Dagmarsminde
heißt das dänische Pflegeheim, das Objekt der Dokumentation von Louise Detlefsen ist und damit einen Beitrag zur Diskussion zum Thema Pflege leistet. Hier werden bemerkenswerte Denkansätze praktiziert, hier soll der Mensch in Würde seine letzten Tage verbringen und nicht so verwahrlost, wie es eine der Pflegerinnen bei den eigenen Eltern erlebt hat: vernachlässigte Patienten, Uringestank überall, trostlose Zimmer, wenig Interesse des Personals.
Die Dokumentation vermag zu berühren durch die Sorgfalt und Hingabe der Regisseurin, vielleicht auch dadurch, dass die Drehsituationen stets sorgfältig vorbereitet wurden, wohl auch im Interesse der Patienten. Es ist keine Guerilla-Dokumentation mit ständig wackelnder, womöglich versteckter Kamera. Hier könnten manche Szenen durchaus als Spielszenen gelesen werden. Auch in dem Sinne, dass das offenbar umstrittene Modell möglichst gut dasteht, mithin eine Verteidigungs- oder Werbedokumentation, die die Denkansätze sauber herausarbeitet und zur Diskussion stellt.
Kuchen statt Medikamente,
das ist eine der Maximen in Dagmarsminde.
Es gibt eine Besprechung des Pflegepersonals nach einem Neuzugang, da werden die ärztlichen Akten studiert und die Frage in den Raum geworfen, wie die Patientin wohl darauf reagieren werde, wenn alle bis auf ein Medikament abgesetzt werden.
Der Tod wird nicht ausgeblendet. Wenn jemand stirbt, gibt es eine gemeinschaftliche Verabschiedung, die Überlebenden und das Personal singen ein Lied, die dänische Flagge vorm Haus wird auf Halbmast gesetzt. Das Heim wirkt überhaupt viel mehr wie eine Alters-WG mit einem großen Gemeinschaftsraum, in welchem auch Fernsehen geschaut werden kann. Es gibt gemeinsame Spaziergänge.
Die Szene, die am meisten den Atem stocken lässt, ist diejenige, bei der besprochen wird, dass eine Patientin nicht gezwungen wird, noch zu trinken. Sie bekommt das Angebot, an einem feuchten Schwämmchen zu nippen und wenn sie trinken möchte, so wird der Wunsch selbstverständlich erfüllt. Es soll aber auf jeden Fall vermieden werden, dass sie nur trinkt, um dem Personal einen Gefallen zu tun. Respekt vor dem Menschen und dessen Würde geböten es, sie auf das Trinken verzichten zu lassen; wie nach drei Tagen die Schmerzen der Verdurstenden größer werden, bekommt sie Morphium eingeträufelt.