Polizeiruf 110 – Frau Schrödingers Katze (ARD, Sonntag, 20. Juni 2021, 20.15 Uhr)

Unterkomplexe Menschen 

In diesem Pollizeiruf wimmelt es von unterkomplexen Menschen. Das fällt aus drei Gründen auf. 

Zum einem wird das im Film selbst thematisiert, ob der Fall vielleicht nicht komplizierter sei, als er ausschaue; der Hupfer von kompliziert zu komplex ist naheliegend. 

Zweitens kommt das Drehbuch von Clemens Maria Schönborn als besonders einfältig rüber; möglicherweise sogar speziell durch die ordentliche, ganz offensichtlich coronakonform sein wollende Arbeit von Regisseur Oliver Haffner (Ein Geschenk der Götter, Wackersdorf, Frau Schrödingers Katze) mit den Schauspielern, teils doch recht fernsehgesättigten Akteuren. 

Drittens fällt diese Unterkomplexität der Menschen auf durch zwei Schauspielerinnen, die gerade das Gegenteil davon sind oder spielen: Ilse Neubauer als Johanna Schrödinger und Verena Altenberger als Bessie Eyckhoff. Die drei Szenen, die diesen beiden miteinander haben, sind einsame Glanzpunkte in der ansonsten ordentlichen Arbeit mit beliebig assortierten, ordentlichen Berufsschausspielern. 

Gegen die Biederkeit von Buch und Spiel arbeitet die Kamera von Kaspar Kaven, der in den Innenräumen gerne die Kamera in einem etwas schiefen Einfallswinkel einsetzt, wodurch ein Schuss Abenteuerlichkeit gegen die Unerträglichkeit des Biederseins eingebracht wird. 

Das Thema des Filmes ist ein zeitgemäßes: alte, isolierte Menschen ohne Familie und soziales Netz aber mit Vermögen, die leichte Opfer von Betrügern und Erbschleichern werden. Man könnte sich Ilse Neubauer auch vorstellen in einem Film, in dem sie Opfer eines Enkeltrickbetrügers würde. Das würde sie genau so fabelhaft rüberbringen. 

Hier aber hat das Drehbuch die bösen Menschen auf ihre Geld- und Erbgier reduziert, die Meyers (Lilly Forgách und Ferdinand Dörfler); hier haben die Darsteller vom Drehbuch her schon keine Chance, das Klischee zu durchbrechen und – ebenfalls vom Drehbuch her – auch nur die geringste Plausibilität für die mehrfachen Morde dieses einfachen Elektroinstallateurs zu erbringen. Das ist nur hanebüchen unglaubwürdig behauptet. 

Auch zwischen der Kommissarin und dem jungen Wissenschaftler Adam (Camill Jamal) zündet nichts, mag an der Besetzung liegen, wahrscheinlich sogar, aber sicher auch am Drehbuch und sowieso entsteht der Eindruck, da muss eine Liebesgeschichte für die Kommissarin ins Buch gewürgt werden, das sei doch sicher gut für die Quote, egal ob der Film darunter leidet oder nicht. 

Statt dass man sich mehr Zeit genommen hätte, das vermutlich doch komplexere Verhältnis der alten Frau und ihres vorgeblichen Pflegerehepaares genau zu studieren und darzustellen und diesem Verhältnis dadurch Glaubwürdigkeit zu verleihen, wodurch die menschlichen Abgründe verständlich würden. 

Das ist nicht ausgearbeitet. Es sind Spießer, die als apriorisch auf Verbrechen aus geschildert werden. So ergeht es der Figur des zwiespältigen Notars (Florian Karlheim). So eine Figur braucht schon vom Drehbuch her Charakterisierung, dass ihre Winkelzüge verständlich werden. 

Die Katze Pandora ist nicht schlecht, mit der die Geschichte anfängt, hier lässt sich Haffner gengügend Zeit, ihrem Weg von zuhause aus zu folgen, hier kann der Zuschauer sich auf eine vielversprechende Geschichte einstellen, die aus Gründen der erwähnten Unterkomplexität zur herben Enttäuschung wird. 

Zur Erbschleicherei kommt noch das Thema Fahrerflucht mit Todesfolge hinzu, ferner geplanter und nicht gelungener Mord, zwei vollendete Totschläge. Dann noch das Haschthema und das der Erpressung; damit übernimmt sich das Drehbuch heillos, verharmlost das Zentralthema, tut so, als lohne es sich nicht, sich näher und detailliert nachvollziehbar damit zu beschäftigen und behandelt die anderen Themen noch windiger, noch oberflächlicher, skizziert sie kaum an. 

Witzig ist der kleine Seitenhieb auf Schulmedizin und Pharmazie: welche Tabletten der Herzkranken wirklich helfen. 

Zum Thema Besetzung: da die meisten Rollen so gut wie nicht ausgeschrieben sind, ist relativ egal, wer was spielt; so könnte die Besetzung ein Gunsterweis an die Darsteller sein („der Florian muss jetzt auch mal wieder einen Drehtag bekommen“), weil sie so nett sind oder so handsome; jedenfalls war nirgendwo zu hören oder zu lesen, dass ein Wettbewerb um die Rollen ausgeschrieben worden sei. So kommt Beliebigkeit in den Polizeiruf, die nicht dazu dient, ihn glaubwürdiger oder besser zu machen. 

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

(Da komme ich mir echt blöd vor, dass ich vom Staat gezwungen werde, solch unterkomplexe Geschichten mitzufinanzieren).

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