Das Haus am Meer – La Villa

Freundliches, den Menschen zugewandtes Kino.

Eine idyllische Bucht nahe Marseille, eine Ortschaft unter einer Eisenbahnbrücke an den Abhang geduckt, ein Hafen, ein Restaurant. Ein Immobilienkatalog, der Häuser hier anbietet, könnte sich leicht in Superlativen übertreffen. Abseits der Hektik der modernen Welt.

Robert Guédigian (Ein Geburtstag in Marseille – Café Olympique), der mit Serge Valletti auch das Drehbuch geschrieben hat, fokussiert sich auf eine Familie, die hier seit langem lebt, die sich hier eine Villa mit einer „broche“, einer Brosche von Terrasse, wie sie das nennen, und darunter ein kleines Restaurant gebaut hat.

Armand (Gérard Meylan) hält die Stellung im Restaurant. Weil es dem Vater schlecht geht, kehren Schwester Angèle (Ariane Ascaride), die Schauspielerin in Paris ist, und Bruder Joseph (Jean-Pierre Darroussin), der für Gewerkschaftsideale steht (kein Arbeiter ist es freiwillig!) und der mit seiner deutlich jüngeren Geliebten Bérangère (Anais Demoustier) aufkreuzt, in die Villa (so der französische Titel) zurück.

Die Rückkehrer stellen fest, dass sich die Ortschaft und das Leben in ihr drastisch verändert haben. Die Globalisierung macht vor nichts halt, zeigt ihre Auswirkungen. Züge, die über die Brücke donnern, sind ein Begleitgeräusch oder ein Begleitbild, das Guédiguian gerne für einen Szenenwechsel dazwischen schneidet.

Es ist eine Famillie mit Geschichte. Eigentlich wollte Angèle gar nicht herkommen. Sie macht es nur auf Anraten ihres Steuerberaters wegen allfälliger Erbschaftsangelegenheiten. Unverarbeitete Familiengeschichte drängt immer wieder an die Oberfläche. Ein fertig und liebevoll ausgestattetes Kinderzimmer erinnert an die Tochter von Angèle, die als kleines Mädchen ertrunken ist. Da gibt es Schuldzuweisungen. Aber nicht so, dass daraus heftige Diskussionen oder Streit entstehen würde.

Es gibt die Nachbarsfamilie mit dem alten Ehepaar Martin (Jacques Boudet) und Suzanne (Geneviève Mnich). Auch ihr Sohn Yvan (Yann Trégouêt) kommt zu Besuch. Er ist erfolgreicher Geschäftsmann, möchte den Eltern unter die Arme greifen. Die aber sind zu stolz, obwohl sie die Miete nicht mehr aufbringen können.

Angèle begegnet Benjamin (Robinson Stévenin), der ist ein überaus sympathischer Fischer mit einem umwerfenden und ganz ungekünstelten Charme, er liebt das Theater und verehrt infolgedessen Angèle.

Wenn Menschen nah beieinander sind für einige Zeit, so können Gefühle nicht ausbleiben.

Guédiguian verfolgt das wie der Wächter eines Leuchtturmes, dessen Scheinwerfer sich im Kreis drehen und ständig diese Menschen-Gegend absuchen. So spielen in die auf den ersten Blick intakte Landruhe die beunruhigenden Themen eines wild gewordenen Kapitalismus hinein, aber auch das Flüchtlingthema genau so wie die Sterbehilfe, Jobverlust und Depression.

Vielleicht auch zu vergleichen mit einem wunderbaren Mikrokosmos, der sich einem beim Betrachten eines Tropfen Wassers unterm Mikroskop ergibt, in welchem sich die ganze Welt spiegelt und gleichzeitig ein verlorenes Paradies.

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