In den besten Händen – La Fracture

Klinik-Katastrophen-Movie

Der Film von Catherine Corsini, die mit Agnès Feuvre und Laurette Polmanss auch das furiose Drehbuch geschrieben hat, spielt zur Zeit der Demos der Gelb-Westen in Frankreich, die auch heftig mit der Politik des Präsidenten Macron hadern. Sie fordern Verbesserungen für schlecht bezahlte Berufe und bessere Renten. Das scheint lange her.

Das große Problem am Anfang des Filmes ist die Liebeskrise zwischen den beiden wundervollen Protagonistinnen des Filmes, zwischen der Zeichnerin Raphaelle (Valeria Bruni Tedeschi) und der Verlegerin Julie (Marina Fois), die mit Julies Sohn Eliott (Ferdinand Perez) zusammenleben.

Julie, die härtere, will Raphaelle verlassen. Raphaelle geht July nach. Sie stürzt, wird wohl kurz bewusstlos, kommt ins Krankenhaus, mit dem in der französischen Originalversion titelgebenden Bruch. Dort herrscht Chaos, denn die Demos der Gelben Westen sind von Polizeiseite in Gewalt umgeschlagen, es gibt massenhaft Verletzte.

Das Chaos im Krankenhaus hat selbstverständlich mit strukturellen Probleme zu tun, mit der Finanzierung des Gesundheitswesens, mit der personellen Unterbesetzung.

Kim (Aissatou Diallo Sagna) schiebt schon ihre sechste Schicht, obwohl nur drei vorgesehen sind. Allüberall wird der Mangel sichtbar. In den Fluren stauen sich die Patienten. Es gibt eine Dringlichkeitstriage, die ihren Ausddruck in farbigen Bändchen findet. Orange kommt schneller dran als Rot oder umgekehrt.

Raphaelle ist mit gebrochenem Ellenbogen eingeliefert. Ihre Freundin sucht sie. Ihr Knatsch geht in dem allgemeinen Lärm fast unter. Der drohende Bruch in der Beziehung.

Es bilden sich in solchen Stress- und Katastrophensituationen Ad-hoc-Solidaritäten, zum Beispiel mit dem Fernfahrer Caron (Pio Marmai), der bei der Demo angeschossen wurde, aber unbedingt am nächsten Morgen in der Früh mit seinem LKW losfahren will, aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, prekäre Verhältnisse. Die schwangere Elodie (Camille Samsterre) kommt mit Atembeschwerden und Tränengasproblemen immerhin schnell dran.

Die Regisseurin schafft einen turbulenten, ratzfatzradikalen gesundheitssystemkritischen Katastrophenfilm, dem weder Tempo noch Humor ab- und ausgehen – wie ein unterhaltsamer Erlebnisbericht.

Besonders Valeria Bruni Tedeschi, die nie ihren ungetrübten Zeichnerinnenblick verliert, andererseits mit kindlicher Naivität und auch ungefilterter Hysterie auf die Umstände reagiert und in der extremsten Stresssituation unpassende Witze reißt, wie die Story mit dem Krankenpfleger, den sie Einstein nennt. Sie dürfte nicht die Traumpatientin für gestresstes Krankenhauspersonal sein. Und dann plautzt ihr kaputtes Liebsleben wieder ungefiltert aus ihr raus.

Es gibt den Psycho, der nicht verlegt werden kann und hier ruhig gestellt werden muss, und der eine Geiselnahme initiiert, es gibt eine alte Bekanntschaft von Julie… es gibt die Polizeiorder, das Krankenhaus geschlossen zu halten und die Demonstranten, die hineindrängen, mit Tränengasproblemen davon abzuhalten, es gibt zum Glück ungehorsames Klinikpersonal, es gibt die groteske Szene des Röntgens des Armes von Raphaelle durch eine nicht informierte Assistentin.

Der Film heißt auf Französisch „La Fracture“, der Bruch und meint natürlich nicht nur den Bruch am Ellenbogen von Raphaelle und denjenigen in der Ehe der beiden Frauen, sondern viel dringlicher noch den Bruch in der französischen Gesellschaft, der sich in den Gelbwesten-Demos entlädt. Es ist eine hysterisch übertriebene Komödie oder eben eine Katastrophenkomödie, eine schwarze, die krass diese „patrie de merde“, dieses Scheißvaterland in der Form einer Groteske schwung- und temperamentvoll und nie leidend beschreibt.

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