Nach einer wahren Geschichte

Hier köchelt die hohe französische Filmkultur wohlig und meisterlich im eigenen Saft. Sie können es einfach, die Franzosen, ob Liebe oder – wie hier – die zwingende Bebilderung der künstlerisch-schöpferischen Prozesses mit den zwei Seelen in der Brust am Beispiel der Erfolgsautorin Delphine Dayrieux (Emmanuelle Seigner) und ihres Doubles Elle (Eva Green).

Großartige Darstellerinnen, die den Zuschauer unwiderstehlich verführen, mit ihnen diesen Gang in die Abgründe des Künstlertums und seines Erfolges an der smarten Hand von Roman Polanski, der mit Olivier Assayas auch das Drehbuch nach dem Roman von Delphine de Vigan geschrieben hat, mitzutun und sich von diesem Prozess, der bis an die Grenzen der Persönlichkeitsspaltung geht, faszinieren zu lassen.

Die Story fängt mit einer Signierstunde der Autorin Delphine Dayrieux an, die deutlich macht, welche Bedeutung ihr Werk – und damit die Autorin selbst – für die Leserinnen und Leser hat. Wobei interessant ist, dass die meisten Menschen eine Widmung für einen anderen Menschen verlangen. Die Macht des Autors. Die Beziehung zwischen Sprachschöpfer und Geschichtenerzähler/in und dem Publikum, dem Kunden. Zuletzt meldet sich Elle.

Ab hier wendet sich der Film dem Schaffensprozess zu. Denn Elle dringt immer weiter in das Leben von Delphine ein. Während der Mann von Delphine, Francoix (Vincent Perez), ein Fernsehmoderator, häufig durch Abwesenheit wegen Moderatortouren glänzt. Und noch eine und noch eine.

Das Leben von Delphine spielt zwischen ihrer Pariser Stadtwohnung und einem einfachen Ziegelhaus auf dem Lande. Merkwürdigerweise wohnt Elle in der Stadt in einem Haus auf der anderen Straßenseite, einige Etagen höher, mit Sichtkontakt.

Äußerlich ähneln sich die beiden. Wobei schon in der Perfekton der Haarfärbung ein merklicher Unterschied zwischen dem makellosen Kastanienbraun von Elle und dem von nachwachsend grauem Haar durchzogenen Kastanienbraun von Delphine zu konstatieren ist.

So liegen sich diese zwei Ichs der Autorin in vielem in den Haaren, unterscheiden sich, ringen miteinander, kommen nicht voneinander los.

Delphine ist die Perzeptiv-Fühlige, die zu Verunsichernde, die Zweiflerische, die Empfindsame, die für Unfälle anfällig ist bis hin zum Sturz in den Straßengraben. Aber sie ist auch die Unerschrockene, die selbst mit Gipsbein sich in den Keller traut, um Mausfallen aufzustellen.

Während Elle stets lächelt, maskenhaft, im Auto sitzt selbstverständlich sie am Steuer, sie übernimmt das Kommando über das Organisatorische, schützt nach Außen eine Schreibblocke von Delphine vor.

Andererseits ist Delphine skrupellos genug, Elle als Schürfgrube für Geschichten zu benutzen, das, was Elle erzählt, umgehend in die Geschichte einer wahren Begebenheit einzubauen. So bleibt denn offen, wie weit die ursprünglich wahre Geschichte wirklich existiert oder wie weit sie allein durch Einbildung Wahrheit gewinnt, so dass sie plausibel erzählt werden kann.

Das selbstbewusste Ich gegen das labile Ich, das eitle Ich gegen das kreatürliche Ich, das leidende gegen das herrschend/herrische, das Ich, das über Leichen geht (die Todesfälle um Elle herum) und das Ich, das von seinen Menschen verlassen wird (die Kinder studieren, der Mann ist berufsmäßig unterwegs), das wehrlos sich gibt. Das Ich, das die Mitmenschen mit ihren Geschichten ausbeutet und das Ich, das ein schlechtes Gewissen bekommt dabei (der Traum vom Eklat mit den geheimen Tagebüchern); das Problem künstlerischer Selbstzerfeischung, Selbstzerstörung, Selbstausbeutung.

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