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Traumfrauen

Bei diesem Film muss ich mich damit beschäftigen, warum er mich so wenig enthusiasmiert aus dem Kino entlassen hat.

Der Stoff könnte durchaus funktionieren in der Art eines Liebeskummerkastens wie ihn manche Frauenzeitschrift als Service bereitstellt, wo Menschen intime Liebsprobleme bequasseln können. Denn es geht um die Liebe. Um enttäuschte Liebe von Frauen und darum, wie Männer zu angeln seien, wie sie einfersüchtig zu machen seien.

Dazu sind aufgeboten eine Garde von hübschen Darstellerinnen verschiedener Altersgruppen. Im Zentrum drei jüngere Frauen, Hanna Herzsprung, Karoline Herfurth und Palina Rojinski. Sie alle haben gerade Frust hinter sich; sind verlassen worden oder haben verlassen. Sie wollen aushecken wie sie das ändern können. Auch die Muttergeneration, Iris Berben, hat gerade erlebt, wie ihr Mann, Friedrich von Thun, sich mit einer klobigen Rivalin vergnügt.

So weit so gut. Dinge gehen auseinander und wollen wieder in dieser oder jener Kombination zusammenkommen. Nach etwa einer Stunde gibt es einen Zwischenfrieden, es darf geküsst werden, bis nochmal Frust aufkommt, um dann auf das gewollte, etwas zäh sich einwindene Happy-Ende zuzusteuern. Da ist der Zuschauer nicht so mäkelig, wenn bis dahin alles gut gekocht war.

Das könnte auch vom Buch her funktionieren. Es kommt viel Herz, viel Alltag, auch Dildos und das Thema Verhütung vor, das Thema Blasen und wie dem Erbrechen vorbeugen wird eingebracht, das Googeln von Männern auf dem Radar, das Erinnerungsvermögen der Goldfische. Denn Anika Decker, die Drehbuchautorin diese Filmes, ist versiert in dem Business, hat bereits die Drehbücher oder die Dialoge für mehrere Erfolgsfilme von Til Schweiger geschrieben.

Warum das hier nicht so recht überschwappen will von der Leinwand, liegt meines Erachtens daran, dass die Autorin Anika Decker hier auch als Regisseurin fungiert. Das dürfte der Grund sein dafür, dass mir der Film vorkommt wie abgestandenes Startheater von Omas 50er Jahre-Kino; nur, dass die Darstellerinnen damals deutlich mehr Pep hatten.

Einzig der Darteller Elias M’Barek scheint zur Zeit einen Lauf zu haben, der ihn resistent gegen jedes Drehbuch und gegen jede Regie zu machen scheint; er überzeugt lächelnd bis grinsend, wobei er beim Happy-End-Kuss mit Hannah Herzsprung sicher gerne beim Küssen die Zunge reingehängt hätte. Leider zeigt die Nahaufnahme peinlich, dass die Akteure sorgsam darauf achten, nicht zu intim zu werden. Ängstlich gestoppter Ausdruck von Gefühlen im Happy-End, würg. Das nimmt schon sehr viel Laune. Aber das ist es nicht.

Noch mehr dürfte die Laune verdorben werden, wenn bekannt würde, was die Stars hier alle verdienen, was sie an öffentlichen Geldern für dieses schwerfüßigen Film abziehen.

Es scheint ein Folge der Pfründenstruktur im Filmland zu sein, dass eine erfolgreiche Autorin bei einem hochgeförderten Film ohne weiteren Ausweis von Qualifikation im Regiefach die Regie übernehmen darf, auch wenn sie, wie Exemplum zeigt, absolut keine Ahnung davon hat, noch nicht mal mit ner Kurzfilmregie sich empfehlen kann (zumindest laut IMDb); während richtige Talente, die noch dazu eine sündteure, öffentliche Filmhochschulausbildung hinter sich haben, womöglich gleichzeitig spazieren gehen. So eine desaströse Politik wäre in der Privatwirtschaft nicht möglich und gälte als hochgradig unverantwortlich.

Die Folge dieser nicht einschreitenden oder ungünstig einschreitenden Regie ist die, dass die Schauspieler überdeutlich ihren Schuh in der steifen, timing- und rhythmusfeindlichen, nicht filmaffinen Inszenierung durchziehen, und dass es obwohl es um die Liebe geht, zwischen den Profis so gar nicht knistert. Der Starcast funktioniert nicht. Da helfen keine Pointen aus der Unterwäsche.

Problem Karoline Herfurth: sie spielt eine Anwältin; die stellt sie zwar als eine beachtenswert komische Figur mit Schnellsprechehrgeiz dar; aber die Anwältin nimmt man dieser auch etwas tüdeligen Trutschen nun wirklich nicht ab, erst recht nicht, dass es sich bei ihrem Arbeitgeber um eine Topklanzlei handle.

Die Makellosigkeit der Stars auf der Leinwand scheint Anika Decker wichtiger zu sein als deren Spontaneität, Lebendigkeit und Interaktion. Womit sie ihr Drehbuch wie eine kitschig geschminkte Leiche zu Grabe trägt.

Von Menschen und Pferden

Pferdenarren, Menschennarren, Islandnarren. Benedikt Erlingsson als isländischer Narr. An keinem Hofe. An keinem Kinohofe. Ein freier Narr, der sich die Narrenfreiheit nimmt, einen Film über Menschen und Pferde zu drehen, der so wirkt, als sei das die absolute Dokumentation über Island, als gebe es dort nichts anderes.

