Standesgemäss (DVD, VoD)

Ledige Adelstöchter.

Moderne Frauenschicksale und gleichzeitig altmodische Frauenschicksale, das ist der Spagat, den dieser Film von Julia von Heinz, die mit John Quester auch das Drehbuch geschrieben hat, zu bewältigen versucht anhand von drei adeligen Protagonistinnen aus dem deutschen Hochadel, in den besten Jahren und unverheiratet. 

Altmodische Frauenschicksale sind es, als diese Frauen, was Partnerwahl betrifft, den strengen Regularien des Adels, der 1918 in Deutschland abgeschafft worden ist, unterworfen sind; denn diese hält der Adel aufrecht: es wird Wert gelegt auf eine standesgemäße Beziehung und es gilt das Mannesstammesprinzip als fixe Größe, an der man mit keinem menschlichen Argument vorbeikomme, wie es an einer Stelle heißt. 

Wenn eine junge Adelige sich für ein selbstbestimmtes Schicksal entscheidet, also für ein modernes Frauenschicksal und nicht standesgemäß heiratet, droht ihr der Rauswurf aus der Familie, die Bande werden schlimmstenfalls gekappt. Dieses Sakrileg begeht allerdings keine der drei Protagonistinnen. Zwei leben allein, ernähren sich selber von kleinen handwerklichen Jobs, die eine, die Anwältin studiert hat, arbeitet als Kostümnäherin an der Nürnberger Oper, die andere versucht sich nach wilden Jahren in Hongkong in Schmuckketten und die dritte spielt Oboe und lebt mit ihrer Mutter. 

Die Musik führt zur anrührenden Szene eines Mutter-Tochter-Konfliktes. Hier mehr zu erfahren wäre spannend. Wie die Mutter eventuell versucht, erst recht nach dem Tod des Vaters, die Tochter an sich zu binden. 

Der Film ist eine Fernsehproduktion von 2008 in bewährter Verzopfmanier, drei Handlungsstränge ineinnader verschnitten. Immerhin freundet sich eine der Protagonistinnen mit einem etwas eigenartig gewordenen 50-jährigen Jungessellen an, der durch seine Abstammung die Anforderung der Parkettsicherheit erfüllt, und Jagdfreund ist er dazu. Zu dieser Beziehung gibt es eine herrlich groteske Szene, ein eigener Kurzfilm, wie beide im Jagdstand warten und wie er einen Fuchs anschießt. 

Andererseits: ein Hochzeitsfilm. Hand in Hand wird das skurrile Jagdpaar an einer adeligen Hochzeit in Karlsbad als Gäste teilnehmen. Das freut den Filmfreak, der den großen Ballsaal der Filmfeststadt beim Ball des europäischen Adels sieht, in dem er schon das Abschlussfest des bekannten Festivals erlebt hat. 

Es fehlt dem Film an klarer Haltung zu seinem Thema. Teils entsteht der Eindruck, die Regisseurin, die selber aus dem Milieu entstammt, wolle sich als Nachfolgerin des berühmten Adelsexperten Rolf Seelmann empfehlen, der den Adel genau so mit Samthandschuhen anfasst; also ein gutes Händchen für die Protagonisten. 

Der Film würde andererseits nicht unbedingt vermuten lassen, dass die Regisseurin 12 Jahre später eine Professur für Drehbuch an der Münchner Filmhochschule antreten würde. 

Das Thema Jagd, das hier ausführlich vorkommt, wird von Julia von Heinz auch wieder in ihrem Film Und morgen die ganze Welt gestreift; kritischer beleuchtet wird es in On the wilde Side – Gegen die weltweite Jagd

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