Tatort Franken: Ein Tag wie jeder andere (ARD, Sonntag, 24. Februar 2019, 20.15 Uhr)

Pissoir-Tatort oder die rasenden Kommissare aus Franken.

Dieser Tatort fängt mit einer Männerklo-Pissoir-Szene an. Diese Szene hat keinerlei Bedeutung für die Geschichte.

Ein Mann kommt aus eine Klozelle, er hinkt leicht, ist ein Uniformierter, er will sich entfernen, bleibt kurz stehen, horcht und fragt in Richtung verschlossener Klotür, ob alles in Ordnung sein. Jetzt begibt sich die Kamera in die bewusste Zelle, kniet sich frontal einem älteren, sitzenden Herren gegenüber, der an Krämpfen zu leiden scheint. Das sieht der Herr draußen nicht. Vielleicht geht es in diesem Tatort um Nierensteine, Klo- und Pissoirhygiene oder es wird ein Prostatafilm.

Oder Drehbuchautor Erol Yesilkaya und Regisseur Sebastian Marka wollen den Zuschauer erst mal verarschen, indem sie nicht mal die Richtung oder das Thema ihres Falles verraten wollen. Ihre Geschichte soll ein großes Geheimnis bleiben – vorerst. Sie müssen vielleicht Sendezeit schinden, weil ihre Geschichte zu dünn ist.

Es folgt eine merkwürdig theatralische Gerichtsszene mit der regelrechten Exekution eines Prozessteilnehmers. Der Zuschauer versteht nur Bahnhof. Immer noch wollen die Autoren dem Zuschauer nicht den geringsten Hinweis auf das Thema ihres Krimis geben.

Dann schauen die Tatortmacher in der Polizeikantine vorbei. Hier sitzen die Franken-Tatort-Kommissare mit anderen, üben sich in Smalltalk, auch über das Thema Small-Talk reden sie.

Dazwischen gibt es Impressionen aus einer Molkerei, wie Milch homogenisiert wird. Anhand einer Milchtüte reden die Kommissare über homogenisierte Milch. Aber auf keinen Fall so, dass der Zuschauer auf die Idee käme, das könnte das Thema des Krimis werden.

Vielleicht ist dem Autor aufgefallen, dass das alles nicht zielführend ist und kaum Zuschauer fesseln dürfte, da sie im Unklaren gelassen werden, worum es geht.

Nächster Versuch, das Thema noch im Dunkeln zu lassen. Der erste Mord passiert genau um 14 Uhr. Und so wie ihn der Zuschauer gesehen hat, werden ihn und die Kommissare noch weitere, Schlag-x-Uhr-Morde erwarten.

Die Kommissare müssen über Psy-Fähigkeiten verfügen. Denn der nächste Mord passiert um 15 Uhr. Immerhin ist dem Zuschauer jetzt klar, dass alle Stunde ein Mord passiert. Aber ein Thema und der Grund für diese Systematik sind immer noch nicht erkennbar.

Wie aber die zwei Kommissare in Blitzgeschwindigkeit zum ersten Tatort gelangen (vom Polizeipräsidium zum Gericht), dort ihre Befragungen vornehmen, die Spuren lesen und wie sie, da um 15 Uhr der nächste Mord passiert, offenbar blitzschnell vom Gericht zur Uniklinik rasen und was sie sich in der Zeit schon alles an Informationen holen, das ist schon irre. Irre Kommissare. Comicreif.

Derweil der Täter in der Taxe auf dem Weg zum Grünen Hügel ist und eine ulkige Szene mit einem Taxler hinlegt. Die Kommissare haben jetzt schon eine Menge recherchiert in der kurzen Zeit, haben den zweiten Tatort untersucht und können schon hochrechnen, wo der nächste Mord um Punkt 16 stattfinden wird.

Was die in einer Stunde alles machen (und in Thurnau schauen sie auch noch vorbei zwischendrin), so schnell kann keine Polizei der Welt sein. Die Frankenkommissare als die schnellsten der Welt, schneller als Erkenntnise realistischerweise zu sammeln sind. So etwas könnte vielleicht einem Hans-Guck-in-die-Luft wiederfahren.

