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Erica Jong – Breaking the Wall

Herrschaftlich leben in New York

Das ist das stärkste Augenfutter in dieser Doku von Kaspar Kasics über die Erfolgsautorin Erica Jong: ihre luxuriösen Wohnverhältnisse in einem New Yorker Wohnhochhaus mit Portier, Liftboy, aber offenbar nicht mit so viel Personal, dass sie selber sich kümmern muss, wenn die Waschmaschine kaputt ist. Da entstößt ihr dann doch ein Seufzer, wie ein Thomas Mann denn hätte schreiben sollen, wenn er sich um solche Dinge hätte kümmern müssen.

Ihr Mädchenname ist tatsächlich Mann, wie der berühmte Dichter. Sie ist aber nicht verwandt (zumindest ist es so nicht nachzulesen), ihre Vorfahren kamen aus Polen und Russland.

In dieser mit Kunstwerken, Büchern und feinen Möbeln gut ausgestatteten Wohnung lebt sie mit ihrem Mann und zwei Pudeln. Sie veranstaltet Parties. Die New Yorker Society ist nicht weniger Augenfang; am stärksten allerdings die Protagonistin selbst.

Somit ist der Film auch das Porträt einer Upper-Class-New-Yorkerin. Sie stammt aus glamourös-bourgoisen Verhältnissen. Mit 31 hatte sie ihren Durchbruch mit „Angst vorm Fliegen“, weltweit. Sie gilt als Feministin, aber interessanterweise hatte sie immer wieder ganz normal geheiratet.

In Connecticut hat die Familie eine ländliche Dependance mitten im Wald, ein attraktives Holzhüttengebäude aus mehreren in einander veschachtelten Kuben.

Erica Jong ist es gewohnt, sich zu präsentieren, sie ist kameraffin, hat keine Hemmung, vor der Kamera zu sprechen. Zu erzählen hat sie viel aus ihrem langen, engagierten und produktiven Leben. Nachwuchs gibt es auch.

Zum Dokumentaristen hat sie ein vertrautes Verhältnis. Covid nutzt er für ungewöhnliche Bilder aus New York, leer so leer. Der Film bietet nebst Archivmaterial aus dem Schriftstellerinnenleben einen Ausflug nach Venedig, wo Erica Jong einige Bücher geschrieben hat. Nach wie vor setzt sie sich für die Befreiung der Frau ein, das fange mit der Fantasie an und damit, die Dinge beim Namen zu nennen, auch beim Schreiben; nur so könne Veränderung in Gang gesetzt werden. Sie fordert, Gleichheit zuzulassen; ein früher Förderer von ihr war Henry Miller.

Der vermessene Mensch

Schwere Schuld

Vor 120 Jahren hat das deutsche Kaiserreich in Namibia schwere Schuld auf sich geladen mit KZs und Völkermord an den Hereras.

Ein nicht allzu beliebtes Thema in Deutschland. Vom Bundestag werden immer mal Wiedergutmachungsforderungen aus Namibia abgeschmettert. Ein Verdrängungsthema. Dem will Lars Kraume (Der Staat gegen Fritz Bauer, Das schweigende Klassenzimmer, Playing God, Meine Schwestern) etwas entgegensetzen mit einem Film, der mit jedem Bild diese Schuld bewusst macht.

Es ist ein moralisches Kino, dicht gemacht, es lässt dem Zuschauer keine Freiheit. Es ist ein Kino, das keine Sekunde vergessen lässt, dass es eine moralische Verpflichtung hat. Diese erfüllt es hervorragend und dürfte daher vor allem ein Kino für den Schulunterricht sein zur Illustrierung eines schlimmen Kapitels deutscher Kolonialgeschichte.

Ein junger Ethnoforscher, Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher), ist die Figur, die innerhalb des Filmes dafür sorgt, klarzustellen, wie schlimm die Deutschen in Namibia gehandelt haben. Er ist Wissenschaftler, hat selber aber wohl auch ein Charakterproblem, da sein Vater ein berühmter Forscher war.

In der Wohnung von Hoffmanns fängt der Film an wie in einem alten Völkerkundemuseum. Der junge Mann möchte die Welt kennenlernen und nicht nur Angelerntes verwenden. Er vermisst die Schädel von einer Gruppe von Hereros, die zu Ausstellungszwecken in Deutschland weilen. Da er ein ernsthafter Forscher ist, entdeckt er, dass es unter der Gruppe sehr gebildete Menschen gibt, die auch Deutsch sprechen. Kezia Kembazembi (Girley Jazama) übersetzt für ihn und, ja, er wird sich verlieben. Das ist 1904.

1906 fährt Hoffmann nach Deutsch-Südafrika und wird Zeuge des Völkermordes an den Herero.

Davon wird der Film grausame Momente festhalten. Er wird aber auch die Liebesgeschichte fortschreiben, die wiederum Einfluss auf den Verlauf der Geschichte haben wird.

Es ist ein Film im Sinne weisungsgebundener Fernsehredakteure, es ist kein Film im Sinne Hollywoods, das noch den übelsten Stoff für ein breites Publikum erträglich und einträglich aufzubereiten vermag.

