Herzjagen (ARD, Mittwoch, 17. Juni 2020, 20.15 Uhr)

Geleide –

Prä- und postoperative Traumata. 

Martina Gedeck als Caroline, Ex-Architektin, leidet an Herzinsuffizienz. Dass sie Leidende spielen kann, hat sie schon oft bewiesen und sie beweist es auch hier. Medea ist Kleinkram dagegen. Sie leidet darunter, dass sie eine Herzinsuffizienz hat, sie leidet darunter, dass diese operiert werden soll, will das erst gar nicht und dann leidet sie darunter, dass sie gesund ist. 

Das ist der helle Moment in dem ansonsten eher als Herzschmerz- oder Kitschstory besetzten und inszenierten Film von Elisabeth Schrang nach Motiven des Romans „Herznovelle“ von Julya Rabinowich, wenn Caroline den Befund zu hören bekommt, dass es ungewohnt sei, plötzlich gesund zu sein. 

Gesund zu sein, nach so langer Krankheit heißt in diesem Falle, vollkommen gestört sein, heißt für Martina Gedeck, eine gestörte Frau spielen, was die Fantasie schon auf der Schauspielschule hergibt, wie Frauen Gestörte spielen. 

Gestört sein bedeutet: es fehlt an jeglicher Plausiblität, dafür, Dinge einfach wezugschmeißen, das Gesicht zu verschmierem, im Pyjama hinter einem typischen Chirurgen herzulaufen, im Spital umherzuirren. 

Zu dieser Minderplausibilität führt auch, dass das Leiden vorher viel zu sehr auf Filmeffekt hin getrimmt ist. Wie Leute mit einem schweren Schicksal umgehen, zeigten die Lebenslinien Für uns zählt jeder Atemzug, wie nüchtern und vor allem wie absolut ohne Leiderei Menschen mit so etwas umgehen.

Menschen, die ihr Leiden ausstellen, kommen ja auch gar nicht so gut an. Aber auch diese Binsenweisheit wird nicht in den Film eingebaut, der somit ein Krankheitsfilm, ein Geleidefilm ist, obwohl die Tonspur ab und an mit Pfeiferei versucht eine Intention von Leichtigkeit zu formulieren. In Corona-Zeiten müsste eine Ärztin, die dauernd hustet, sowieso sofort aus dem Verkehr gezogen werden. 

Hier noch ein paar Müsterchen aus dem Bügelfrei-Vokabular für TV-glatte Klischeestories: 

„Sag bitte der Helga, sie solle die Kiste mit den Kräutern vom Garten auf die Terrasse stellen. (bedeutungsvoll)

Caroline, mach auf. 

Ich hab‘ die Operation abgesagt. 

Ich bin hungrig, nicht nervös.

Möchtest du noch ’n frischen Tee?

Deine Mutter kommt, sie will für die kochen, du musst aber nicht aufmachen. 

Ich hab begonnen, mit Aktien zu spekulieren. 

Die machen Flecken auf dem Bettzeug. 

Frau Binder, Sie haben Herzrasen. 

Sorgen Sie dafür, dass Frau Binder heute eine doppelte Portion Schockopudding bekommt. 

Warum sind Sie nicht auch in Afrika?

Vergiss nicht, das Essen am Samstagabend abzusagen.“

So abgeschliffen wie die Dialoge wirken die meisten Klischeebesetzungen und Knallchargen und auch Inszenierungeinfälle wie abgedroschene Fleischschneidesymbolik, Autowaschstraßensymbolik. Automatennummer. Und noch auf dem OP-Tisch darf die Patientin ihr Leiden ganz groß mimen. 

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