Corpus Christi

Köpenickiade auf polnisch-katholisch

Oder: Kleider machen Leute, das alte Problem, dass die Menschen gerne das sehen, was sie sehen möchten. 

Im katholischen Polen ist der Pfarrer so eine Figur, da brauchts nicht viel, nur einen weißen Kragen und schon ist Pfarrer Thomas gemacht. Dabei handelt es sich um Daniel (Bartosh Bielenia). Der sollte aus dem Knast ins weit östliche Polen in ein Kaff mit Sägewerk reisen, um dort auf Bewährung in Freiheit als Schreiner zu arbeiten. Im Knast wurde Religion praktiziert und gelehrt. 

Der Film von Mateusz Pacewicz (Buch) und Jan Komasa (Regie) führt die Hauptfigur im Jugendknast ein. Die Rituale unter den jungen Männern sind brutal (eine besonders heftige Szene wird gezeigt) trotz Antiagressionstraining und die kirchliche Betreuung hilft gegen die Gewalt unter den Gefangenen eher nichts. Aber sie kommt gut an bei Daniel. Ihm gefällt die kirchliche Liturgie, das Beten, das Singen. Er wird allein auf die längere Reise in den Osten geschickt. Das Sägewerk liegt abseits vom Dorf. In letzter Sekunde entscheidet Daniel, nicht hinzugehen. 

Zur Verwechslungs- und Verkleidungskomödie gehört es, und da unterscheidet sie sich von der Köpenickiade, wie einer im Handstreich sich mit Umziehen eine neue, autoritäre Rolle überstülpt, dass just in der Kirche, in die sich Daniel aus Auswegslosigkeit setzt, der Pfarrer ein Problem mit dem Trinken hat und gerne für ein paar Tage sich zur Kur begeben würde. 

Da kommt der vermeintliche Pfarrer wie von Gott gerufen; er hat, außer einer irgendwie christlichen Miene, nichts zu seiner Berufung beigetragen. Leichtgläubigkeit und Zweckdenken des Pfarrers (Zdzislaw Wardejn) und seiner taffen Haushälterin Lidia (Aleksandra Konieczna) verhelfen ihm zu einem leichten Einstieg in seinen neuen Beruf, er hat sowieso davon geträumt, nach dem Knast noch zu studieren. 

Das mit der Kostümierung als Pfarrer funktioniert so gut, weil Daniel ein Faible dafür hat. Und wenn einem heutzutage ein Wissen über einen Beruf fehlt, so ist das Internet gut genug, die Lücke zu füllen. Im Knast hat er bei der Religionsvermittlung und bei der religiösen Praxis herrvorragend aufgepasst, hat als Messdiener gewirkt. 

So wird der vermeintliche, junge, hübsche Pfarrer schnell beliebt und gerät gleichzeitig in die Dorfintrigen hinein. Es gibt ein unaufgearbeitetes Problem, was auch in Deutschland auf dem Land nicht aus der Welt ist: Jugendliche, die am Wochenende mit wenig Fahrkunde und womöglich mit Alkohol am Steuer auf den Straßen krasse Unfälle bauen. 

Hier gab es ein halbes Dutzend Tote und die Schuldfrage hat zur Diskriminierung einer Hinterbliebenen geführt. Daniel als Thomas geht das, auch die Auseinandersetzung mit dem Bürgermeister, der doch glaubte, die Kirche in der Hand zu haben, prima und höchst glaubwürdig offensiv an. 

Bartosz Bielenia spielt das fantastisch, sowohl den Pfarranfänger, als auch den sicherer werdenden Pfarrer, der Mumm hat, wie auch am Anfang den Knasti. 

Vielleicht müsste man hier eher von schwerer denn von leichter Komödie sprechen, da sie Rücksicht auf die Liturgie nimmt, es nicht darauf auslegt, die Kirche zu denunzieren, mehr augenzwinkernd die alte Geschichte erzählt, wie Menschen auf andere Menschen gerne reinfallen; ähnliche Geschichten gibt es aus anderen Branchen, falsche Ärzte, falsche Wissenschaftler, falsche Gurus aller Arten, wobei zu fragen ist, ob Guru generell mehr der Nachfrage denn dem Gurutum als solchem geschuldet sei. Hier ist es so, dass es einem fast weh tut, wenn der erfolgreiche Scharlatan droht, aufzufliegen, vielleicht, weil die Scharlatanerie dem Gurutum – und damit auch dem Pfaffentum – generell gut steht?

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