown findet bei einer Auktion in London statt.

Lauter bewährte, altbekannte, verstaubte Gaunerkomödien-Versatzstücke. Johnny Depp kommt nur schwer in die Gänge, wirkt als spiele er angestrengt bemühtes Kindertheater mit viel aufgesetzter Mimik um der Mimik willen.

Ein gravierendes Hindernis auf dem Weg zum Erfolg dieses Film dürfte der radikale Verzicht auf Beachtung von Rhyhtmus, Tempo und Timing im Erzählfluss der Geschichte durch Regie und Schnitt sein, was der Angelegenheit den Anschein eines hirnig-trockenen Vorführens der Szenenreihenfolge verleiht, was sie papieren und uninspiriert erscheinen lässt, eine Komödie, vom Antikomödienvirus infiziert.

Wer hier einen Rolls Royce Silver Shadow erwartet hat, der muss, Zitat aus dem Film, sich mit einem Toyota Klitoris zufrieden geben.

Verbrechen Liebe (BR, Mittwoch, 21. Januar 2015, 22.00 Uhr)

Rassenschande wurden in in der Nazizeit Liebesbeziehungen zwischen Deutschen und Ausländern genannt und als schlimme Verbrechen bestraft. Wenn den Beziehungen Kinder entsprungen sind, wurden sie den Müttern weggenommen, die Mütter ins KZ gesteckt. Aber selbst diese Wahnsinnsideologie ist an ihre Grenzen gestoßen; weil im Krieg Männermangel im Lande herrschte, versuchten die Nazis vornehmlich polnische Zwangsarbeiter mit hochkomplizierten, bürokratischen Verfahren und Verwaltungsaufwand einzudeutschen. Ist die Natur nicht nach der Theorie, so muss sie der Theorie entsprechend verbogen und abgemessen werden.

Behutsam decken Andrea Mocellin und Thomas Muggenthaler in ihrer Fernsehdokumentaion dieses schauderhafte Kapitel der NS-Zeit auf. Im Zentrum haben sie die Deutsche Helene Wimmer, die von einem polnischen Zwangsarbeiter ein Kind erwartet und zur Welt gebracht hatte, und die selbst als Zeitzeugin noch erzählt, wie ihr das Kind weggenommen wurde, wie ihr die Haare geschoren wurden, wie sie ins KZ verbracht wurde, wie die schönste Zeit ihres Lebens von den Nazis zerstört wurde – nur wegen der Liebe zu einem polnischen Zwangsarbeiter.

Kennengelernt hat Frau Wimmer ihren Polen auf dem Hof ihrer Eltern. Beim gemeinsamen Leben und Arbeiten auf dem Feld kam man sich näher und traf sich im Verborgenen. Bis die Schwangerschaft nicht mehr zu leugnen war. Die Deutschen hatten um die 3 Millionen Polen für den Arbeitseinsatz nach Deutschland deportiert.

Die Strafen für die „Rassenschande“ waren brutal. Darüber hat die SS eigene Dokumentarfilme zur Abschreckung hergestellt, was ein ganz seltener Fall von Naziselbstdokumentation sei. Daraus gibt es hier Ausschnitte und auch privates Filmmaterial und Fotos von solchen Strafen, zu denen die Filmemacher Zugang hatten, und das sie in ihrer sorgfältigen Dokumentation verwenden. Sie haben weitere Zeitzeugen ausfindig gemacht, die selbst als Kinder, Mütter oder Verwandte betroffen waren.

Die deportierten Polen mussten sich mit einem P an ihrer Kleidung als Untermenschen erkennbar machen. Falls sie als eindeutschungsfähig erkannt wurden, wurden sie als E-Polen geführt. Das hat ihrer männlichen Attraktivität, die sich allemal mit dem arischen Männlichkeitsideal aus Propagandafilmen vergleichen ließ, keinen Abbruch getan. Auch aus solchen Nazi-Propagandafilmen gibt es hier Ausschnitte zu sehen.

Die der Rassenschande überführten Frauen wurden öffentlich gedemütigt, „aus der Volksgemeinschaft“ ausgetoßen, ins KZ verfrachtet und dort demütigenden, detaillierten Befragungen zu ihrem Intimleben ausgesetzt.

Ein grauenhaftes Nazi-Kapitel zur Erinnerung daran, wozu Menschen auch in unseren Breiten noch vor nicht allzu lange Zeit fähig waren.