In keiner Weise „gewollt“ skurril oder schräg. Aber so schräg, so skurril wie kaum vergleichbar. Warum sollen die Menschen sich in freier Natur nicht so frei fühlen wie die Pferde. Die Pferde treibens auch so. Der schwarze Hengst besteigt die weiße Stute, selbst wenn ein Reiter drauf sitzt. Und aus der näheren und weiteren Umgebung betrachten das die Menschen hochinteressiert durch ihre allzeit griffbereiten Fernrohre.

Nähe und Weite. Intimität und Öffentlichkeit. Mensch und Natur. Eine solche Natur wie die isländische ist nicht nur eine grandiose Natur fürs Kino. Für Kinobilder, die den wilden Westen leicht erblassen lassen können. Hier ist die Intimität (des Kinos auch) gleichzeitig die Öffentlichkeit. Die Weite, die Nähe.

Die Pferde müssen gelegentlich gezäumt werden, damit sie geritten werden können. Zum bloßen Ausritt wie des Mannes mit der weißen Stute, der es ihr nicht verzeiht, dass sie sich besteigen lässt. Leben, Liebe und Tod liegen hier verdammt nah beieinander.

Was für ein Rhythmus, wenn der große Mann auf dem kleinen Pferd seinen Spaziertrab hält, welch Stakkato von Unvermeidlichkeit und der Einheit von Pferd und Mensch und Dringlichkeit des Schicksals! Der Ritt übers Land wird von den Feldstechern verfolgt. Dann Tee bei einer Familie. Mit einer Frau, die einen Mann gebrauchen könnte. Aber so schnell geht es bei Menschens in Island nicht zu wie bei den Pferden. Da ist viel Zeit (kurze 80 Minuten ist der Film lang) für andere Pferdegeschichten.

Der Säufer, der vorher schon in seinem Jeep einen Radfahrer erschreckt hat, der Stoff braucht, der einen russischen Seelenverkäufer sichtet in der Bucht, der ein Pferd nimmt, mit ihm zum Meer reitet, auf dem Pferd im Meer schwimmt, zum Frachtkahn hin, wie die beiden hochgezogen werden, Dollar gegen Wodka, der sei aber stark, 98 Prozent, den müsse man mischen. Die Russen kennen die Isländer schlecht. Auch diese Episode wird unvermeidlich tragisch enden.

Freiheit und Gefangenschaft. Pferde in einer Koppel stacheldrahtgeschützt. Ein alter Isländer will das nicht haben. Er zerschneidet den Stacheldraht. Der Mann auf dem Traktor verfolgt ihn und seine zwei befreiten Pferde. Auch diese Verfolgung wird tragisch enden. Unvermeidlich.

Dem Befreier geht der nächste Stacheldraht ins Auge. Alltägliche, große Dramen, die in der isländischen Weite so normal, so banal wirken, so nicht gewollt, so nicht systematisch. So als ergeben sie sich „naturgemäß“, thomasbernhardsch, unvermeidlich wie in einem Naturfilm oder in starker Literatur – die Politik würde von alternativlos sprechen. Das Leben ist wilder als die Regeln von Geschichtenschreibern es wahr haben wollen. Auch mit den Pferden gibt es ganz wilde Szenen. Auch solche wie im Zirkus.

Wenn die Frau mit der roten Teerjacke mit einer Siebenerreihe von Pferden über Land reitet, aber wie sie vorher mit bloßen Händen einen Stacheldrahtzaun um sie gelegt hat. Weh tun die Bilder, die liebt der Fimemacher Benedikt Erlingsson narrisch, wenn im Auge des Pferdes sich Menschen spiegeln oder erst Stacheldraht. Das geht ins Auge. Endir.

So crazy, aber eben nicht auf gezielt crazy, er hat quasi nur die Augen aufgemacht, es scheint ihm ins Auge gefallen, nonintentional, auch nicht diese längst perfektionierte, professionell zu nennende Lakonie, die oft in skandinavischen Filmen zu beobachten ist. Momentweise traut man seinen Augen nicht. Pferde sind nicht unbedingt inszenierbar wie Menschen.

Selma

USA 1965. Dr. Martin Luther King hat eben den Friedensnobelpreis erhalten. In den Vereinigten Staaten gelten theoretisch die gleichen Rechte für Schwarze und Weiße. In der Praxis aber werden die Schwarzen durch unendliche Tricksereien der weißen Administration in vielen Staaten vom Wahlrecht ausgeschlossen. Es bedürfte eines Wortes, einer Vorlage von Präsident Johnson, um das zu ändern.

Dr. King will nun einen Fall des verwaltungstechnischen Ausschlusses vom Wahl- und Stimmrecht in Selma, Alabama, zum Anlass nehmen, den Präsidenten gewaltlos unter Druck zu setzen, endlich seine Stimme für die Durchsetzung des gesetzlich garantierten Rechtes zu erheben.

Die Aktion wird in einen Marsch von Selma auf Montgomery, die Hauptstadt von Alabama, münden, der beim ersten Versuch blutig niedergeschlagen wird, aber durch die nationalen Fernsehsender Aufsehen erregt.

Beim zweiten Versuch marschieren bereits viele Weiße mit, vor allem Kirchenleute. Auch der wird abgebrochen, weil Dr. King der Freigabe der Edmund Pettys Brücke durch die Polizei misstraut.

