Rimini

Der Mensch ist ein Würmchen,

das sehnt sich nach seiner Mutter, wie Michael Rehberg als Vater des Protagonisten es herzzerreißend zu verstehen gibt in seiner letzten Rolle zur Winterreise von Franz Schubert, gesungen von Richard Tauber „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“.

Der Mensch ist ein Würmchen in den streng von Vertikalen und Horizontalen dominierten Bühnenbildern des Strukturmoralisten Ulrich Seidl.

Der Mensch kämpft und wuselt und die apodiktischen Linien rühren sich nicht. Der Mensch ist ein Würmchen, das sich nach der Mutter und davon abgeleitet nach der Liebe sehnt. Aber die Mutter des abgehalfterten Schlagersängers Ritchie Bravo (großartig glaubwürdig: Michael Thomas) ist gestorben, deshalb kehrt er zurück in das Elternhaus, das nur noch sein Bruder Ewald (Georg Friedrich) bewohnt.

Die Besichtigung dieser streng gesetzten Inneneinrichtung ist ein kleiner Film für sich, der allein über die angesammelten und ausgestellten Gegenstände das Leben der Familie schildert, die Jagd war wichtig, aber auch die Wurlitzer-Jukebox.

Die Brüder holen ihren dementen Vater im Heim ab für die Beerdigung. Vater kapiert nicht so richtig, was passiert ist. Auch die Anordnung ist streng stilisiert, die Menschen sind bei Seidl Striche in seiner Anordnung.

Hauptspielort des Filmes ist, wie der Titel sagt, Rimini. Es ist nicht das lebensfrohe Rimini eines Fellini. Es ist ein winterliches, tristes Rimini, oft mit Schnee, immer wieder mit fein dekorplatzierten Obdachlosenfiguren.

Es ist ein Rimini nach der Saison. Nur vereinzelte Reisegruppen, vor allem älterer Damen verirren sich hierher. Vor ihnen tritt Ritchie auf, erinnert mit rauem Schmalz und Charisma in der Stimme daran, dass der Mensch für die Liebe da sei. Er selbst ist ein Charmeur und Anmacher. Und lässt sich auf Sex ein. Lässt sich dafür auch ein Geld geben. Seidlhaft realistisch mutet das an, nicht unbedingt appetitlich, aber auch überhaupt nicht ekelhaft, würmchenhaft allenfalls.

Eine Frau verfolgt den alten Schlagerstar. Es ist Tessa (Tessa Göttlicher), es ist seine uneheliche Tochter, für die er nie Unterhalt bezahlt hat. Es ist ein durchgehendes Thema des Sängers, dass er mit Geld nicht zurechtkommt und ein anderes ist es, dass er dem Alkohol gerne zuspricht. Eine abgehalfterte Existenz, der seinen Bungalow an Gäste vermietet, während er sich in ein Drittklasshotel verzieht.

Tessa verlangt von ihm, auf einen Schlag den ausstehenden Unterhalt zu bezahlen. Sie möchte auch materiellen Glanz in ihr Leben bringen; sie ist das Würmchen-Dasein satt.

Der Film artet aber nicht in mafiöse Stränge aus, wie Tessas Begleiter, der immer nur stumm in der Nähe steht, eventuell suggerieren könnte. Da Ritchie ein heilloser Sentimentaliker ist, gerät dabei die Contenenace nie aus den Fugen. Es wird sogar zu einer gewissen Annäherung kommen, die nebenbei noch das urchristliche Thema der Herbergssuche illustriert. Auch hier zeigt sich, dass Ritchies Herz weitaus größer ist, als sein ökonomisch-rechnerischer Verstand. Bilder von trostloser Herzlichkeit.

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