Egal was kommt

Die Einsamkeit übertönen.

Einmal mit dem Motorrad rund um die Welt fahren, das war schon ein Traum des Buben Christian, erzählt die Mutter, Frau Vogel, und rückt eine Zeichnung ins Bild.

Den Traum hat sich der erwachsene Christian Vogel noch vor der Midlife-Crisis erfüllt. Diese Traumerfüllung zeigt er mit diesem Film, die Bildausbeute, die er selber gemacht hat mit GoPro und anderen einfachen Aufnahmegeräten bis hin zu Handys, Bilder, die auch von anderen Menschen stammen können.

Zuhause hat derweil jemand anderes, vor allem die Mutter und die Freundin gefilmt, die Statements abgegeben. Aber so ganz allein war die Reise doch nicht, den Eindruck erweckt auf jeden Fall der Film, denn spätestens kurz vor Ende meint die Freundin, froh zu sein „dass wir das geschaukelt haben“ – als ob sie ihren Geliebten sanft entmündigt.

Ohne den Support von Zuhause hätte er vermutlich längst abgebrochen. Ausgerechnet das Ziel seiner Reise, dieses Allein-Unterwegs sein, stundenlang auf dem Motorrad in fremden Ländern, in Wüsteneien und was mit ihm derweil passiert, vermag Vogel mit dem Film allerdings nicht zu vermitteln.

Er versucht sich ab und an in kommentierenden Selbstdarstellungen, kniet in Krisensituationen neben dem Motorrad wie in Gebetsstellung, schnauft heftig, rundum Sand, oder macht die große dramatische Geste mit der Hand an den Kopf oder den Kopf eingesunken, um in nicht 100 Prozent überzeugender schauspielerischer Manier zu zeigen, dass er nachdenklich sei, dass er eine Krise habe.

Erschwerend für den Reisegenuss kommt hinzu, dass immer wieder Statement-Aufnahmen von der Mutter und der Freundin zuhause dazwischen geschnitten werden. Das unterbricht die Reise jedes Mal.

Der Rest sind wild ineinandergeschnittene Aufnahmen in kürzesten Sequenzen, als ob Vogel nirgendwo verweilen wolle, als ob er gehetzt – aus Panik vor sich selbst? – um die Welt rast. Die Begegnungen mit anderen Menschen bleiben oberflächlich und touristenhaft, die Bildausbeute privatistisch-souvenirhaft.

Der Egodokumentarist bleibt ein verschlossenes Buch, das er wie mit einem Bilderwust aus aller Welt noch mehr zuzudecken sucht. Das einzige, was er von sich preisgibt, das sind einige Werbemarken von Sponsoren auf seinem Motorrad und auf seiner Lederkluft.

Kaum zu erwarten, dass er ein Millionenpublikum erreicht wie die Macher von Weit, die eine ganz persönliche Geschichte transportierten, die nie diese Selbstergötzungsspelastik produziert haben, wie er ständig auf seinem Mottorrad, die die Lust am Fahren betont, dass er freihändig fährt, Siegeszeichen und dergleichen setzt, was mehr auf Egotrip denn auf Weltentdeckungstrip hindeutet. Insofern ein studierenswertes Exemplum des Verreisens ohne wegzukommen.

Das dürfte der Unterschied zu „Weit“ sein, dass das Pärchen hier sich vor allem für die Welt interessiert hat. Während Vogel das Ziel, was er sich in den Kopf gesetzt hat, erfüllen will: Selbstrealisierungstrip. Oder Trip des vor sich selbst Davonrennens?

Der Film bleibt unpersönlich, jedenfalls von seiner Seite aus, wobei seine Freundin deutlich mehr Interesse weckt, eine massiv tätowierte Ärztin.

Das Zielpublikum dürfte sich auf das sicher nicht allzu große Segment von Menschen beschränken, die Ähnliches planen, in der Hoffnung auf Tipps. Einen gibt ihnen der Film bestimmt: überall auf der Welt den Kontak zu Motorradclubs suchen, das zahlt sich aus in Support und Freundschaftlichkeit – und ein weiterer Garant dafür, das eigene Gesichtsfeld nicht verlassen zu müssen.

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