Die Oslo-Tagebücher (BR, Mittwoch, 27. November 2019, 22.45 Uhr)

Reminiszenz.

„1992 trifft sich eine kleine Gruppe von Israelis und Palästinensern im norwegischen Oslo unter strikter Geheimhaltung.
Nur wenige sind eingeweiht.
Die Unterhändler wollen das Blutvergießen beenden.
Ihre Tagebücher erzählen die Geschichte eines wagemutigen Abkommens.
Für einen Moment schien Frieden möglich.“

Und dann ward der ganze Prozess nur eine Reminiszenz, Fußnote einer unsäglichen, immer noch andauernden, immer mehr aus den Fugen geratenden Geschichte mit dem grandios menschlich-humoristischen Höhepunkt des rhetorischen Austausches zwischen Itzhak Rabin und Jassir Arafat bei der Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens von 1984 in Kairo.

Frieden schien greifbar, Frieden in Nahost schien möglich, die Befriedung des Israel-Palästina-Konfliktes. Es folgt die Ermordung Itzhak Rabins und die Etablierung des aggressiven, korrupten, friedensfeindlichen Netanjahu.

Längst hat sich der Konflikt über den Nahen Osten hinausgeschaukelt. Fanatische Zionisten brandmarken jede Kritik an der Politik Israels (die völkerrechtswidrige Besatzungspolitik, die mit der Apartheid vergleichbare Unterdrückung und Ungleichbehandlung der Palästinenser, der ständige, völkerrechtswidrige Siedlungsbau) als Antisemitismus. Dieser wird dadurch zu einem noch größeren Monster aufgebläht als er eh schon ist, wird noch attraktiver für Krawallmacher jeglicher Couleur, die Rabatz und Schlagzeilen machen wollen. Dies Monster-Monstrum führte zur grotesken Annahme des Antrages zur Bekämpfung der BDS-Kampagne im Bundestag.

Hineinzufinden in den Film von Mor Loushy und Daniel Sivan ist etwas verwirrend. Haben die diese damals topgeheimen Verhandlungen in Oslo wirklich gefilmt? Oder sind das die Reenactment-Szenen, die im Abspann erwähnt werden? Das irritiert, auch weil es, bis auf den oben zitierten, vorangestellten Text, keinen Rahmen gibt, weil der Film praktisch in medias res eintaucht, so dass der Zuschauer ein Defizift an spezifischen Informationen bei sich empfindet. Es wird zuviel vorausgesetzt.

Es irritiert merklich, dass diese topgeheimen, ersten Versuche einer Annäherung der israelischen Poltik an die PLO, die unter Arafat noch in Tunis residierte, so detailliert gefilmt worden sein sollen. Andererseits belegen die Tagebuchberichte der Teilnehmer Authentizität – es waren zwei israelische Professoren und 3 Palästinenser aus Tunis.

Dann aber entwickelt die Dokumentation ihr eigenes, spannendes Drama von weltpolitischer Bedeutung, wie die Geheimverhandlungen an die Öffentlichkeit gelangen, wie sowohl die israelische als auch die palästinensische Politik zum Friedensprozess stehen, der sich auf die Vertragsunterzeichnung in Washington zuspitzt unter Anwesenheit von Clinton, Rabin, Arafat.

Nach weiteren Verhandlungsrunden in Taba, in Ägypten, schreitet der Film zum nächsten Höhepunkt, der Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens bis hin zum sehnlichsten Wunsch von Rabin, in Israel nicht immer nur die Hetzerveranstaltungen von Netanjahu zu haben, sondern auch einmal eine Pro-Friedensdemonstration.

Schönster Höhepunkt für Rabin mit brutalem Schluss. Startschuss Netanjahus als Ministerpäsident, ein unseliges Kapitel mit wieder Tausenden von Toten auf beiden Seiten.

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