Drehbuchautor Paul Webb hat diesen Vorgang zur gewaltlosen Durchsetzung eines demokratischen Rechtes höchst sorgfältig zu einem spannenden Drehbuch umgearbeitet. Hier kommen die verschiedenen Positionen, die der Gewalt und die der Gewaltlosigkeit, die für die Bürgerrechte und die für die Unterdrückung derselben dialektisch und die Handlung vorantreibend bestens und schön nachvollziehbar zur Geltung, in modellhafter Klarheit. Auch die hinterhältigen Machenschaften der Politik, die Überwachung von Dr. King, der Versuch, Unfrieden in seiner Familie zu stiften, Angebote von Deals sowie die Diskussion unter den Schwarzen, die Gewaltposition von Malcolm X oder eben die der Gewaltlosigkeit von Dr. King, auch Übungen, wie mit Polizeigewalt umzugehen sei, werden gezeigt. Der Fall ist wie didaktisch aufbereitet, Wort für Wort gründlich.

Ava DuVernay inszeniert die Geschichte mit einem stimmigen Ensemble als großes Startheater; für unseren europäischen Geschmack allerdings zu pathetisch, ein schwerblütiges Melodram; aber sie lässt den Figuren auch genügend Zeit zum Denken, für innere Konflikte und hält so oft die Frage „wie weiter?“ in der Schwebe; spannungserzeugend wie im Krimi; ein Krimi und gleichzeitig eine Lektion in angewandter Demokratie, deutlich duchbuchstabiert, wie in Zeitlupe die Vorgänge untersucht, Aktion, Reaktion und dabei immer Würde zeigend.

Wem gehört die Stadt? Bürger in Bewegung

Ein Agit-Prop-Film der verhaltenen Art als Anregung und Musterbeispiel der noch lange nicht ausgereiften Kultur der Bürgerbeteiligung bei großen Bauprojekten.

Und doch nicht eine Lektion, dazu sind zu viele, scharnierhafte Details ausgeklammert. Eher kursorisch berichtet Anna Ditges, die Dokumentaristin, die ihr alleiniges Team war, davon, wie im Kölner Stadtviertel Ehrenfeld ein ehemaliges Indsutriegeländer, das heute von kleinen Handwerksbetrieben belebt und bewohnt wird, von der Besitzerfamilie verkauft werden möchte. Wie diese Familie befreundete Architekten (und Investoren – das sind so Details, die im Film nicht recht klar werden), einigermaßen kopflos beauftragen, das Projekt einer riesigen Shopping-Mall zu entwerfen, um ihr Gelände, auch dieser Gedanke muss der Zuschauer selber machen, vermutlich zum Höchstpreis an Investoren zu verscherbeln, die die Mall im Einklang mit der Politik errichten sollen.

Das Projekt vertreibt die angestammten Bewohner, das erzählen Einzelbeispiele von Handwerkern oder eines Kebab-Imbisses. Auch den Kommentar muss der Zuschauer selber machen: die Idee mit der Shopping Mall, die ist zwar, wie es im Film heißt, nicht vom Himmel gefallen, aber sie war wohl nicht sehr reflektiert, was die Architekten an Vorarbeit geleistet haben, das waren Rücksprachen mit den Behörden, von da her schien alles glatt zu laufen. Bis die Bewohner davon hörten und sich ihr Widerstand regte. Ab da war die Dokumentaristin über Jahre bei den Versammlungen dabei als Frontberichterstatterin.

Man erfährt, dass für das Projekt eine frühzeitige Bürgerbeteiligung gewünscht wird. Beim ersten Treffen gibt es noch heiße, erregte Diskussionen. Irgendwann entsteht die Idee, eine Schule zu bauen statt der Mall (wobei die Frage ist, ob denn die Stadt dafür genügen Geld habe); aber auch die Idee mit der Schule erweist sich als eine fixe Idee und macht deutlich, dass, auch das überlegt sich der geneigte Zuschauer selber, bei solchen Projekten als allererstes ein breites Brainstorming vonnöten wäre, was überhaupt denkbar und realisierbar ist. Denn durch die Idee der Schule fühlen sich die Handwerker übergangen, kein Mensch redet mehr davon, Ateliers für Künstler, kleine Betriebe zu planen.

Oft grenzt es an Bastelei, wenn die verschiedenen Arbeitskreise, die sich bei den Bürgern bilden, an Veranstaltungen auf Stellwänden ihre Wünsche und Ideen präsentieren. Am Schluss entsteht daraus ein dickes Buch mit den Resultaten des Brainstormings der Bürger, wobei die Politik wieder verzweifeln kann; denn über den Bebauungsplan entscheiden Ehrenamtliche der Stadt Köln. Wo sollen die die Zeit hernehmen, solche Wälzer zu studieren? Der Verkauf des Gländes kann allerdings nur über die Bühne gehen, wenn ein gültiger Überbauungsplan vorliegt.

Der Stand der Entwicklung am Ende des Filmes ist der, dass das Projekt Shopping-Center vorerst aufs Eis gelegt ist, dass also die Bürgerbeteiligung durchaus Wirkung gezeigt hat; aber der geneigte Zuschauer befürchtet, dass im Endeffekt doch das Geld siegen wird.

Problem des Monopolbesitzes im Gegensatz zum Kleinteiligkeitsgedanken.
Auch der Gedanke, dass eine Stadt leben muss, sich entwickeln muss.
Die Dokumentaristin bleibt am Objekt ohne große Ausflüge in umrundende theoretische Fundierungen.

