Living – Einmal wirklich leben

Wunderbar ironische Betrachtung des Wesens eines Beamten

Der Film von Oliver Hermanus nach dem Drehbuch von Kazuo Ishiguor, Akira Kurosawa (nach dessen Film Ikiru) und Shinobu Hashimoto spielt im England der frühen 50er Jahre.

Waren die Briten vielleicht eh schon förmlich, so waren es die Beamten besonders. In Anzug und mit Melone sind die Mitarbeiter des Planungsbüros gemeinsam mit dem ÖPNV unterwegs. Sie werden eingeführt über den Neuzugang Peter Walkening (Alex Sharp, der Neugier weckend das Feierliche eines Beamtenanfängers verkörpert). Mit ihm als Hauptfigur müsste der Film allerdings anders verlaufen. Hier dient er dazu, zur Hauptfigur überzuleiten, das ist der Abteilungsleiter, der an einer Station zusteigt, sich aber nie zu seinen Mitarbeitern setzt; es ist Bill Nighy als Williams.

Ritualhaft passiert der Marsch vom ÖPNV zum Amt. Der Umgangston ist gedämpft. Die Akten stapeln sich. Der Nachwuchs lernt, dass man mit zu kleinen Aktenstapeln als unterbeschäftigt gilt.

Das Motto der Abteilung scheint zu sein, was man lange genug liegen lässt, erledigt sich oft ganz von selbst. Wenn Klienten etwas wollen, werden sie prinzipiell erst auf andere Abteilungen verwiesen. Und wenn es wirklich nicht mehr anders geht, dann wird die Akte auf einem Stapel abgelegt.

Das erleben auch vier Frauen, die sich dafür einsetzen, dass auf einem verwahrlosten Grundstück ein Kinderspielplatz errichtet werden soll durch die Stadt, durch die städtische Verwaltung.

Es gibt Einblicke in das vertrocknete Privatleben von Williams. Die Frau ist gestorben, Sohn und Freundin würden dringend Geld brauchen, um eine Familie zu gründen und er selbst weiß, dass er todkrank ist.

Das erstarrte Herz von Williams fängt wieder an zu leben, wie es zu einer außerberuflichen Begegnung mit seiner ehemaligen Angestellten Margaret Harris (Aimee Lou Wood) kommt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass der Film anhand des Beispiels des Kinderspielplatzes die mögliche Bandbreite von Beamten-Aktivitäten ins andere Extrem auffächern kann. Das passiert so liebevoll und anrührend, ohne sich je billig lustig zu machen über Beamtenmentalität; denn auch Beamte sind – irgendwo und irgendwie – nur Menschen, die ihr Leben als Plackerei empfinden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert