Wajib

Tour de Nazareth.

Halb Nazareth in 90 Minuten.

Keine Sightseeing-Tour. Wer es aber mag, Einblicke in fremde Verhältnisse zu erhalten, ohne gleich als neugieriger Eindringling empfunden zu werden oder zu stören, der ist hier richtig.

Annemarie Jacir begleitet in ihrem Film Abu Shadi (Mohammad Bakri, ein fabelhafter Alters- und Chrakterdarsteller) und seinen Sohn Shadi (Saleh Bakri) auf ihrer Fahrt in einem Auto, das in unseren Augen ein Oldtimer ist, kreuz und quer durch Nazareth. Sie gibt dabei einen Einblick in das Milieu bürgerlich-christlicher Palästinenser in Israel.

Abu Shadi selbst ist ein bekannter Lehrer. Sein Sohn Shadi studiert Architektur in Italien. Vater nimmt es nicht so genau mit seinen Erzählungen über den Sohn, um den Leuten ihre Träume zu lassen. So meinen manche, Shadi studiere Medizin in Amerika. Dort lebt die Ex-Frau von Abu Shadi, die vor Jahren mit einem Liebhaber abgehauen ist, Papa durfte die Kinder erziehen.

Der Film zeigt an Beispielen, dass die traditionelle Familienstruktur in diesem Milieu am Zerbröseln ist. Aber Abu Shadi will eine richtig große Hochzeit für seine Tochter Amal (Maria Zreik). Das ist das dramaturgische Muster, dass die Hochzeitseinladungen persönlich den Gästen vorbeigebracht werden. So gibt es Einblicke in viele Häuser, Wohnungen und Lebensverhältnisse – und immer sollen die Einlader auf einen Kaffee oder Tee bleiben.

Es gibt Fälle, bei denen sich Vater und Sohn in die Haare geraten. Wenn der Vater den israelischen Aufseher der Schule einladen will, weil der einerseits ein Freund sei, und der Vater andererseits auf eine Beförderung hofft. Der Sohn sieht in ihm einen Spitzel.

Die Lage dieser christlichen Palästinenser, die in Israel leben und hier Bürger zweiter Klasse sind, wird nicht fingerzeigdick als diskriminierend beschrieben; sie ist sogar halbwegs kommod. Die Begrenzungen des Lebens werden da und dort erwähnt, man versucht, sich durchzuschummeln.

Es gibt andere Klassen, auf die heruntergeschaut wird, wenn ein Junge aus der Westbank auf einer Straße versucht, Nikolaus-Artikel an den Mann zu bringen. Während das Elend der Palästinenser in Gaza kaum zur Sprache kommt. Vor allem das Radio bringt immer wieder die verzwickte und unlösbare politische Situation ins Bewusstsein in diesem unterhaltsamen Road-Movie.

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