Der Film entwirft immerhin das Bild einer modernen, selbstbewussten Gesellschaft mit selbstverständlicher Bürgerbeteiligung, einer modernen Bürgergesellschaft (wobei das wahrscheinlich noch lange nicht den gesetztlichen Vorschriften und Praxis entspricht?, Frage des Zuschauers), zeigt aber auch, wie schwierig Meinungsbildung, Mehrheitsfindung ist; wie viel Kompromiss von jedem verlangt wird.

Der Film verleitet eher dazu, ein Traktat über Bürgerbeteiligung zu schreiben. Ein Art Frontbericht, der einem nicht alles vorkaut.

Die Idee mit der Schule, die sei übrigens von oben gekommen – und erstaunlich spät. Die Finanzlage der Stadt Köln ist katastrophal, eine dramatische Situation. Also werden doch die Investoren den letzten Entscheid behalten, ohne Rücksicht auf die Bemühungen der Bürger? Denn den Investoren ist schnurz, was sie bauen, es muss sich nur rechnen.

Fazit des Planers Bowens-Adenauer: Shopping-Mall ist nicht der Hit, das hat das Verfahren gezeigt.
Das kann also noch dauern mit der Planung, der Kebab-Laden-Besitzer baut schon mal seinen 15-Meter hohen Abluftkamin, er riskiert die Investition und den Bürgermeister freut das, der bei ihm nur selten vorbeischaut.

Diese Doku als Frontbericht erhellt eine konfuse Stadtplanung, die die Investoren wildern lässt, so lange die Bürger sich nicht rühren. Sie zeigt jedoch, dass auch die Bürgerbeteiligung mit vielen Fragezeichen und Kleinkariertheiten versehen ist, dass sie kein Garant für stadtplanerische Kompetenz ist.

Spongebob Schwammkopf 3D

Verrückte Abenteuer, die alle einschränkenden bürgerlichen und Benimmregeln auf den Kopf stellen und bei denen nur der Teamgeist zählt, erlebt die Zeichentrickfigur Spongebob, Schwammkopf, auf der Suche nach einem verlorenen Rezept nicht nur in seinem Biotop unter Wasser, denn die Bikini-City ist zerstört, sondern auch auf dem Meer und an Land bei den Menschen, wohin der Pirat sie mit seinem Schiff bringt.

Das Kernteam besteht aus Schwammkopf, der in seinem Design an Bart Simpson erinnert und seiner treuesten Begleiterin, der winzig kleinen, grüne Alge, die so wunderherrlich weinen kann, wenn etwas nicht gelingt und die an Land, jetzt wollen wir mal einen auf Muskelmänner machen, zu gigantischer Größe mit umso kleiner wirkendem Kopf sich verformen kann. Der Dritte im Bunde ist Mr. Krabs, der die Krabbenburger zubereitet. Sein Rezept ist verloren gegangen.

Um zu dem Rezept zu gelangen müssen die Drei kurz eine Zeitmaschine herstellen, damit sie in die Zeit zurückkehren können, wo sie das Rezept noch in einer Flasche gesehen haben. Da begegnen die Figuren in verschiedenen Altern sich selber, was auch nicht der Komik entbehrt.

Der Film erinnert an die Unverfrorenheit, wie Disney anfangs die Erlebnisse seiner Figuren tollkühn entwickelt hat, ohne sich um die Ansprüche bürgerlicher Bildung zu scheren. Eben, der Spaß, aus dem Nichts etwas zu schaffen, was die Fantasie erblühen lässt und sich nicht den Regeln unserer historisch-physischen Welt beugt.

Was es nicht alles gibt! Pommes-Regen und Mayo-Explosionen, Möwen, die besser sprechen als singen, Plankton-Roboter, der König der Schnecken, der ruinierte Bikini-Bottom, Eindringen in das Hirn von Schwammkopf, das aus Süßwaren und Zuckerwatte besteht, eine rosa-süße Traumwelt, der Kampf mit dem Wächter eines Abfalleimers, Mr. Bubbels, der Delfin und die leichter Hand übernommene Aufgabe, aufzupassen, dass Jupiter und Saturn nicht zusammenstoßen (was dann prompt passiert).

Es wirkt alles wie eine Spielzeugwelt, die Kinder nach Lust und Gusto durcheinanderwirbeln, wobei auf 3D sehr wohl verzichtet werden könnte, vielleicht gerade, weil es der Witz ist, der kreativ spielerische Geist, der das Chaos anrichtet und auch wieder klärt.

Es ist die Rede von herzlosen Monstern, die mit ihrem puren Selbsterhaltungstrieb beschäftigt seien. Und dann traumhafte Bilder von Kanonenkugeln, die in Seifenblasen eingefasst entschärft durch die Luft schweben oder Taddeus, dem die Magier einen strammen Sixpack verpassen, was unter der schlottrigen Zeichenfigur urkomisch wirkt, eine Kohabitation von Geist und Muskeln. Eine crazy world, die dem Zuschauer das Recht auf Fantasie nicht nur nicht abspricht, sondern ihm das Gefühl vermittelt, darauf ein umumstößliches, exklusives Recht zu haben.

Die deutsche Synchro hat sich von der Frische der Zeichnungen animieren lassen.

Altman

Dieses Biopic von Len Blum nach einem Drehbuch von Ron Mann über den Extraklasse-Regiemeister Robert Altman versucht einen doppelten Zugang zu dieser schwer schubladisierbaren Persönlichkeit.

Der eine ist der chronologische. Der ist unterfüttert mit viel Material aus Filmen, aus Making-Ofs, aus Interviews, Filmpremieren- und Filmpreisverleihungen sowie privatem Home-Movie-Material aus Altmans vielköpfiger Familie; auch seine Witwe erzählt einiges.

Der andere Zugang geschieht über Statements zur Frage nach der Charakterisierung von Robert Altman, die Frage lautet: was ist altmansch? Antworten wie: furchtlos, aufs Außenseiter setzend, seine eigenen Regeln machend, Leben, Freiheit und das Streben nach Wahrheit, den Amerikanern den Spiegel vorhaltend, das Unerwartete bringend, nie aufgebend, das Familiäre schätzend, aufzeigend, wie verletzlich wir sind, Geschichten erzählen, Inspiration. Diese Statements kommen von Prominenten wie Paul Thomas Anderson, Keith Carradine, Elliott Gould, Julianne Moore, Michael Murphy, Robin Williams, Bruce Willis und vielen anderen. Auch sie geben damit zu verstehen, dass Robert Altman schwer einzuordnen ist, dass man sich mit ihm und seinem Werk auseinandersetzung muss, dass Hochjubeln abgleitet an einem Nonkonformisten seines Kalibers.

Er selbst erzählt über sich, er sei immer seinen Weg gegangen, mal sei er dadurch mehr im Mittelpunkt gestanden, mal weniger. Oft hat er es sich mit den Produzenten und Studiobossen verscherzt, ist rausgeschmissen worden. So ist er für eine Zeit nach Paris gezogen, hat dort kleinere Filme gemacht.

Wie schillernd diese Persönlichkeit ist, kommt zur Geltung an verschiedenen Fakts, nicht nur dass er gerne Party gefeiert hat. Wie er einmal am Rande der Pleite stand, zu einem Zeitpunkt, wo er eine 6-köpfige Familie zu ernähren hatte, lud er seine Gattin zu einem Ausflug nach Las Vegas ein. Vorher hatte er sein letztes Geld in einem Pferderennen auf einen Außenseiter setzend beachtlich vermehrt und in Las Vegas kam noch eine weitere Tranche Gewinn dazu, so dass die Lücke überbrückt werden konnte. Volles Risiko gezockt.

Auch wie er zu seinen ersten Jobs kam, da gibt er ungeniert zu, dass er seine Biographie entsprechend frisiert habe. Wie er später sich einer Herztransplantation unterzogen hat, hat er das geheim gehalten, weil die Branche mit so etwas nicht umgehen kann; erst bei der Verdankung des Ehrenoscars, den ihm die Academy kurz vor seinem Tod noch verliehen hat, da erlaubte er sich nicht nur, das zu erwähnen, sondern zu drohen, er habe jetzt das Herz einer dreißigjährigen Frau, so dass er voraussichtlich noch einige Jahre weiter arbeiten werden.

Er hatte ein hohes Bewusstsein von der Wertigkeit der Darsteller und ihm war immer an einer familiären Atmosphäre am Set gelegen. In den Beruf hineingearbeitet hat er sich nach dem Motto learning by doing. Er hat Industriefilme gemacht, Fernsehserien, und als er damit aneckte, weil er mehr Realismus versucht hat, hat er sich entschieden, eigene Filme zu machen. Es entsteht in diesem Film das Bild eines Mannes mit Eigenschaften, die wohl jenem Nonkonformismus und eigenständigem Denken zuzuordnen sind, wovor die hiesigen Filmförderer und Fernsehredakteure zurückschrecken wie der Teufel vorm Weihwasser.

Gerne hätte man mehr über seinen geistigen Background, über den Boden seiner Denke erfahren, aus was für einem Elternhaus er kam, wie sein Weltbild geprägt worden ist, was den Kern ausmacht, der dafür sorgte, dass ihn nicht Markenbranding qua Stiling interessierte, sondern die Wahrhaftigkeit des einzelnen Filmes. So dass es schwer ist, von einem typischen Altman-Film zu sprechen.

Zu seinen aufregendsten Werken mit der revolutionärsten Wirkung aufs Kino dürften gehören „M.A.S.H.“, „Nashville“ und „Short-Cuts“.

Auch bei den Tonaufnahmen hat er eine Revolution gestartet. Erstens ließ er Darsteller überlappend sprechen, dann fing er mit der Einzelverkabelung der Schauspieler an, wodurch er von jedem einen Originalton hatte, den er präzise einmischen konnte.

Sein Einstellung: die Schauspieler zu ermutigen, sie aber vor Peinlichkeiten zu bewahren.
Die Diskrepanz zwischen ihm und der Industrie: er meint, er macht Handschuhe, die Industrie verkauft sie als Schuhe.
Ein anregendes Muss für den, der sich mit Kino beschäftigt.

Into the Woods

Der deutsche Wald ist der Wald der Romantik, ist der Wald der Gebrüder Grimm.

Was wäre das amerikanische Kino, das amerikanische Musical und der amerikanische Musical-Film ohne die Gebrüder Grimm und den deutschen Märchenwald? Den haben Stephen Sondheim und James Lapine als Kulisse genommen, um darin ein Musical spielen zu lassen nach dem Motto: hinein in den Wald, into the Woods.

Hier sucht jeder Erlösung, zumindest ein Stück in Richtung Glück, denn hier blüht etwas (das singen sie später). Anfangs singt jeder seinen Wunsch „I wish“. Es wird aber auch getrickst und einander in die Quere gekommen. Keiner muss jedoch Angst haben im Märchenwald, zumindest unsere Figuren gehen furchtlos hinein.

Gleichzeitigkeit verschiedener Märchen der Gebrüder Grimm, vom Rotkäppchen, das dem Bösen Wolf begegnet, Jack als eine Art Hans im Glück, der eine Kuh verkaufen soll, Rapunzel und Prinzen und Aschenputtel, und Jack und die Riesen, alle sind sie unterwegs, haben eine klare Aufgabe – nach etwa 1 ¼ schnellen, unterhaltsamen Stunde haben erst mal alle ihr Glück gefunden, die falschen Prinzessinnen ihren großen Zeh verloren, Rapunzel ein Stück Haar an die Hexe abgegeben, der Bäcker und seine Frau haben für die Hexe die weiße Kuh (das Weiß leider mit Mehl getrickst), ein rotes Stück Kleid (das von Rotkäppchen), einen goldenen Schuh und ein Stück Rapunzelhaar abenteuerlich gesucht und gefunden und jetzt soll die Kuh damit gefüttert werden und wieder Milch geben, denn nur so können die Bäckers ein Kind bekommen. Die Story quasi fantastisch am Rapunzelhaar gesponnen, aber auch der Maiskolben hat Haare, vielleicht merkt die Kuh den Unterschied nicht.

Lang kann das Glück nicht dauern. Es gibt Hypotheken aus der Vergangenheit, wenn man so will, unbewältigte Finanzkrisen interpretationsweise, die nur noch unwichtig wie irgendeine Bohne scheinen und von den Menschen vernachlässigt werden. Sie kommen wieder ins Spiel, werden achtlos weggeworfen, es funkt und es entsteht der Riesenbaum aus Jack and the Giants. Nun gilt es zusammenzustehen.

Jetzt wirken die übrig gebliebenen Figuren (manche verschwinden kommentarlos aus der Geschichte) wie Boat-People, wie Flüchtlinge, die alles verloren haben, denn der Riese, resp. das Wüten der Riesin hat wie ein Crash der Weltwirtschaft gewirkt, den keiner sich wünscht.

Jetzt heißt es erkennen, dass es nicht gut ist, wenn man allein ist, dass in so einer Situation keiner allein ist, dass man es gemeinsam schafft, aus dem Wald und der Wirrnis wieder herauszukommen.

Das alles und vieles mehr hat Rob Marshall nach dem Drehbuch vom Musicalautor James Lapine mit einer wunderbaren Riege bekannter Hollywoodstars leinwandtüchtig gemacht. Meryl Streep (umwerfend freundliche Hexe) und Johnny Depp (böser Wolf), Anna Kendrick (Aschenputtel), James Gordon als der Bäcker und Emily Blunt als seine Frau, leicht inszeniert, Kamera- und Schnitt übernehmen direkt den Musicalrhyhtmus in teils famos überlappenden Szenen und Gesangsteilen und die Stars singen, dass man glauben würde, sie seien nachsynchronisiert von echten Sängern. Angenehm wohl dosiert ist der Einsatz von Computereffekten, bei Szenen, wo die Hexe verschwindet, da sind sie direkt als Zaubertricks sichtbar.

Der diskrete Schmunzelcharme dieser Inszenierung zeigt sich am deutlichsten und köstlichsten in der Szene, wo die beiden Prinzen auf einem Wasserfall ihr Duett singen, das könnte deutsche Schlageromantik pur verheiratet mit Hollywoodkitsch sein, ist aber mit einem deutlichen Augenzwinkern des Regisseurs aufgenommen, worin dieses genau liegt, kann ich allerdings nicht konkret sagen. Vielleicht ist es der Waldrahmen, der das ausmacht, vielleicht kann es das Zitat des Prinzen belegen „ich wurde erzogen, charmant zu sein, nicht ehrlich.“ Vielleicht belegt es auch die Art, wie die im Wald zurückgebliebene Gruppe versucht, die Riesin zu bekämpfen; das geschieht zum einen Teil mit Überlegung, und zum anderen ohne jede blutige Aggressivität, ein milder Kampf ganz ohne Brutalittä, die inzwischen in so viele Hollywoodkinderfilme Eingang gefunden hat; vielleicht auch weil hier das Motto gilt: Recht und Unrecht spielen im Wald keine Rolle (was impliziert, dass es hier auch keine Rechthaber, die ihr Recht mit Waffen verteidigen, braucht). Es ist der deutsche Märchenwald, der Wald der Geschichten, denen die Kinder immer wieder zuhören wollen.

So war es denn doch typisch der mythische Wald.
Schön die Entschuldigung der Hexe, dass sie lediglich versucht habe, eine gute Mutter zu sein.

Wo es Märchen gibt, da bist Du nicht allein, da ist jemand an deiner Seite.

Jacky im Königreich der Frauen

Wer weiß, was in der Köpferei von Riad Sattouf, der diese Nordkorea-Muslim-Mann-Frau-Breierei angerichtet hat, vorgegangen sein mag. Vielleicht eine große Verwirrerei. Eine mächtige Faszination in einer Umdreherei der geschlechtlichen Rollen und Bekleidereien und der sprachlichen Verglunimpfereien und Verdrehhornballungen.

Das Setting ist eine Diktaturerie wie Nordkorea. Wir wundern uns, dass dem Diktatoren seine Internethacker nicht längst einen Angriff auf den Pandastorm Pictures Verleih gestartet haben. Denn in diesem Nordkorea sind die männlichen Bewohner alle in Muselmannen-Gewänder wie Frauen gesteckt und verrichten die entsprechenden Arbeiten. Beten tun sie mit muslimischen Gesten. Der Pöbel wohnt in Siedlungen wie nordkoreanische Gefangenenlager.

