Vortex

Bei diesem Film von Gaspar Noé gibt es einen filmtheoretischen Ansatz und selbstverständlich den Plot-Ansatz.

Anfangs laufen gleich die Titel von unten nach oben über die Leinwand. Sie deuten auf einen bildhauerischen Zugriff des Filmemachers hin. Die Buchstaben sind wie in Stein gehauen, wirken wie ein Fries. Auch das Zitat vom Traum im Traum, der das Leben sei und um Edgar Allen Poe erweitert, dass nur der Träumer wach sei.

Nach der themenindizierenden Inhaltswidmung „Für alle, deren Gehirn sich früher zersetzen wird als ihr Herz“ (Demenzthema), und nach dem Chanson „Mon Ami la rose“, das in einem kleinen Schwarz-Weiß-Quadrat von Erblühen und Zerfall erzählt, verwendet Noe konsequent den Split-Screen. Zuerst für die beiden Protagonisten des Filmes, das alternde Ehepaar bestehend aus einer Psychiatrin (Francoise Lebrun) und einem Autoren (Dario Argento), der gerade ein Buch über das Kino und den Traum schreiben möchte.

Dieses-Split-Screen-System verkapselt gewissermaßen jeden der Protagonisten im eigenen Lebenstraum, im eigenen Film, der oft Schnittmengen mit dem Film des anderen hat. Wie im Lied von der Rose gibt es zu Beginn eine hübsche Szene. Die Kamera schwenkt von einem Häusermeer an einem Kanal auf das Häusermeer dieseseits des Kanals und tiefer gelegen in ein verwinkeltes Wohngeviert mit Wohnungen fast wie Irrgärten. Die Liebe ist noch intakt. Über einen Hof schauen er und sie sich an.

Ja, er ist bereit. Er begibt sich durch die Wohnung zu ihr hinüber und sie trinken Wein auf dem Balkon und finden, das Leben sei ein Traum.

Ab hier folgt der Zerfall. Momentweise erinnert die Beziehung der beiden einen an den Film Liebe von Michael Handke, jedoch mit dem ästhetischen Zugriff eines Gaspard Noé.

Die Anfangsphase des Filmes wirkt wie zwei parallele Filme, ein Ehepaar in seinen täglichen Routinen, jeder in seiner Endlosschlaufe gefangen. So wäre der Film gut vorstellbar als Dauerprojektion in einer Kunstaustellung, gar in einer Glyptothek, da die Arbeit mit den Kameras, gerade, wenn sie dieselbe Szene aufnehmen, immer ein ganz besonders räumliches Gefühl, eine Dreidimensionaität herstellt, fürs Kino eher ungewöhnlich, was so über die Leinwand hinauswächst.

Nach und nach fasst der Plot Fuß. Demenz macht sich bei der Frau bemerkbar. Sohn Stephane (Alex Lutz) taucht auf. Er ist nicht gelungen. Er hatte selber ein Drogenproblem. Jetzt arbeitet er als Sozialarbeiter mit Drogenabhängigen. Er hat den kleinen Sohn Kiki (Kylian Dheret). Die Themen von Unterbringung der Mutter, Medikamenten müssen diskutiert werden. Aber auch Vater ist nicht mehr ganz gesund.

Momentweise wirken die beiden alten Leute wie Lemuren oder Olme, wie Schattengewächse, wie jeder in der Wohnung rumreust und rumwurstelt, was alte Leute halt so tun – oder auch mal in einen Laden geht; da schaut der Film kommentarlos bei deren alltäglichen Lebensbewältigung zu, quasidokumentarisch, mit einem gewissen Realtimeeffekt; anrührende Bilder für Alterseinsamkeit.

In der frühen Phase des Filmes sind über die Split-Screen-Szenen (die selbst wiederum als ein Hinweis auf grundsätzliche Schizophrenie des Lebens gelesen werden kann) Radiosendungen gelegt zum Thema Trauer, über Träume, Freud, über Wissen und Intelligenz; den Film auf das Existenzielle seiner Protagonisten befragend– und die Zimmer strotzen nur von kinogeschichtlichen Hinweisen mit Plakaten und Büchern, denn der Mann ist Filmjournalist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert