Last Night in Soho

Horror Loci

Der Titel gibt den Hinweis, ‚gestern Nacht‘ meint irgend ein Datum, es gibt keine präzisierende Zeitangabe dazu, wann das gewesen sein soll. Aber in Soho, so viel steht fest, dem Vergnügungsviertel von London. „Gestern Nacht‘ scheint also mehr den Horror Loci zu meinen, das was dort jederzeit Frauen passieren kann, was mit dem Ort, der Örtlichkeit zusammenhängt und wenig mit den Persönlichkeiten zu tun hat.

Edgar Wright (The Sparks Brothers) schildert elaboriert und höchst kinoartifiziell diese Stimmung in Soho, natürlich nicht nur den Horror, sondern auch den Genius Loci. Allerdings scheint er sich in die fixe Idee verrannt zu haben, die generelle Gültigkeit sowohl des Horrors als auch des Genius des Ortes anhand der Vermengung zweier Generationen von Frauen, die hier dasselbe erleben, zu beweisen. Das ist ein schöner Verwirreffekt, den er exzessiv verwirrend auf die Spitze treibt.

Notleidend dabei bleibt die Story, soweit sie nachvollziehbar werden soll. Von Anfang an begleitet die Protagonistin Eloise (Thomasin McKenzie) die Wahnvorstellung ihrer Mutter, die sich umgebracht haben soll, wie Eloise sieben Jahre alt war.

Anfangs des Filmes ist Eloise eine entzückend naiv begeisterte Landpomeranze, unschuldig und neugierig. Nur, wenn sie in den Spiegel guckt, steht da ihre Mutter (Aimee Cassettari). Die wird sie nicht loslassen. Die wird sie mehr als verfolgen. Denn sie hatte einen ähnlichen Weg gemacht.

Eloise ist an der Modeschule in London aufgenommen worden und macht sich begeistert und von guten Ratschlägen begleitet auf den Weg. Sie kommt zuerst in einem Studentenwohnheim unter, ihre Zimmermitbewohnerin ist eine Bitch. Sie stellt jenen Durchschnitt im Überdurchschnitt dar, die wohl doch nicht gut genug für eine eigene Karriere sind.

Der Film beginnt in den späten 60ern. Und dann nahe an der Heutezeit. Stimmungs- und Mileuschilderung von Edgar Wright sind meisterhaft. Das ist die Zeit, als Eloise Mutter London eroberte. Später kommt die attraktive Sandie (Anyaq Taylor-Joy) ins Spiel. Bis dahin sind schon fast im Sekundentakt die Zeitebenen ineinander geschnitten worden, dass einem schier schwindlig wird, die Orientierung über Zeit und Story abhanden kommt.

Auch in diesem Film scheint mir Wright, wie schon in den Sparks-Brothers, des Guten zu viel gewollt zu haben, am ehesten für Fachleute und Fans geeignet.

Nicht viel anders dürfte es sich mit diesem Film verhalten. Die Riesenfleissarbeit, die immer mehr in Richtung malerischsten Horrors gleitet, lässt das Storyhafte massiv verschwimmen. Die Warnung der Oma vom Lande bleibt trotzdem gültig: dass Soho nicht nur ‚Blessings‘ zu bieten habe.

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