Leichter Hand wird schnell geköpft und gehenkt. Die Nachwuchsgeneralin, Charlotte Gainsbourg, schreckt vor nichts zurück, auch nicht davor, dass auf ihre nackte Haut realistisch ein männliches Geschlechtsteil angemacht wird und sie wirkt erschreckend glaubwürdig in der ärmlichen nordkoreanischen Uniform. Sie will sich einen Mann aussuchen aus ihren Untertanen.

Wie in Nordkoreas Horrorcamps (hier genannt „Mustersiedlung“) sind diverse Dinge unter Todesstrafe verboten, vor allem das Abhauen. Schnell mal wird eine Mutter gehenkt.

Der junge Protagonist und Titelfigur Jacky, Vincent Lacoste, ist ein hübscher Darsteller und spielt seine Rolle ernst, wie es sich für eine Komödie gehört. Er macht sich auch gut mit weiblicher Perücke.

Eine Schuhwurfszene kommt vor, ist historisch aus anderer Diktatur belegt, ein irakischer Journalist hat einsten einen Schuh auf den Kriegstreiber Bush geworfen.

Am Schluss frisst der Pöbel die eigene Scheißerei und findet das köstlich (so die Lieutnantese). Nur wird nie so richtig klar, was der Film mehr will, als Genderwechsel- und Diktaturploitation, Nordkoreaploitation, weil die Bildermacht solcher Dikaturen (auch mit den königlichen Interieurs in den Palazzi) im Kino moralfrei recht ergiebig sein kann.

Breieri, Blasphemerie, Schleierei, Polizeierei, Exploiterei vermutlich auch des Filmes Camp 14 – Total Control Zone, Schleimschlotzen, dödeln, es gibt illegales Flugblattdrucken, und volles Romanzen-Schmalz in Diktatur. Aber so richtig beißen tut die Komödie nicht, eher blödeleit sie. Jacky auf französisch: la bonne bouille. Eine schrullige Kinorei aus der Rumpelkammer der Despoterei.

Whiplash

Rohe Musikpädagogik.
Der perfekte, perfekt eingeübte Standard-Jazzsound täuscht perfekt darüber hinweg, dass dieser Film von Damien Chazelle das reinste Horrorgemälde über die Musikpädagogik in einem allerdings längst überholten aber offenbar immer noch praktizierten Modus ist.

Die Schüler müssen gebrochen werden, sie müssen zu Höchsteistungen angetrieben werden. Dazu setzt der Pädagoge Fetcher an der Shaffer-Musikschule die billigsten Machtspiele, eine anekelnde Homophobie-Begrifflichkeit zur Diskriminierung ein: Tunten, Tussen, Arschficker, Cocksucker, Schlappschwänze, Motherfucker, Wichser, Mr. GayPride, Ladies, Schlampe ist sein üblicher Pädagogensprech.

Das Machtspiel. Einer hat falsch gespielt, einer von den Rohrblattbläsern. Keiner rührt sich. Fetcher fragt einen, lässt ihn spielen, war das richtig oder falsch? Der Bedrängte gesteht, dass es falsch war und wird des Raumes verwiesen. Der Pädagoge grinst und sagt, nee, es war ein anderer, aber dass der das nicht gemerkt hat, ist schlimm genug.

Pädagogik zum Speien perfide. Sie will nur das Gute. In einem späten Gespräch wird Fetcher unserem Märtyrer-Schüler Andrew gegenüber seine Pädagogik verteidigen, denn ein Charlie Parker würde sich davon nicht fertig machen lassen. Eher zu vermuten, dass ein Charlie Parker von so einem widerlich-autoritären Rotzklotz von Lehrer sich nicht lange hätte demütigen lassen von dieser Erniedrigung, die Schüler von Fletcher in den Selbstmord getrieben hat.

Das Ausspielen von Konkurrenten untereinander gehört zu dieser hinterhältigen und wenig fruchtbaren Methode, wobei sie, das scheint mir eine gewisse Widersprüchlichkeit im Film, beim apotheotischen Schlusskonzert durch das grandiose Trommelsolo von Andrew wie gerechtfertigt wird, obwohl er das gegen den Willen von Fletcher macht, der sich zusehends erwärmt dafür – und das vor vollem Konzertsaal. Amerikanisch-sentimental-religöse-Läuterungsszene.

Als ein merkwürdiger Leistungkosmos wird die Musikwelt dargestellt, Ziel sei die Carnegie-Hall. Das sind offenbar Musiker, die alles mit sich machen lassen, die sich alles bieten lassen, und sowieso, die süße Nicole, die Andrew vom Schnellimbiss kennt und in seinem Kopfe ventiliert, die hat auch vor der anvisierten Karriere zurückzutreten.

Eine Musikwelt, in der es nur richtig oder falsch gibt, in der nicht die Seele des einzelnen Musikers und was er mit seinem Instrument ausdrücken will, im Zentrum steht, wie moderne Musikpädagogik es versucht.

Berufsmusiker der Topetagen müssten nach diesem Film alles devote, untertänige, hierarchiegläubige, wenig selbstbewusste, gebrochene Menschen sein. Vielleicht sind sie es auch. Vielleicht nicht. Sie brauchen offenbar die diktatorische Knute, die Schwarze-Schaf-Spiele. Eine kalte Welt des Status. Aber wie eine Gegenwelt aussehen könnte, da sind unserem Autoren die Sinne verschlossen.