Der große Trip – Wild

Jean-Marc Vallée (Dallas Buyers Club), der Regisseur dieses Filmes, der ein Drehbuch von Nick Hornbey nach dem Originalbericht von Cheryl Strayed zur Vorlage hatte, wirft uns gleich zu Beginn mitten in diese Reise, in das Leben von Cheryl. Mit schwerem Rucksack stöhnt sie schon im Off und ächzt und setzt ihn auf den Boden. Sie befindet sich in bergig-steinig-steilem Gelände. Die Füße schmerzen, sie sind wund – später werden wir erfahren, dass die ungeübte Wanderin anfangs viel zu kleine Schuhe hatte. Reese Witherspoon, die Cheryl fabelhaft darstellt, kämpft mit einem blutunterlaufenen, halb abgegangenen, großen Zehennagel und reißt ihn weg. Ein Schuh kollert den Abhang hinunter. Die Szene ist ein Ausschnitt aus dieser Wanderung, die sie drei Monate lang über den PCT-Weg, den Pacific Crest Trail, entlang der US-Westküste von Südkalifornien führen wird.

Eine Frau auf einem fordernden Trip. Das gab es letztes Jahr mit Spuren von John Curran. Hier ging es vor allem um die kinematographisch aufregende Auswertung eines Abenteuers, Frau allein mit Kamel unterwegs durch die Wüste Australiens, was noch keiner gewagt hat. Auch bei Vallée und Hornbey ist eine Frau allein unterwegs. Aber sie will nicht primär sich selbst und ihrer Umwelt Durchsetzungskraft beweisen; sie will nicht ihren Mann stellen. Der Trip ist selbstreflektorisch intendiert. Sie will einen Überblick über ihr bisheriges, zum Teil recht verrottetes Leben, Vater- und Drogenprobleme, gewinnen. So bauen die Filmemacher den Film auch auf als einen Dauerquell eines Streams of Consciousness eines ganzen Lebens.

Der Trip selbst bleibt ein leichter, nicht allzu dokumentarischer Leitfaden für einen pausenlosen, nahrhaften Bilderfluß über die Vielschichtigkeit und Vielfältigkeit ihres bisherigen Lebens, eine Reflektion, die nebenbei auch klar macht, dass ein Leben ohne Reflektion doch zumindest fragwürdig, womöglich eindimensional bis vielleicht inexistent sein könnte.

Selbstverständlich gibt es Begegnungen. Vor allem bärig-freundliche Männer, selten ohne Hintergedanken. Der Weg ist ein organisierter Weg. Es gibt Wegmarken, es gibt Boxen mit Büchern für Einträge, man kann dort auch Poesie oder Dichtung hinterlassen. Es gibt kleine Hütten oder Kioske, wohin die Wanderer sich Pakete schicken lassen können. Es gibt Zuspruch und Erfahrungsaustausch – und Anmache. Und die Wanderin, eine Ausnahme bei diesem offenbar männlichen Sport, kann auch plötzlich eines nackten Mannes, der ein Bad in einem Fluß nimmt, ansichtig werden.

Diese Wanderung wird zu einem Abbild des Lebens, in das der Mensch ohne jede Erfahrung und Vorwarnung hineingeworfen wird. So jedenfalls beginnt Cheryl, die nach der Scheidung von ihrem Mann den Namen Strayed sich zugelegt hat, die Umherstreunende in etwa, wobei ich das doch eher als ein Umherstreunen in der eigenen Geschichte interpretieren würde, und die ihre Wanderung, mit viel zu viel Gepäck belastet beginnt, mit lauter überflüssigen Gegenständen, mit dem falschen Brennstoff für den Kocher, so dass sie die ersten Tage immer nur ungekochten Brei vertilgen muss, dazu die erwähnten ungeeigneten Schuhe. Eine Reise, die der Wanderin auch das Reisen beibringt.

Das Leben, das sie ins Bewusstsein rückt, ist bemerkenswert, wird real. Sie stellt sich durch das Revue-Passierenlassen ihrer Lebensstationen, oder wie sie sich von selbst ihr in Erinnerung rufen, ein Nachdenken dar über Grundfragen des Lebens, von Glück und Unglück, vom Beherrschen des eigenen Lebens, von individueller Gestaltung, ein transskribierter Lebensweg am formalen Gerüst eines Reiseberichtes. Ein großer innerer Monolg. Ihre Mutter zum Beispiel sagt an einer Stelle, dass sie sich nie am Steuer ihres Lebens befunden habe.