Wie sie losfahren, am Grünen Hügel ankommen, ein simples Absperrgitter nicht einfach beiseite schieben und zu Fuß bis zum vollkommen unbewachten Festspielhaus gelangen – also ganz entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung mit der heutigen Sicherheitshysterie – , sich hier noch die nötigen Informationen holen, das alles wiederum innert einer Stunde, das übersteigt jede Lebenserfahrung, Kommissare, die innert zwei Stunden drei Tatorte aufsuchen, untersuchen und die Resultate auch noch auswerten, so dass sie den nächsten Tatort vorhersagen können. Richtige Blitzteufelchen sind das.

Und wir wissen immer noch nicht, worum es geht in diesem Tatort.

Erst nach etwa einer Stunde – gefühlte vier – konstruiert sich allmählich ein Fall zusammen.

Es kommt dann auch die einzig spannende Figur des Krimis ins Spiel, die sich allmählich als das Hirn hinter der Sache entpuppt, Stephan Großmann als Martin Kessler und wie er auf einer persönlichen Begegnung mit seinem Gegner Koch (Jürgen Tarrach) besteht. Eine Erpressergeschichte, die kurzfristig etwas Zug in die hirnrissig verschwurbelte Geschichte bringt, in der häppchenweise mit nicht als solchen gekennzeichneten Rückblenden Hinweise zum Fall gegeben werden, für die Superschlauen aus den Tatortratern.

Die Begegnung selbst verläuft allerdings enttäuschend, was die Dialoge betrifft, da hätte der Autor sein Hirn schon etwas mehr anstrengen dürfen. Und auch Tarrach scheint sich mit Rollenvorbereitung nicht überanstrengt zu haben.

Vermutlich war die verantwortliche Zwangsgbührentreuhänderin Stephanie Heckner, also die zuständige BR-Redakteurin, gerade im Winterschlaf und hatte keine Stellvertretung, so dass das Drehbuch unbesehen in die nicht überbegabten Regiehände gelegt wurde, mit einem Cast, der selbst nicht allzuviel verstanden haben dürfte und über Routineacting nicht hinausgekommt.

Immerhin darf die Kommissarin jetzt mal richtig auf Menschen schießen.

Dieser Tatort ist ein überzeugendes Plädoyer für die Absetzung der Tatort-Reihe, wenn sie nicht mal in der Lage sind, eine Geschichte mit einem an sich spannenden Haupttäter auch spannend zu erzählen. Sondern mit einer Pisssoirzene anfangen und damit das Niveau vorgeben.

Statt dass der Fall klar geschildert wird und sich der Zuschauer so für den Täter und seinen Konflikt interessieren darf, soll er lediglich herausfinden, was für ein Fall überhaupt geschildert werden soll. Der Zuschauer wird zum Ratedeppen reduziert, fröhliches Thema- und Fallraten, und an der Nase herumgeführt.

Das Urmenschliche hinter der Sache – und insofern die Relation zur Demokratie und damit auch zum Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – wird ihm vorenthalten. So besehen hat ein solcher Tatort rein gar nichts in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu suchen, Privatsender, die Rätselsendungen favorisieren, reichen vollkommen aus, falls es denn solche überhaupt gibt, die sich von so miserablem Erzählhandwerk etwas versprechen.

Mit solchen Tatorten erweist sich die Forderung des BR-Intendanten (jawohl, der mit dem Kanzlerinnengehalt!) nach Erhöhung der Haushaltszwangsgebühr als haltlos und er auf seinem Chefsessel als überfordert. Aber die ARD hat dank solcher Intendanten anderes zu tun: sie verpflichtet für 120 000 Euro eine Formulierungsnanny (Frau Wehling mit ihrem Framing Manual), damit sie ein solches Schwachprodukt wie diesen Tatort womöglich als eines „unseres freien, gemeinsamen Rundfunks“ ausgeben kann.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

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