Anna

Wem kann man da noch trauen?

Um den Glauben ans Vertrauen in den Menschen mittels Agenten-Killer-Thriller zu erschüttern, greift Luc Besson in diesem seinem Film auf das Beispiel der russischen Matrjoschka zurück. Bei jedem Öffnen kommt eine neue – identische, aber kleinere – Matrjoschka zum Vorschein, oder wie das Schälen der Zwiebel. Zu einem Kern wird Bessson nicht vorstoßen.

Seine Titelheldin Anna (Sasha Luss) wird eingeführt als Verkäuferin von Matrjoschkas auf einem Markt in Moskau 5 Jahre nach der ersten Szene. Diese berichtet smart geschnitten und von einer draufgängerischen Kamera festgehalten von der Enttarnung eines amerikanischen Agentenringes in Moskau anno 1985, also noch in der Zeit des Kalten Krieges.

5 Jahre später ist die Mauer gefallen, aber das scheint auf den Film wenig Einfluss zu haben. Fortan springt Besson zwischen 85 und 90 hin und her. Er erzählt, wie diese Matrjoschka-Verkäuferin, russisch-blasée, von einem westlichen Talent-Scout als Model entdeckt und nach Paris engagiert wird.

Dort schafft sie es schnell, sich aus der Masse der Models abzuheben. Lustvoll schildert Besson, wie schäbig die und in welcher Massierung in einer Mietwohnung untergebracht sind.

Mit ihrem verschlossenen Gesicht und den blauen Augen ist Anna ein Augenfang. Aber Besson fängt an aufzublättern. Sie ist auch Agentin. Auch hier passt das verschlossene Gesicht. Das ist eine anregende Überblendung vom Model zur Agentin, beide undurchdringlich, wie auch gerne Schauspielerinnen – oder eben die Matrjoschkas. Deckungsgleiche Schnittmengen verschiedener Berufe.

Mit seinem Hin- und Herspringen in der Geschichte enthüllt Besson immer wieder oder erklärt etwas, das beim ersten Schauen der Szene noch nicht klar war. Dass immer wieder der andere oder die andere etwas wusste, was man so nicht gedacht hätte, dass der Spionagezirkel fast überall reinschauen kann, eine Art Totalüberwachung, die aber genauerer Analyse selten standhält, warum es da und dort doch Überwachungslücken gibt und der eine das weiß, die andere nicht.

Jedenfalls ist die Modelkarriere nur eine Alibiübung, damit Anna in Paris im Auftrag der nicht weniger undurchdringlichen Olga (Helen Mirren schön russisch) dies und das zu erledigen hat, Agentinnen- und Killerjobs. Da entwickelt sie Fähigkeiten, an denen sich Besson nicht satt sehen kann; dabei ufern die Kämpfe aus. Und noch einen umbringen und noch einen.

Die ganze Übung erweckt zunehmend den Eindruck eines Selbstzweckes, eines Selbstbeweises, dass Besson das Agentengenre immer noch aus dem Effeff beherrsche.

Alle Agenten und Models sind sowieso nur Nutten, der Zweck heiligt die Mittel, sind bereit für heißen Sex, wenn er sich bietet. So zieht sich der Film irgendwann in die Länge, und noch eine Schicht und noch eine Erkenntnis – und keinen Kern. Zur Aufhübschung werden ab und an literarische Zitate eingestreut, Tschechow und so. Es darf auch Lenin sein.

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