Es gibt humoristische Einlagen im Sinne einer strahlenden Menschenfreundlichkeit und wie ärmlich doch viele agieren. Cheryl will ein Stück Strasse als Tramperin bewältigen. Ein flotter Typ hält an. Er ist Journalist. Er recherchiert gerade über Hobos (diese nordamerkanischen Wanderarbeiter) und ist begeistert, einem weiblichen Hobo zu begegnen. Der Journalist kommt von seiner vorgefassten Meinung nicht los, schafft sein Interview mit der vermeintlichen Hobo nach seinem Gusto. Cheryl kommt nicht dazu, den Sachverhalt aufzuklären. Der Journalist düst von dannen.

Nicht Cheryls Rucksack ist schwer, der ist nur das Symbol für die eigene, schwere Geschichte, die sie auf dieser Reise mitschleppt – und nicht abwerfen kann. Der ansprechende und anregende Versuch, ein ganzes Leben, seine Möglichkeiten, Vielschichtigkeit und Begrenzungen, das Eruieren von Handlungsfeiheit in zwei Leinwandstunden zu packen. Eine Erzählung nah am Ohr des Zuschauers, angenehm unforciert gespielt und gesprochen.

Und auf der Tonspur Ohrwürmer aus den 70ern.

Unbroken

Versöhnung statt Rache, das ist die Botschaft, die uns Angelina Jolie, gut gemeint, mit diesem Biopic über ein höchst ungewöhnliches Schicksal nach dem Drehbuch von Joel und Ethan Coen, Richard LaGravenese und William Nicholson nach dem Roman von Laura Hillenbrand vermittelt, „nach einer wahren Geschichte“.

Es ist die Geschichte des italienischen Einwanderersohnes Louis Zamperini (die SZ hat die Schreibweise „Louie“ aus dem Presseheft übernommen), in der Kindheit als Scheiß-Ithaker gehänselt, vom Bruder zu sportlichen Höchstleistungen als Sprinter angetrieben bis zur Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936, dann Kriegsteilnahme als Flieger im Zweiten Weltkrieg, Notwasserung bei einem Einsatz, 48 Tage schiffbrüchig auf dem Meer, von den Japanern gefangen genommen und als Feind schikanös behandelt bis zum Ende des Krieges mit darauf folgender Rückkehr nach Amerika.

Louis Zamperini sei später wieder nach Japan zurückgekehrt, so steht es im Abspann, und habe den Kontakt zu seinen einstigen Peinigern gesucht, um sich zu versöhnen, nur Watanabe, der intimste und gemeinste seiner Feinde habe sich geweigert, ihn zu treffen.

Angelina Jolie hat den Darsteller des erwachsenen Louis mit Jack O‘ Connell besetzt, einem Darsteller, der vor allem in den Momenten des Martyriums bildverbindlich rüberkommt. Am Eindringlichsten ist die Szene im japanischen Gefangenenlager, wie sein Quälgeist Watanabe, Takamasa Ishihara, dem erschöpften Amerikaner befiehlt, einen schweren Balken aufzuheben, diesen oben zu halten unter der Drohung, erschossen zu werden, falls er den Balken fallen lasse. Diese Szene wird zu einer Nervenprobe zwischen Peiniger und Gepeinigtem, erinnert an christliche Mythologie, an den Gekreuzigten, Christus, das Kreuz auf den Querbalken reduziert. Eindringliches Bild des kämpfenden Louis. Seine Ausdauer ist so stark, dass Watanabe aufgibt, bevor er den Balken fallen lässt, „Sieh mich nicht an“ schreit der Quälgeist. Das symbolisiert die Macht der Gewaltlosigkeit, der Unerbittlichkeit des Glaubens.

Am Schluss sieht man den originalen Louis mit 80 bei olympischen Spielen mitlaufen und dann blendet Jolie noch ein Foto des alten Mannes ein. Da wird schmerzlich deutlich, was ihr mit der Besetzung von O‘ Connell und dessen Inszenierung nicht gelungen ist: er wirkt im Film immer so, als sei er ein Stand-In für eine Bildergeschichte. Jolie und ihre Autoren interessieren sich kaum für den Charakter der Hauptfigur, der ihr doch die Überlebensstärke gibt, die Qualität also, die entscheidend ist für die Botschaft, die sie mit ihrem Film verbinden wollen: Versöhnung statt Rache.

Vielleicht verrät Angelina Jolie mit ihrem Film mehr darüber, was für ein Kino sie liebt. Das Bild muss schön sein (auch wenn es Dreck und Schmerz zeigt); es scheint momentweise orientiert am italienischen Neorealismus, sie will ein Kino, was auch für einfache Gemüter nachvollziehbar ist, also eher einen Tick zu langsam erzählt, zu deutlich als modernistisch den Zuschauer mit einer rasanten Bilderflut zu überrollen, was dem Krieg bei der ersten Angriffsphase in den Flugzeugen einen Touch von Gemütlichkeit verleiht. Der anrührend nostalgisch-altertümliche Kinotraum von Angelina Jolie.

Eine lange Phase des Filmes sind die 48 Tage von Louis als Schiffbrüchigem auf See, zuerst mit zwei, dann noch mit einem Kameraden. Das erinnert an den grandiosen Film von Robert Redford im letzten Jahr All is Lost. Bei ihm ist just dieses in jeder Sekunde überleben wollen spürbar, der Charakter der Figur, was ich bei Jolie vermisse. Sie scheint nicht in jeder Sekunde ihr Thema im Auge zu haben, sondern sich lieber ganz allgemein in Kinogefühlen, im Kinomachen der generellen Art und wichtig auch der Komparseninszenierung zu suhlen. Wildes Überleben eines Schiffbrüchigen auch in Life of Pi von Ang Lee, den vor allem das aufsehenerregende Kinogemälde in 3D am Schiffbruch interessierte.

Von Anfang an stört die stark parfümierte deutsche Nachsynchronisation. Und auch Probleme mit der Reihenfolge der Erzählung, mit dem willkürlich erscheinenden Anfang im Krieg und den Rückblenden, die den Eindruck erwecken, der Film wisse nicht so recht, wo und wie anfangen; es ist auch lange nicht so richtig klar, welches die Hauptfigur sein wird.

Oft wirken die Darsteller noch im größten Fliegerkampf wie frisch aus der Maske kommend.

Durch die verwürfelte Reihenfolge der Erzählung wirkt die Kindheitsrückblende ausgewalzt. Louis wird von den Buben getrietzt, aber der Zuschauer bekommt keinen Einblick in seine Inneres, die Reaktion seines Charakters, die wird uns vorenthalten, Verzicht auf den inneren Monolog, der die Stärke der Figur entwickeln könnte.

Mit der Vorbereitung auf die Olmypiade in Berlin und dem Einwechseln des erwachsenen Darstellers kommt mehr Flow in die bisher eher hackelige Story. Besetzung des Protagonisten mit Stirnrunzelschönling.

Nicht alles gelingt; nachdem die drei schiffbrüchigen Soldaten einen großen Wasservogel gefangen haben, reihern sie wie im Chor eine gelbe Flüssigkeit; unfreiwilliger Lacher. Auch der Fischfang erinnert mehr an eine Pfadfinderübung.

Vom Dialog her ist einer der ganz wenigen Hinweise auf Louis‘ Charakter der, dass er meint, „wir müssen reden, um nicht durchzudrehen“, wenn sie allein auf dem Meer im Gummiboot sind. Geist macht das Überleben möglich. Und Geist wird später den Impetus zur Versöhnung geben, die so im Film allerdings nicht mehr vorkommt. Das sind Überlegungen und Ableitungen, die der Zuschauer selber machen muss, er muss wie bei einem Rätsel den Charakter der Hauptfigur herleiten und im Abspann erhält er die Auflösung, statt dass ihm der Charakter und die daraus sich entwickelnden Handlungsweisen mit den Mitteln des Kinos Einsicht in diese ungewöhnliche Persönlichkeit geben. Der Film wirkt deshalb über breite Strecken wie eine Fotoromanze, die Story in Bildern nachgestellt unter Verzicht auf kinomögliche Dramatik. Die Inszenierung des Chors, der üble Dinge beobachtet und die dann alle ganz bedröppelt schauen müssen und leer schlucken, da hört man förmlich die Anleitungen der Regisseurin.

