Das Ereignis

Ein Männerfilm,

das war vielleicht der erste Kommentar, eher ironisch gemeint, aber bei weiterem Nachdenken über den Film von Audrey Diwan, die mit Marcia Roman auch das Buch nach dem Roman von Annie Ernaux geschrieben hat, bestärkt sich dieser Befund: es ist ein Männerfilm, von Frauen für Männer, es gibt viele hübsche nackte Frauen vor allem unter der Dusche zu sehen, der Film fängt mit einer Szene an, in der Studentinnen aus einem Studentinnenwohnheim sich BHs anpassen, weil sie ausgehen wollen.

Anbandeln, sich attraktiv machen. Sie sind attraktiv. Aber das ist nur der Augenfang, um den Männern einen Blick in das ihnen fremde Wesen Frau werfen zu lassen. Was sie gerade in den Umständen ungewollter Schwangerschaft am liebsten nicht tun.

Anne Duchesen (Anamaria Vartolomei) kommt aus den Verhältnissen einer Kneipe. Das Studium ist für sie das A und das O, das Erreichen und Bestehen der Prüfung. Sie wohnt in dem Wohnheim. Die Mädels lieben den Ausgang. Keine aus der Gruppe hat einen festen Freund. Es ist die Lebenssituation einer ständigen Aufgeregtheit. Es sind die frühen 60er Jahre. Und Anne ist plötzlich schwanger. Sie behält den Befruchter geheim. Auch der Zuschauer weiß das anfangs nicht.

Der Film bezieht seine Eindrücklichkeit daraus, dass Audrey Diwan vor allem mit Nah- und Halbnahaufnahmen arbeitet, fast immer ihre Protagonistin hautnah. Dass der Film weit über das Thema Abtreibung hinaus sehenswert ist, ist genau so der Darstellerin Anamaria Vartolomei zu verdanken. Sie spielt hervorragend und überzeugend dieses studentische Selbstbewusstsein, diesen eigenwilligen Stolz junger Erwachsener, diese leichte Arroganz junger Studentinnen; dann aber auch die Insichgekehrtheit, die Belastung durch die Schwangerschaft. Und dass sie diese sowieso geheim für sich behalten möchte. Und dass sie das Kind wegmachen lassen möchte, ein Vorgang, der damals strafrechtlich mit Gefängnis verfolgt wurde und zwar sowohl für die Schwangere wie für Ärzte oder Pfuscherinnen, die ihnen dabei helfen. Das bekommt der Zuschauer so nah zu spüren wie vielleicht kaum in einem Film, wie eine Schwangerschaft das Leben einer Frau radikal verändert.

Mit der Fortdauer der Schwangerschaft und der Zahl der erfolglosen Abbruchversuche gewinnt der Film an Dramatik; die wird unterstrichen nicht nur mit den Angaben zur Anzahl Wochen der Schwangerschaft, die Musik rührt hier heftig mit. Dabei gibt es Dinge zu sehen, die man nicht unbedingt sehen möchte. Aber die wiederum den Ernst der Situation drastisch untermalen. Nein, es ist kein erbaulicher Film. Aber gerade deshalb ein starker Beitrag zur Diskussion über Abtreibung. Und: waren das noch Zeiten, als es noch öffentliche Telefonapparate mit Münzeinwurf und Wählscheibe gab.

Man sollte die Protagonistin mit Preisen überhäufen, sie schafft es, Würde und Respekt bei dem schwierigen Thema zu wahren.

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