Das Wunder im Meer von Sargasso

Mächtiges Kino.

Robust, hemdsärmelig, mit großer, gezielter Kelle und enormer Emotion pfeffert Sylias Tzoumerkas, der mit Youla Boudali auch das Drehbuch geschrieben hat, sein Kinogemälde atemlos auf die Leinwand und lässt die großartige griechische Westküste breitbeinig auftrumpfend mitspielen.

Seine beiden Heldinnnen, seine beiden Protagonistinnen sind keine makellosen Seelen, sie leiden, sie kämpfen an verschiedenen Positionen.

Elisabeth (Angeliki Papoulia) ist bei der Antiterror-Einheit der Polizei in Athen. Bei aller Toleranz für Schläge bei Vernehmungen und dergleichen geht es ihr zu weit, dass sie ein gefälschtes Geständnis unterzeichnen soll. Sie wird versetzt in die Provinz, in ihren Heimatort Mesolonghi. Dort übernimmt sie den Job der Polizeipräsidentin. Sie ist kein Vorbild. Sie hat einen rüden Ton drauf; trotzdem versucht sie, ihren halbwüchsigen Sohn menschlich zu behandeln.

Elisabeth bekommt es mit einem Fall zu tun, der ihrer Situation ähnlich ist, mit einer Frau, die in einer Zwangslage ohne Aussicht auf der Flucht in ein Wunderland im Meer von Saragasso sich befindet. Es ist Rita (Youla Boudali, siehe oben auch Drehbuchmitarbeit). Sie wohnt im Provinzkaff und steht ganz im Schatten von ihrem Bruder, der in den Discos ein erfolgreicher Entertainer ist. Er kennt ihre Scheu, aufzutreten; genau deshalb zwingt er sie auf die Bühne und zusammen singen sie einen an die Nieren gehenden Song, weil Rita ihr Schicksal quasi gesanglich erbricht.

Tags drauf nach einer Nacht am Strand findet sich dieser Bruder aufgehängt an einem Baum. Dadurch wird die Polizei involviert und Elizabeth stößt auf Rita und entdeckt die Schicksals-Parallelen.

Der Film steckt voller Emotion, was durch die Musik noch verstärkt wird, Tanz und Gesang, Kämpfereien, Pistolenschüsse, grobe Behandlung der Menschen durch die Menschen, durch die Polizei, und trotzdem ist keine Figur nur ein Rüpel, nur ein Depp, es sind alles hochemotionale Menschen, fühlende Menschen, an Konflikten leidende Menschen, sie beleben die Leinwand mit magischer Wucht, der nicht auszukommen ist.

Herrschaft, Chaos, Emotion und der Traum von der Erlösung, so greift Tzoumerkas zwischendrin auch kurz Topoi des alten Griechentums und des Christentums auf, ohne ihnen die Deutungshoheit über seinen Film zu überlassen, lediglich als Hinweis auf die latent im Raum stehende Frage, ob einer ein guter Menschen geworden sei.

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