Einen schönen, andachtsvollen Moment hat Louis, wenn er für Radio Tokyo als Gefangener einen Überlebensbeweis an seine Verwandten in den USA sprechen darf. Wie er es ablehnt, auf dieselbe Art einen Propagandatext zu sprechen, gewinnt er kurzfristig Kraft und Statur. Denn er muss ins Lager zurück und sich dort von seinen Mitgefangenen ins Gesicht schlagen lassen, wozu er sie auch ausdrücklich auffordert (allerdings eher schmerzfrei inszeniert).

Der Leidenmsann steht dem Protagonisten gut. Christliches Pathos.

Schändung

Füllig-fühlig, wohlig musikalisch untermalter Schauder aus der feinsten dänischen Gesellschaftsschicht, was die zum Teil über Jahrzehnte für Leichen in ihren Kellern bunkern oder wenn nicht in den Kellern so doch in ihrer Geschichte und wie kostbar gewisse Rückbleibschaften gequälter Menschen in einem Kistchen aufbewahrt werden können, schauderhaft, schauderhaft, da sind die Keller-Fundstücke eines Ulrich Seidl Nippes dagegen.

Das wird der Höhepunkt, der grauenvolle Nachtisch, die Folge des nicht seriösen Teils unseres Ermittlerteams aus der Abteilung Q der Kriminalpolizei, die liegengebliebene, ungeklärte Fälle lösen soll. Kennengelernt haben wir dieses Team aus Carl Mork (Nikolai Lie Kaas) und Assad (Fares Fares) bei ihrem ersten Fall, der hieß Erbarmen und stammt von denselben Filmemachern, Mikkel Noorgard als Regisseur und Nicolaj Arcel als Drehbuchautor nach dem Krimi von Jussi Adler-Olsen. Von Nicolaj Arcel beeindruckte schon Die Königin und der Leibarzt (Buch und Regie).

In „Erbarmen“ haben sich Carl und Assad zusammengerüttelt. Carl, der Schwierige, der Skeptische, der Alleinige, der Eigenbrötlerische, der Misstrauische, der inzwischen fast wie sein eigenes Denkmal wirkt in seinem kritischen Weltblick (er brauche Assad nicht, meint er an einer Stelle zu diesem) und Assad der nicht nur in Ermittlungskategorien denkt, sondern das direkt Menschliche wahrnimmt und formuliert.

Zu den beiden ist jetzt eine herrlich schräge, aber durchaus ernstzunehmende Mitarbeiterin im Büro gestoßen, Rose Knudsen, nicht so richtig zum Knuddeln, man sollte nicht den Fehler machen und sie wegen ihres Aussehens nicht ernst nehmen. Sie leistet patent und selbstverständlich den seriösen Teil der Polizeiarbeit, das Sortieren von Akten, Fotos, Texten, das Arrangieren der Infos an der Wand und das Sichtbarmachen von Zusammenhängen.

Warum höhere Kreise ein massives Interesse daran haben, dass der an sich abgeschlossene Fall, der durch einen blöden nicht ganz Zufall wieder akut wird, nicht wieder aufgenommen werden soll, das belegen Rückblenden aus dem Elite-Internat Griffsholm von vor zwanzig Jahren, was die heutige Elite Dänemarks dort vor allem Sonntags getrieben hat in dem abgelegenen Schloss. Das ist der Teil des Filmes, immer zwischen die aktuellen Ermittlungen geschnitten, wo hübsche junge Darsteller und Darstellerinnen auch verklärt schöne Liebesszenen zeigen dürfen, nebst einigen anderen weniger schönen Dingen.

Spannungstreiber für die Geschichte ist der Fakt, dass eine Augenzeugin der Verbrechen aus der Internatszeit noch lebt, dass sie einen ziemlichen Hau und unberechenbare Energien hat und nur schwer auffindbar ist, Danita Curcic als Kimmi Lassen.

Soll keiner glauben, die Kommissare würden bei einer solchen Reise in menschliche Abgründe ungeschoren, undurchlöchert davon kommen, denn Pilou Asbaek spielt den Erfolgsmenschen Ditlev Pram, der mit Familie und großzügiger moderner Villa, und David Dencik spielt Ulrik Dibbol, den Einzelgänger mit dem düsteren Schloss; das sind nicht nur Griffsholm-Internats-, sondern auch Jagdgesellschaftsseilschaften; mit solchen sollte sich die Polizei besser nicht anlegen.