Another Reality (in Autokinos)

Vom Wesen des Kanaken.

Dieses kommt dem Kino entgegen. Ganz oben am Sternenhimmel stehen Robert de Niro und – mehr noch, wie einer der Protagonisten meint – Al Pacino. Und auch sie, die Protagonisten, spielen eine andere Realität vor, sie sind keine Gangster, wird hinzugefügt. 

Es ist diese doppelte, andere Realität, die den Film von Noel Deernesch und Olli Waldhauer unter Drehbuchmitarbeit von Jörg Offer und Tanja Georgieva Waldhauer, fasziniert, die des Kinos als solchen, worauf auch die Kamera ihr besonderes Augenmerk wirft. 

Denn Kanakentum ist ja nicht einfach Ausländertum; das zeigt schon der Vergleich mit den Chinesen, auch die studieren hier, betreiben Geschäfte, nie aber sind sie so ein Bildfang wie die Einwanderer aus dem Mittelmeerraum, aus dem Nahen Osten, nie generieren sie so viel Aufmerksamkeit, nicht nur im Kino. 

Hier sind es mitteljunge Männer aus Palästina, aus dem Libanon, die den Dokumentaristen Red und Anwort stehen und die, siehe die amerikanischen Vorbilder, sehr wohl ein Gefühl für Leinwand und Leinwandpräsenz haben und die mit ihren perfekten Frisuren, mit der Bräune ihrer Haut, mit dem trainierten Muskeln, dem Schmuck, der Kleidung und den Sonnenbrillen einiges hergeben. Und ihre Geschichten auch. 

Sicher, es müssen geläuterte Gangster sein in einem Film, der weitherum von deutschen Filmförderern und Fernsehsendern aus Deutschland und der Schweiz finanziert wird. Und sie sind auch geläutert. Die Protagonisten wollen seriös ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie wollen „halal“ werden, das „Street-Ding“ hinter sich lassen. Sie wollen taff sein, um respektiert zu werden. 

Das geht allerdings bei ihren Ansprüchen an Wohnung und Auto nicht mit einem regelmäßigen 8-Stundenjob und mit 1200 oder 1300 Euro im Monat. Sie machen sich selbstständig. Sie haben im Knast gelernt, sich nicht mehr erwischen zu lassen. 

Der eine betreibt einen Kiosk, der andere eine Autovermietung und der dritte ist auf erfolgreichem Weg zum Rapper. Dieser nimmt seine Jungs, seine Brüder, seinen Clan mit. Er fühlt sich verantwortlich für die. Im Kiosk kommt die Steuerfahndung einem Geldkoffer mit sehr viel Bargeld auf die Spur. Der Betreiber kann es sich nicht richtig erklären. 

Sie haben, das erzählen sie, Karrieren hinter sich, die im Knast endeten. Immer wenn sie „Stress“ hatten, kam es zu Tätlichkeiten. Aber sie wissen um die Filmwirksamkeit solcher Erzählungen, sie wissen um die Filmwirksamkeit der Unterwelt und lassen den Zuschauer einen kleinen Blick rein werfen, auch darin, dass sie eben so viele Verwandte haben, so viele Cousins, Nichten, Onkel, Mütter. Auch ihre Sprache ist eine Bereicherung fürs deutsche Kino: das Kanaken-Deutsch ist weicher, musikalischer als das so oft anzutreffende, sterile Synchron- und TV-Deutsch. 

Der Film dürfte sich in den Autokinos, in denen er jetzt startet, Respekt verschaffen; hier dürfte er gut aufgehoben sein – als Coronakiller! 

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