Mid90s

Stevie (Sunny Suljic) steht an der Schwelle zur Pubertät. Der Dreizehnjährige ist ein schwarzlockiger, verschmitzt grinsender Bub, könnte ein Unschuldsengel sein. Ist es noch am Anfang des Filmes.

Sein Bruder Ian (Lucas Hedges) feiert gerade den 18. Geburtstag. Er wird in Erinnerung bleiben als der Einsame, der keine Freunde und keine Freundin hat. Mutter Dabney (Katherine Waterston) lebt allein mit den beiden Söhnen. Den älteren hat sie mit 18 bekommen. Sie hat eine Vorgeschichte, die sie abgelegt hat, Rumhängen, Alkohol, Drogen.

Faszinierend an diesem Film von Jonah Hill ist, wie Stevie offenbar ohne es zu wissen oder sich dessen bewusst zu sein, sich just in das Milieu hineinziehen lässt, von dem die Mutter sich längst distanziert hat. Es sind seine etwas älteren Rumhängfreunde Ray (Na-kel Smith), Fuckshit (Olan Prenatt), Ruben (Gio Galicia) und Fourth Grade (Ryder McLaughlin) – die Ghetto-Freunde. Ein Skateboard-Laden, ein verbotener, vergitterter Spielplatz und ein öffentlicher Platz mit einer Konzertmuschel sind ihre Aufenthaltsräume.

Mutter weiß erst nichts von braven Stevies neuem Umgang. Der Sog des bevorstehenden Erwachsenenlebens, des Abschieds von der Kindheit, der kommt mächtig über den Jungen. Erste Zigarette, nicht Danke sagen für eine neues Skateboard, riskante Mutübungen, Drogen schlucken, der erste Kuss mit Estee (Alexa Demie), die Grenzen austesten.

Diese Grenzen sind oft nah am Unfall, am Crash oder überschreiten diese Grenze sogar. Denn der erwachsen werdende Mensch kennt diese Grenze noch gar nicht. Unfall und Crash führen zu neuem Bewusstsein auch vom Stellenwert der Freundschaft.

Der älsteste der Gruppe, Fourth Grade, der sich nicht mal Socken leisten kann, filmt immer wieder die Ghetto-Freunde. Der Titel dieses explosiven Zusammenschnittes, dieses filmischen Selbstportraits aus dieser extremen Lebensphase ist „Mid90s“, was auf den Zeitpunkt dieses Coming-of-Age hinweist.

Auf den Zeitraum der Filmhandlung weist auch die vielfältig montierte Tonspur hin.

Jonah Hill besticht mit seinem Film durch Einfachheit, auch mit dem fast quadratischen Bildformat. Er ist auf die Vorgänge fokussiert, rafft sie erzählerisch, lässt die Jungs schauspielerisch glänzen, verzichtet ganz auf illustrierende, erklärende Zutaten oder Nebengeschichten. Er lässt die Jungs mit dem glaubwürdigen Ernst spielen, den so eine einmalige Herausforderung im Leben wie die Pubertät zu ihrer Bewältigung erfordert.

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