Das alte Machtspiel: zu schnell, zu langsam, wie warst Du? Du weißt das nicht? Und Anschiß und Gebrüll. Ein diktatorisches Vorschreib- und Gehorsamssystem. Stellenweise wirkt der Film wie ein Lob dieser autoritären, erniedrigenden Musikpädagogik. Pädagogik, die nicht von der Freiheit des Menschen und seines Ausdruckes ausgeht, sondern die ihn ständig an seinem schlechten Gewissen, nicht genügend geübt zu haben, einen Ton nicht richtig getroffen zu haben, zu schnell oder zu langsam zu sein (are you a rusher or a dragger?), brutal gängelt und diszipliniert. Diktatorenterrorismus-Pädagogik der abscheulichen Art.

Die Frau in Schwarz 2: Engel des Todes

Hier sind junge Horror-Enthusiasten am Werk, die sich für gediegene, feine Horrorästhetik, keinesfalls aber für Horrorspannung interessieren.

Der Vorgängerfilm Die Frau in Schwarz ist noch gut in Erinnerung. Jetzt hat ein neues Team, sowohl hinter als auch vor der Kamera, die Möglichkeit erhalten, auf der Grundlage einer weiteren Geschichte derselben Autorin, Susan Hill, ein Sequel zu drehen.

Die Regie führte diesmal Tom Harper nach dem Drehbuch von John Croker. Diese Filmemacher sind vielleicht ein Stück weit Frischlinge in der Branche zu nennen; jedenfalls noch keine ausgebufften Altherren, die die Tricks filmischen Erzählens aus dem Effeff kennen. Und also sind sie womöglich noch Suchende, haben teils nur vage Vorstellungen vom Horrorgenre und haben ganz offenbar auch nicht systematisch überlegt, wie auf der Leinwand glaubwürdig Grusel und Gruselspannung herzustellen ist. Wie der Schauder über alltägliche Situationen in das Leben der Protagonisten und damit ins Zentrum der Gefühlswelt des Zuschauers eindringen kann. Das will hier nicht so richtig gelingen, trotz teils umwerfend schöner, grandios düsterer, traurig-grauer Farbaufnahmen; so, dass zwischenzeitlich der Verdacht keimt, hier ist Horrorspannung mit Farbgebung, resp. mit Farb- und Lichtentzug verwechselt worden.

Die Horroreffekte aus dem Nichts, Gegenstände, die rumknallen, Elektrizität, die nicht tut oder blitzt, sind hier ineffizient und noch dazu miserabel getimt eingesetzt. Eine genaue Analyse des Scheiterns dieses Horrorversuches wäre sicher zu aufwendig, da sie ja gegen die Schönheit der Bilder argumentieren müsste.

Immerhin so viel. Der Vorgängerfilm begleitet Radcliff lange im Zug ins Gebiet des Horrors. Die Zugfahrt lässt die Erwartung steigen, umso mehr, als sie stinknormal wirkt. Mit nichts versuchten jene Macher anzudeuten, dass sie Horror im Sinn haben. Sie interpretieren den Horror nicht, was im Sequel bei Croker und Harper möglicherweise eine der Handlungen war, nein, im ersten Film passiert er sozusagen gezwungenermaßen, weil die Story genau am richtigen Ort landet.

Hier im Sequel erleben wir erst eine Bombennacht in London, mithin Horror der nicht steigerbaren Art, echten Horror. Dann sollen zwei kinobildhübsche und entsprechend angezogene Britinnen eine Schar von Kindern mit dem Zug aus London hinaus begleiten, weg vom Horror. Die Kinder sollen in eben dem Horrorhaus des Vorgängerfilmes untergebracht werden, das nur über einen langen Damm vom Festland aus zu erreichen ist, der nur bei Ebbe passierbar ist.

Bis zum Erreichen des Horrorhauses erleben die Kinder bereits eine Fülle alltäglichen Horrors, vom Bombenhagel in London über das Gedrängel beim Einsteigen in den Zug, das Aussteigen, das Umsteigen in den Bus bis zum Erreichen des Horrorhauses und nicht zu vergessen: die Begleiterinnen.

Hat der Vorgängerfilm als Exposition eine vertraute, alltägliche, ruhige Situation gewählt, so wird hier mit Kriegs-, Verkehrs- und Erziehungshorror begonnen, dem mit keinem noch so geschmack- und stilvollen Kinohorror und entsprechend zauberhafter Horroratmosphäre begegnet werden kann.

Dieser Film hat sich vielleicht im Morgendussel zwei linke Schuhe angezogen, die er vom Künstlerischen, was die Macher uns bieten, so gar nicht verdient hätte. Zusätzlich erzählt er Geschichten, die ablenken vom Horror, die Liebesgeschichte der jungen Begleiterin mit dem Psychologen, das ist Roco, die so im Horrorgenre deplaziert wirkt. Auch andere Figuren erzählen aus ihrem Innenleben, was jedoch in keinerlei Wechselwirkung zu dem Horror steht, so dass er als dramturgischer Impuls wirksam werden könnte. Auch die ältere der beiden Begleiterinnen, die von ihren privaten Geschichten, von ihren Eltern erzählt. Als psychologische Erläuterung zum Horrorvorgang gedacht? Auch die Absturzgeschichte des Piloten ist nicht weiter hilfreich für das Zünden der Horrorladung des Filmes, kann den Horrorblindgänger nicht verhindern.