Return to Dust

Das Pfeifen der Flaschen an der Traufe

steht für den poetischen Teil an diesem Film von Li Ruijun aus der Volksrepublik China. Es ist damit der Ton gemeint, der bei Wind aus jenen abgebrochenen Flaschen pfeift, die die Bauern auf den von ihnen selbst hergestellten einfachen Lehmhäusern zum Abfluss des Regenwassers an der Stelle der Dachtraufe mauern. Dieses Pfeifen kann interpretiert werden wie es will, als Ankündigung von Üblem, von schlechtem Wetter und im übertragenen Sinne von Üblem, was in der menschlichen – oder gar der chinesischen – Gesellschaft passiert und was in diesem Film bildlich als Idylle bis zur Erschöpfung erzählt wird. Die Geschichte von den Schwachen, Ausgestoßenen, Diskriminierten einer Gesellschaft, für die der Satz über den Esel gilt: ein Leben lang nur ausgenutzt.

Dazu gibt es schöne poetische Bilder; der Esel, der die beiden Protagonisten begleitet, das Motiv der Schwalben, die ihr Nest selber bauen, der aus einem grünen Blatt gebastelte Esel, der das Problem der Nahrungsbeschaffung nicht habe.

Im größeren philosophischen Kontext können Titel und Story als eine Illustration des vosokratischen Satzes gelesen werden, dass die Dinge darin, woraus sie ihren Ursprung haben, auch ihren Untergang finden. Staub zu Staub.

Der Film ist allerdings in einem aktuellen gesellschaftlichen chinesischen Zusammenhang angesiedelt, dem Problem der Entvölkerung des Landes, des Booms der Städte. Auf dem Land bedeutet das, dass in Dörfern, in denen die Bevölkerungszahl schwindet, für jedes abgerissene Haus eine stattliche Prämie gezahlt wird. Geld macht die Menschen nun mal gierig und das wird hier im Film groteske Folgen haben. Hinzu kommt, dass einem Dorf in Neubauhochhäusern Wohnungen zustehen, die eine kleine Anzahl Bewohner ‚günstig‘ erstehen kann.

Ruijun Li erzählt episch die Geschichte von Bruder 4 (Renlin Wu) und Guiying (Hai-Qing). Es sind Außenseiter der Gesellschaft. Guiying wurde immer geschlagen, ist inkontinent und unfruchtbar, sie ist in einem Stall aufgewachsen. Ma gilt auch nicht als sonderliche, gesellschaftliche Leuchte. Die beiden werden von Verwandten über eine Kupplerin zusammengebracht und verheiratet. Es sind zwei Geschöpfe, die sich nicht wehren können, die alles mit sich machen lassen, die sich ausnutzen lassen. Auch die Heirat machen sie unwidersprochen mit.

Bruder 4 und Guiying sollen ins Dorf von Ma zurück. Sie erhalten dort ein Grundstück, das sie bewirtschaften und auf dem sie ein Lehmhaus bauen. Das ist die anrührende Seite der Geschichte, wie diese beiden Kreaturen das schaffen, sie schaffen es tatsächlich. Aber Ma wird vom Dorf ausgenutzt. Der Boss, der nie die Löhne bezahlt, liegt im Krankenhaus, er braucht Blut einer bestimmten Gruppe. Ma ist der einzige im Dorf, der diese hat. Er spendet Blut bis zur Erschöpfung.

Die jungen Funktionäre im Dorf handhaben das managerhaft. Sie brausen in den neuesten BMWs durch die Gegend, während Ma und Guiying nur ihren Eselskarren haben. Das erinnert an die biblischen Bilder von der heiligen Familie, allerdings ohne Kind. Sie repräsentieren die sprichwörtliche Armut, die nicht mal einen Fernseher haben und bei den Nachbarn schauen müssen.

Symptomatisch ist die Geschichte, die ein Irrer erzählt habe, was soll der Weizen sagen, zum Vogel, zur Mühle? Symbole von Schicksalsergebenheit.

Die Dialoge sind von brechtscher Knappheit und Prägnanz.
Fürs internationale Arthouse-Publikum?

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