Dogman

Hunde sind bekannt dafür, sich an etwas festzubeißen.

Mit Hunden hat die Hauptfigur dieses Filmes von Matteo Garrone (Das Märchen der Märchen) zu tun.

Marcello (Marcello Fonte) betreibt einen Hundesalon. Und mehr. Kleine Dealereien mit Koks und Diebesgut. Er träumt mit seinem Töchterchen vom Tauchen und von den Malediven. Er ist vernarrt in das Mädchen. Die Mutter lebt woanders.

Mit der Teilnahme von Marcello an einem Hundefrisier-Wettbewerb wirft Garrone einen skurrilen Blick in die Welt der Pudel mit zu wahren Kunstbergen geformten Frisuren.

Sonst zeigt er Matteo, wie er die verschiedensten Arten von Hunden versucht zu waschen, zu föhnen oder gar massierend zu kneten. Alles ist ohne Lieblichkeit. Marcello betreibt sein Handwerk mit einer Hingabe, die aber keine persönlichen Beziehungen zu den Hunden entwickelt. Sie sind lebendige Materie für ihn, aber keine Bezugspersonen.

Matteos Bezugsperson ist Simon (Edoardo Pesce), im Abspann liebevoll Simoncino (Simönchen) genannt. Der ist eine Person von großer Körperfülle, mehr Körper als Geist, einen Kopf größer als Marcello. Simon grinst nie, während Marcello immer eine Art Clownslachen auf den Lippen hat. Er fügt sich seinem Schicksal. Es ist eine merkwürdige Anziehung zwischen den beiden. Was das Gegengewicht gegen die brutale Ausnutzerei von Marcello durch Simon ist, bleibt vage.

Vielleicht hat Marcello einfach keine andere Chance. Wirtschaftlich steht er nicht so gut da. Er ist darauf angewiesen, bei einer Diebestour als Fahrer dabei zu sein. Wie er von den Ganoven hört, dass sie den Hund in der Villa, in die sie eingebrochen sind, in den Kühlschrank gesteckt haben, klettert er später nochmal rein, um den Hund zu retten und wiederzubeleben, ein Chihuahua.

Und wie ein Hund scheint Garrone sich auf das unerklärliche Verhältnis zwischen Simon und Marcello festzubeißen. Immer wieder verlangt Simon von ihm Koks und bezahlt nicht. Er erpresst ihn sogar, ihm den Ladenschlüssel zu überlassen, um in den benachbarten Laden, der An- und Verkauf von Gold betreibt, einzubrechen und diesen auszuräumen. Dafür wandert Marcello, da er Simon nicht verpfeift, ein Jahr in den Knast.

Garrone scheint sich daran festzubeißen, wieviel Ungerechtigkeit ein Mensch erträgt, an der Frage, was es braucht, bis ein unpolitischer Mensch, der Marcello ist, aktiv wird, sich das Unrecht nicht mehr bieten lässt.

Marcello wird bis zu seinem Schmerzpunkt geführt. Und da er sich immer alles hat gefallen lassen, sich nie gewehrt hat, wird seine Reaktion entsprechend unbeholfen und selbstverständlich nicht im Sinne rationaler Auseinandersetzung stattfinden und blutig enden.

Das Bühnenbild ist nostalgisch, ist exizentialistisch; in einer Küstenanlage mit gewachsener Architektur, aber außerhalb der Saison, bildlich interessant, am Schluss erinnert das Setting an eine kleine Arena, in der Garrone die Elemente Zärtlichkeit und Gewalt aufeinanderloslässt. Es ist eine Welt abseits der Globalisierung der allseitigen Verknüpfung und Beobachtung, der allseitigen Vernetzung, ein Ort wie des Vergessens, ein Ort, der übersehen wird in den Läuften der Geschichte: Castello di Volturno.

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