3 Paare, ein Ziel – Mädchen oder Junge (Folge 3) (BR, Mittwoch, 22. März 2023, 23.50 Uhr)

Oberflächlicher Versuch der Spannungserzeugung mit dem Hinausziehen der Antwort auf die Frage, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, billig.

Albernheiten wie Gender-Reveal-Part nehmen zu viel Platz ein. Tun nichts zum Thema. Genauso wenig wie Fußball-Footage.

Diesmal kriegt Sabrina die befruchtete Eizelle eingesetzt – wegen organischer Schwierigkeiten unter Vollnarkose.

Andererseites, da dem Menschen seine Gesundheit und Fortpflanzung sein A und O sind, kann dazu beliebig viel Sendemasse produziert werden, sie findet immer Abnehmer.

Dann zielt der Film wohl auf die Geburt des Knäbleins der beiden Müttern hin. Ist natürlich lustig, dass von den drei Paaren, zwei Hetero, eines Lesben, just diese den Nachwuchs bis zur Geburt bringen. Der BR zieht das arg in die Länge und füllt es mit Blabla.

3 Paare, ein Ziel – Zusammen schaffen wir alles (Folge 2) (BR, Mittwoch, 22. März 2023, 23.20 Uhr)

Max und Jasmin versuchen es in Prag mit Pünktchen.

Laura und Jasmin veranstalten eine Gender-Reveal-Party mit Family and Friends und im Moment, wo der Luftballon, der das verraten soll, platzt, gibt’s einen Schnitt, damit die Zuschauer auch die nächste Folge anschauen müssen.

In Prag ist es mit Pünktchen, wie Jasmin – was eigentlich? – das aufgetaute Ding nennt, alles besser als erwartet gegangen. Sie hatte das Vertrauen in die deutsche Schulmedizin verloren; in Prag konnten die ihr Dinge sagen, die sie in Deutschland nicht erfahren hat.

Sabrina und Denis sind samt Sohn Julian überzeugt, dass sie es zusammen schaffen werden.

Die deutsche Schulmedizin kommt nicht gut weg.

Die Doku fährt fort in ihrer Mäuschen- und Statementmanier. Ein Dokuverständnis, was sich selbst genügt, indem es einfach dabei ist und die Leute drauflosreden lässt und auf Umgebungsarbeit verzichtet.

3 Paare, ein Ziel – Unser großer Traum (Folge 1) (BR, Mittwoch, 22. März 2023, 22.45 Uhr)

Künstliche Befruchtung

Es gibt den israelischen Spielfilm Two, der wunderbar das Thema der künstlichen Befruchtung anhand einer Beziehung von zwei Frauen differenziert beleuchtet.

Jetzt gibt es diese fahrig gedrehte und fahrig montierte Doku vom BR, der die Leute drauflosreden und -plappern lässt, der dokumentarisch tut, aber dann doch wieder nicht informativ genug ist, von Rachel Roudyani, Ariane Dreisbach, Tobias Henkenhaf und Robert Stöger, redaktionell betreut von Christiane von Hahn.

Von ihren Frustrationen zu dem Thema erzählen, Sabrina (3 Fehlgeburten) und Denis, Sabrina bringt Sohn Julian in die Beziehung. Sie lassen nicht locker. Der Traum von Laura und Julia ist es, ein Kind in die Beziehung zu bringen. Seit über drei Jahren versuchen sie es. Diesmal ist Julia schwanger. Jasmin und Max sind das dritte Paar; die versuchen den Embryonen-Transfer in Prag. Jasmin ist am Rande der Verzweiflung, denn sie sieht den ultimativen Lebenszweck einer Frau in der Mutterrolle, ein doch erstaunlich konservatives Weltbild, was der BR damit nolens volens weitergibt.

Schockierend ist, wie viele Medikamente diese Frauen im Hinblick auf einen Embryonentransfer nehmen müssen. Die Doku geht kaum über die alltäglichen Bewältigungsprobleme hinaus, schon gar nicht fragt sie, ob die Paare denn einen Plan B hätten, falls es nicht gelingt.

Kommentar zu den Reviews vom 16. März 2023

Klein aber oho die Auswahl an Filmen, heute aus den USA (von vor 50 Jahren), Korea, Marokko, aus den USA von heute, aus Deutschland und eher öha aus europäischer Koproduktion.

Kino
GANJA & HESS
Erdolchung mit mythischem Relikt zeitigt ungeahnte Folgen.

BROKER – FAMILIE GESUCHT
Babyklappe und die Folgen

SHAZAM – FURY OF THE GODS
Philadelphia in der Hand von Superkatastrophen und von Superhelden

DAS BLAU DES KAFTANS
Schwul in Marokko in einer Vermeer-Bilderwelt

LUFTKRIEG – DIE NATURGESCHICHTE DER ZERSTÖRUNG
Geballte Symphonie historischer Bilder durch die deutsche Geschichte

INSIDE
Einem Weltstar beim Geldverdienen zuschauen

DVD
DER KLEINE NICK ERZÄHLT VOM GLÜCK
Der hat echt Glück mit seinen beiden Vätern.

MEINE CHAOSFEE UND ICH
Bis Vollmond das Portal finden: sonst wird aus der Fee eine Blume.

TV
TATORT HACKL
Machen die jetzt einen auf Groschenstarkino?