Tatort: Kehraus (ARD, Sonntag, 27. Februar 2020, 20.15 Uhr)

Zwei Kommissare wie aus der Puderdose
Erbarmungswürdig
10 Krapfen 11 Euro.

Der Tatort ist ein erbarmungswürdiges Format geworden, so dass selbst sein Erfinder, Günther Rohrbach, ihn inzwischen nicht mehr schaut, wie er kürzlich rundengeburtstagshalber Tobias Kniebe und David Steinitz von der SZ verriet.

Der Tatort ist einerseits Flaggschiff der zwangsfinanzierten einst stolzen ARD-Anstalten mit einer gewissen Monopolstellung am Sonntag-Abend und der Idee, soziale Themen ansprechend telegen spannend und verdaulich zu bringen.

Andererseits stehen die Anstalten unter enormem Sparzwang. Die Pensionen fressen ihre Budgets auf, die Teuerung, die Tariferhöhungen und die KEF ist nur vorsichtig mit der Genehmigung von Erhöhungen der Zwangsgebühr, die unfair zulasten einkommensschwacher Haushalte erhoben wird.

So müssen die Tatorte mit immer weniger Drehtagen und wohl kaum wachsenden Budgets auskommen. Das macht sich bei diesem Tatort unter redaktioneller Obhut von Zwangsgebührentreuhänder Cornelius Conrad schmerzhaft in jeder Faser bemerkbar.

Ein von Stefan Betz und Stefan Holtz schnell und löchrig auf ausgeleierten Storyschienen hingebatztes Buch, das wahllos in die Klischeekiste greift – man wäre versucht, von einer dilettantischen Storyzusammenschusterei zu sprechen. Fängt öd routinemäßig und sinnleer schon in der ersten Szene an.

Es ist Faschingsdienstag, Kehraus wie der Titel sagt; ob sich Gerhard Polt und Hanns-Christian Müller ob des Titelklaus geschmeichelt fühlen, ist eine andere Frage. Kommissar Leitmayr ist in seiner Wohnung und fummelt an einem Fahrrad herum. Schon diese Idee. Dann regt er sich noch auf über Lärm auf der Straße. Passt das zu seinem Charakter? Ist er wirklich dieser Spießer? Hat er überhaupt kein Verständnis für Fasching? Und warum wird hier ein Fahrrad eingeführt, wenn man den Kommissar nie auf diesem sieht? Mit solchen Inkonsequenzen und Löchrigkeiten mag ein Film nicht zu fesseln. Hier sieht man verschwendete narrative Energie, die besser auf eine gründlichere Ausleuchtung der an sich spannend angelegten Hauptfigur Rotkäppchen verwendet worden wäre.

Vielleicht reicht das Geld auch nicht für eine teure Regie. Die führt hier eine Christina Hartmann, wer weiß, aus welchen Gründen sie den Job bekommen hat.

Ein Beispiel für die Überforderung ist die Szene mit Monika Gruber, ihren drei Einkaufstüten und den beiden Kommissaren in der zwangsgeräumten Wohnung. Was fummelt sie ständig mit den Tüten herum, was die Kommissare? Beispiel für Unkonzentriertheit und Handlungsunklarheit. Das wirkt wie Verlegenheitsaktionismus und Verlegenheitsregie, mit der die Schauspieler nicht zurecht kommen.

Bei einer Befragung von Frau Pieper in der Kreuzstraße, wird sie einmal als Frau Weinzierl angesprochen. Keine Zeit, das zu korrigieren?

Geld sparen mit den Locations. Mehrere Szenen spielen in der Straße vor dem Reihenhaus des Vaters von Leo. Es ist offensichtlich, dass das Geld für die Anmietung einer Wohnung nicht da war. Also muss wie in Neapel alles auf der Straße spielen, typisch für München im Februar. Und interessant: dass es keine Neugierigen gibt, bei den diversen Spektakeln, die in diesem Sträßchen stattfinden. Nicht mal Geld für Komparsen.

Das sind alles Dinge, die an den Grundfesten der Glaubwürdigkeit eines Filmes rütteln. Der Film will einerseits Soziomelodram sein und andererseits Geldwäschekrimi. Und dann noch die Geschichte mit dem bissigen Hund, der der Täter war. Ein Storybatz zum Haarölsaufen.

Die zentrale Story ist die mit der überforderten, geschiedenen Mutter, die immer voller Pläne und Enthusiasmus ist, Gründerideen, die aber nichts packt, auch die Beziehung zum Vater ihres 14-jährigen Leo nicht, der für das Sorgerecht kämpft. Rotkäppchen heißt sie, eine Frau Weinzierl, sie ist bei „Irmi“, so hieß die Betreiberin der einst berühmten Theaterkneipe ‚Kulisse‘ hinter den Kammerspielen. Das mag eine liebenswürdige Insider-Hommage sein: hilft aber dem Film grad gar nichts.

