Messer im Herz

Ungehinderte Lust,

ungehindert bis zum Wahrmachen des Satzes: ich liebe Dich, ich töte Dich.

Ungehindert auch, der Film spielt 1979, da die Lust noch nicht von der Angst vor AIDS in Schranken gewiesen wird. Pornographie und Liebesszenen hier im Film von Yann Gonzalez, der mit Cristiano Mangione auch das Drehbuch geschrieben hat, ganz ohne das Knacken von Gummiverpackungen.

Reinste, herrlichste Gay-Filmerei. Ich liebe dich, ich töte dich, die atomare Kernszene des Filmes kommt erst spät ins Spiel, aber ihre Wirkung greift schnell in die Handlung ein. Diese erzählt von der Gay-Pornoproduzentin Anne (Vanessa Paradis), die selbst in einer kriselnden Liebesbeziehung zu ihrer Cutterin Lois (Kate Moran) steht.

Yann Gonzalez beweist ein starke Handschrift darin, Super-8-Aufnahmen von Gay-Pornodrehs mit der übrigen Spielhandlung zu verknüpfen, ein Kino der Unmittelbarkeit, das vor allem gemäldehaft wirkt, als ob er sich nicht satt sehen kann an den Bildern, alle mit gleicher Hingabe und Konsequenz ins Bild gesetzt. Dazu eine Prise Edgar-Allan-Poe-Schauder-Spaß.

Junge sinnliche Männer, die sich lieben, sich küssen, ficken, zu zweit und zu Dritt. Bald schon legt sich ein Schatten über die Produktion. Eines der Models wird ermordet von einem Mann mit schwarzer Ledermaske. Auch dieses Bildmaterial wird mit ungehinderter Sehlust bereitgestellt.

Es folgt ein zweiter Mord. Ein dritter. Die Polizei gibt sich ahnungslos. Die Produzentin fängt schnell an, Realität und Pornofilmträume miteinander zu verquicken, Umdeutung einer Verhörszene. Und zwischendrin wird Federico Garcia Lorca zitiert.

Das Casting betreibt Anne als Street-Casting auf Baustellen, da wo gearbeitet wird, da finden sich die attraktivsten Männer.

Je mehr Morde es gibt, – alles in purer Genrelust erzählt – desto mehr beeinflussen sie die Produktion. Das neue Projekt heißt „Homocide“. Die Story ist dem realen Leben nachempfunden. Kino als Spiegel der Realität, der grausamen Realität.

Die Krähe, die ab und an auftaucht, die kann vielleicht im Nachhinein als Vorbote der Sexpest AIDS interpretiert werden. Dazwischen bildiche Auflockerung mit Schwarz-Weiß-Umkehrbild, Improvisationen, Visionen. Und wann haben wir zuletzt einen Film gesehen, in dem gepresste Pflanzen vorkommen?

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