Glück ist was für Weicheier

Coming of Age und Sterbehilfe.

Auf so ein Konstrukt für einen Film muss man erst mal kommen.

Die Hauptautorin Silvia Wolkan bedankt sich im Abspann gleich bei einer ganzen Reihe von Professoren. Vielleicht haben sie in dem dramaturgischen Brei mitgerührt und zum unentschiedenen, verschwommenen Resultat massiv mitgeholfen – und dann ist ja hier auch noch das ZDF (Redaktion „Das kleine Fernsehspiel“, Jörg Schneider) im Boot und die Förderer FilmFernsehFonds Bayern, die Filmstiftung NRW, die Nordmedia und das Kuratorium junger deutscher Film; auch die wollten bestimmt noch ihren Einfluss geltend machen.

So war es für die junge Regisseurin Anca Miruna Lazarescu, die mit ihrem sehr persönlichen Erstling Die Reise mit Vater in guter Erinnerung ist, diesmal bestimmt schwieriger. Sie hat ein kopfiges Drehbuch zu verfilmen und dies mit einem, wie es scheint, aus der Lostrommel gezogenen Cast.

Die eine zentrale Figur ist die pubertierende Jessica (Ella Frey), der Fußballschuhe mit Spikes lieber sind als Mädchenzeugs. Sie steht am Anfang der Pubertät, ist mit Ticks beglückt, ständig zieht sie die Strümpfe hoch, hat einen Zahlenfimmel, der sie fesselt.

Also ob das nicht genug wäre, schreibt ihr das Drehbuch eine totkranke, ältere Schwester zu, Sabrina (Emilia Bernsdorf, die mit Nasenschläuchen bettlägrig ist). Sie hat eine Lungenkrankheit.

Und als ob dieses Übergepäck für die Reise zum Erwachsenwerden noch zu leicht sei, ist der Vater Stefan (Martin Wuttke) ehrenamtlicher Sterbebegleiter nebst seinem Beruf als Bademeister – hm, welch Drehbucherfindungen.

Das Ehrenamt betreibt Stefan seit dem Tod seiner Frau. Verhaltensdumm ist er dazu. Einmal hat er im Mixer ein erdebeerfarbenes Milchgemisch. Aber er guckt in die Höhe und die rote Sauce ergießt sich ungebremst und länger über sein weißes Polo-Shirt. Damit läuft er durch die nächsten Szenen – elementare menschliche Reaktionen sind außer Gefecht gesetzt; welche Störungen in einem Menschen. Später folgt die Erklärung, immer wenn er Wut und Traurigkeit nicht aushalte, dann mache er den Mixer an. – Wie man einen Mixer intelligent in eine Filmhandlung einbauen kann, das zeigt demnächst Linus de Paoli in „A Young Man with High Potential“.

Freundlich ausgedrückt, der Theaterstar Wuttke kann durch sein Spiel nicht plausibel machen, warum er die Rolle zugesagt hat.

Eine weitere Drehbuchidee ist die, dass Jessica blutjunge Buben auftreiben soll, um mit ihrer todkranken Schwester Sex zu machen. Ein Psychiater gibt ihr bescheuerte Anleitungen, wie sie Schönling Nicolai (Tim Dieck), den sie anhimmelt, um eine Zigarette anpumpen soll. Du heiliger Drehbuchdurchfall; dies lässt zumindest die unbeholfene Inszenierung vermuten.

So könnte man hier endlos weiter Fehler, Unstimmigkeiten, Unbedarftheiten in den unterschiedlichsten Gewerken analysieren, die absehen lassen, dass diesen Film im Kino kaum jemand freiwillig anschauen wird. Schade für das öffentliche Geld.

Vieles hätte schon beim sorgfältigen Studium des Drehbuches erkannt werden können. Und die Geisterbahnmusik schlägt den letzten Sargnagel für diesen Film ein. Nach etwa einer Stunde gibt es einen Hinweis auf den Drehort: Autokennzeichen LIP.

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