Faschingsball. Ein Mann, mit dem Rotkäppchen heftig zu Gange ist, wird wenig später unten auf einer Treppe gefunden, tot. Dann kommt die nächste Unglaubwürdigkeit. Batic klingelt beim Rad reparierenden Leitmayr vorbei, mitten in der Nacht, nun so genau wann, ist nicht klar. Er ist mit zwei hübschen Bienen unterwegs und möchte diese bei seinem Berufskollegen über die Nacht auf dem Sofa unterbringen. Haarsträubend die Idee. Haarsträubender Gegenvorschlag von Leitmayer, er soll die Bienen bei sich unterbringen, mei, wen interessiert so was überhaupt, und Batic soll bei Leitmayr pennen (wäre ja vielleicht an der Zeit: späte Liebe und sicher ein Paukenschlag fürs Format). Wie viel Sendezeit wird hier mit Dingen vertan, die nicht der Story dienlich sind – Sendezeit mit Blödsinn verfüllt, was die Kommissaren in ein leicht deppertes Licht stellt.

Das Problem wird aus dem Film geschafft mit einem Anruf. Die beiden Kommissare gehen, faschingisiert wie sie sind, allzeit bereit an den Tatort vor der Irmi-Kneipe, Batic in der Pilotenuniform und Leitmayr rein theoretisch noch mit dem Lärmgrant.

Die ganzen Dinge, die in dieser Nacht noch passieren, sind zeitlich darin logisch nicht unterzubringen.

Es wird eine Who-Donnit-Geschichte ohne viel Geheimnis, vor allem ohne Interesse für die Figuren. Den Autoren geht es mehr drum, ein paar Pointen aus der Pointentrickkiste einzubauen oder einen Leitsatz von Steve Jobs durch den Drehbuchwolf zu würgen.

Die Personen bleiben auf der Strecke und das macht den Film so öde. Das Rotkäppchen bringen die Polizisten zum Ausnüchtern in die Polizeizelle und morgens drauf kann sie ganz helle von der Nacht berichten. Sie war eine der letzten intensiven Kontaktpersonen des Toten. Eine Sturzbesoffene als Kronzeugin.

Über den Toten kommt die Storyline der Geldwäsche in den Film. Sie bleibt diffus, abstrakt und Rotkäppchen kommt schließlich an einen schicken Wagen mit einem Koffer Geld im Gepäckraum.

Zehn Minuten vor Schluss ist die Polizei dem Hintermann mit dem schicken weißen Sportwagen auf der Spur. Er sei auf dem Weg zur Reihenhausstraße. Normalerweise müssten die Detektive jetzt mit Tatütata sich dorthin auf den Weg machen. Aber die Spur wird nicht verfolgt. Sie begeben sich stattdessen ins Tattoo-Studio und wollen wissen, woher die Betreiberin ihr Geld hat. Diese bricht weinend zusammen.

Derweil bereitet Rotkäppchen im verblichenen Faschingsprinzessinnen-Kostüm von anno dunnemals ihren selbst in die Wege geleiteten und kalkulierten Tod vor. Diese Raffinesse passt so gar nicht zur Person, wie sie bis jetzt dargestellt worden ist. Denn wenn sie so superschlau und vorausschauend wäre, wäre ihr Leben wohl anders verlaufen – aber ihre Charakterisierung ist ja gerade der ewige Enthusiasmus für neue Ideen, die nicht zu Ende gedacht sind. Ungenaue Figurstdudie durch die Autoren – das hat keine Plausibilität, führt aber zu einem malerischen Ende des Soziomelodrams, große Oper. Kein Kitsch zu klein, um nicht in den Tatort eingebaut zu werden; muss kein Sinn machen, so lange es bunt wie die Bild-Zeitung ist und so lange die Autoren sich dem doofen Publikum für überlegen halten, weil sie so etwas vielleicht schon mal woanders, wo es wahrscheinlich gepasst hat, gesehen haben.

Zwischendrin darf Batic eine dramatische Verschluckszene mimen, von der kein Mensch weiß, wozu sie gut sein soll, aber Rotkäppchen rettet ihn mit unerwarteter Präsenz und er spukt eine rote Pille oder Pastille aus – wozu die Investition öffentlicher Gelder in so eine Szene, die grad gar nichts zum Verständnis oder der Spannung des Filmes beiträgt? Im Gegenzug darf Leitmayr sich einmal in Unterhosen zeigen und sich anziehen. Klar, unangezogen kann er keine Verbrechen aufklären; das ist ja nun wirklich zwingend.

Die Darsteller sprechen so natürlich wie Nachrichtensprecher: „Der südafrikanische Rand ist in den letzten Wochen im Wert gefallen“.

Wie kann so ein schwaches Produkt überhaupt zustande kommen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Vielleicht weil es sich bei der Vergabe der Jobs an Produzenten, Autoren, Regisseure, Darsteller um ein reines Gunstgewerbe handelt, das jeglichem Wettbewerb abhold ist?

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

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