Breakdown in Tokyo – Ein Vater dreht durch

Hier ist das deutsche Kino auf der Suche nach seiner Freiheit – und kommt sich so vielleicht ein bisschen näher. Es sucht in der Person von Regisseur Zoltan Paul (Gone, Unter Strom, Amok) seine Mündigkeit jenseits der Subventionsfesselungen. Und es munitioniert sich dafür mit deutlichen Texten des rumänischen Philosophen Emil Cioran (die Zitate dieses ‚obskuren‘ rumänischen Denkers, wie es im Film heißt, sind am Ende der Review* aufgeführt).

Zoltan Pauls Ausgangspunkt ist der Frust. Der Frust über das Scheitern eines Filmprojektes.

Der Anlass für diesen unabhängigen Film ist ein doppelter. Der Sohn des Filmemachers, Julian Adam Pajzs, bildet mit dem Drummer Valentin Schuster zusammen das Duo Pero Pero. Die machen eine massiv-harte Musik, schwer einzuordnen, „eher Dada als Deep“. Weil das „Kranke“ in Japan gut ankomme, waren sie dort schon auf Tournee.

Jetzt im Frustmoment von Zoltan steht eine Vorführung seines Filmes „Amok“ im Goethe-Institut in Tokyo an. Aus diesem Punkt des Nichts heraus, da passen viele der Cioran-Zitate im Film, entscheidet er sich, seinen Sohn auf der Reise zu begleiten und diese zu dokumentieren, denn Julian erfüllt den Traum seines Vater, Musiker zu werden.

Statt Musiker ist der Vater erst Schauspieler geworden, später Kinobetreiber, Filmproduzent, Filmemacher und seine Ex-Gattin Adele-Neuhauser und Mutter von Julian ist inzwischen eine bekannte Wiener Tatort-Kommissarin. So weit der dokumentarische Input.

Reine Musikfilme gibt es genug. So entwirft Paul eine kleine Rahmenhandlung zu dieser Dokumentation. Seine Lebensgefährtin und Produzentin Clementina Hegewisch spielt Emma, seine Lebensgefährtin und Produzentin. Er selbst nennt sich entsprechend seiner ungarischen Herkunft Laszlo.

Die Reiseführerin in Japan, Nahoko, wird dargestellt von Tomoko Inoue. Zwischen ihr (mit der radikalen Liebesvorstellung) und Laszlo entwickelt sich eine Affäre, die in manchen Momenten gut und gern als bittersüß-ironisches-Apercu zur bierernsten Me-Too-Debatte gelesen werden kann.

Ok, am Schluss wird es eine Läuterungsreise des alternden, geilen Bockes.

Wenn das deutsche Kino, so wie hier, bei sch selber anfängt zu suchen, kommt es sich jedenfalls näher, fängt an, zu berühren, zu erheitern und einen mit den Cioran-Zitaten auch geistig auf Trab zu halten.

Die Musikausschnitte von PerPero sind harter Tobak. Ein Highlight: der Text über das Gefühl mit der neuen Zunge.

Zwischendrin gibt’s wunderschöne japanische Landschaftsaufnahmen, leicht in den Film gestreut wie frische Petersilie über den Salat.

Der Held wird zwischenzeitlich zum tragischen Helden, zum bemitleidenwürdigen Helden, er nimmt es spielend auf mit dem alternden Intellektuellenfrustie, den Josef Hader neuerdings darstellt in Wilde Maus oder in Arthur und Claire. Und was die Japan-Exploitation der Dörrie-Filme in Grüße aus Fukushima betrifft, so wirkt dieser Streifen, als lange Laszlo mit seinem Stock aus dem Schlussbild der Frau Professor unter den Rock.

*
Cioran sagt: „Alles reduziert sich schließlich auf die Begierde und die Abwesenheit von Begierde. Der Rest ist Nuance.“

Cioran sagt: „ Man hat desto mehr Zugriff auf die Welt, je mehr man sich von ihr entfernt, je weniger man an ihr klebt, der Verzicht gibt einem unendliche Macht.“

Cioran sagt: „Es gibt keine Überlegung von Rang, die nicht aus Trunkenheit entspringt, einem Verlust der Kontrolle, einer Fähigkeit, in die Irre zu gehen und somit, sich zu erneuern.“

Cioran sagt: „ Es kann geschehen, dass es Glück in einer Begierde gibt, aber die Glückseligkeit erscheint nur da, wo alle Bande gebrochen sind. Die Glückseligkeit ist mit dieser Welt nicht vereinbar.“

Cioran sagt: „So lange man begehrt, lebt man in der Unterwerfung, ist man der Welt ausgeliefert, sobald man zu begehren aufhört, genießt man die Vorrechte eines Gegenstandes und eines Gottes. Man hängt von niemandem mehr ab.“

Cioran sagt: „Wer keine Demütigungen kennengelernt hat, weiß nicht, was es heißt, auf der untersten Stufe seines Selbst anzukommen.“

Cioran sagt: „ Der Mensch neigt dazu, in Momenten höchsten Glücks zu vergessen, dass es wirklich nur Momente sind, weil sie die Lebensdauer einer Eintagsfliege kaum zu überschreiten vermögen.“

Cioran sagt: „Wer sich selbst überlebt, verfehlt seine Biographie, letzen Endes können nur die abgebrochenen Schicksale als vollendet gelten.“

Cioran sagt : „Die Tatsache, geboren zu sein, ist so unnötig, dass man, wenn man zulange darüber nachdenkt, nur noch dümmlich grinsend dasteht, weil man nicht weiß, wie man mit seiner Existenz fertig werden soll.“ und „Wo Paradoxie herrscht, da hört das System auf und beginnt das Leben“.

Emma: „Weißt du was, Dein Cioran nervt, hör doch endlich auf zu jammern“.

Besinnt sich das deutsche Kino hier endlich darauf, dass es ein Ort des Träumens sein könne?
Gleichzeitig ist der Film eine Kathederpredigt an den deutschen Filmsubventionstümpel, hat Geist, hat Witz, hat Humor, hat Tragik, hat Gefühl,
und im richtigen Moment geht’s durch einen Tunnel oder im richtigen Moment regnet’s.
Und gewiss ist das Problem, emotional professionell zu bleiben, nicht leicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert