Luna

Stoff für einen internationalen Thriller.

Ein gut getarnter sowjetischer Spion lebt unauffällig in der Bundesrepublik. Seine Frau und seine zwei Kinder haben keine Ahnung davon. Tochter Luna (Lisa Vicari) ist schon eine junge Frau, lebt noch bei den Eltern.

Da fliegt ihr Vater auf. Aus heiterem Himmel wird Luna mitten in brutale Geheimdienstabrechnungen hineingezogen. Ein Killerkommando soll die ganze Familie auslöschen. Luna überlebt. Ihr altes Leben ist von einem Tag auf den anderen hinfällig.

Der sich den Stoff vorgenommen hat, ist der Filmproduzent Khaled Kaissar. Er hat das Drehbuch von Ali Zojaji, Ulrike Schölles und Alexander Costea schreiben lassen und selber mit einem teils subventionsnahmhaften Cast (Bibiana Beglau, Benjamin Sadler, Rainer Bock) die Regie übernommen.

Das Resultat wirkt zwiespältig, eine knallige Diskrepanz offenbart sich: die Beschäftigung fürs Auge durch die Kamera von Namche Okon ist anschmiegsam und großartig, die Beschäftigung für den Geist ist – gelinde gesagt – ätzend, es kommt keinerlei Spannung auf, die über diejenige einer Verfolgungsjagd, wovon es genügend mit viel Gerenne gibt, hinausgeht.

Der Film steht sozusagen mit dem falschen Fuß auf. Aber bei einem Thriller ist, meine Meinung, keine Zeit zu verlieren, wer nicht gleich zur Sache kommt, hat schon verloren. Hier beginnt es mit Bildern, die sich hinziehen, es sind abstrakte Spielereien mit roten Punkten, Lichtreflexen, als wolle einer zeigen, dass er Walter Ruttmann studiert habe. Keinen Hinweis darauf, was das mit dem Film auf sich habe.

So ist schon die Zeit der Titel verloren. Dann kommt tatsächlich Luna ins Bild und in Voice-Over skizziert sie das Thema, diesen Verlust von allem in einem einzigen Moment. Dieses alles wird in einer Disco-Szene symbolisiert, damit der Film, wie jeder deutsche Anfängerfilm, sein Pensum an Discoszenen erfüllt. Das ist nicht sachdienlich.

Eine junge Frau, die ihre Identität aus der Disco bezieht? Disco ist doch wohl das Anonymste, da sind sich die Menschen alle gleich. Es wird also nichts beschrieben, was einem später weh tun könnte, wenn es wegfällt; ein junger Mensch kann auch ohne Disco. Oder gar: in der Disco kann sich jemand, der verfolgt ist sogar sehr gut verstecken, also grad die braucht sie nicht zu verlieren.

Dann gibt es Familienszenen. Die Familie will über das Wochenende aufs Land fahren an einen grandios fotografierten See in einer herbstlichen Berglandschaft. Das Drehbuch verrumpelt sich vielleicht an alltagstauglichen Dialogen, vergisst aber dabei, die Dinge zu artikulieren, die klar machen, dass diese Familie identitätsstiftend für die junge Frau ist, essentiell.

Diese Familie strahlt keine Geborgenheit und Vertrautheit aus, das, was einen Verlust schmerzhaft erscheinen ließe. Das hat vielleicht auch mit der Besetzung der Eltern zu tun, die so kalt wirken, da war der Regisseur und Produzent wohl schlecht beraten mit dem Casting. Da diese Basis auch für Luna fehlt, ist es schwierig für sie, die Folgesituationen zu spielen.

So kommen verschiedene Dinge zusammen, die den großen internationalen Erfolg des Stoffes gemeinsam verhindern werden: ein ungeschicktes Drehbuch, was sich nie die Gesamtsituation überlegt hat, nicht überlegt hat, wie es spannend erzählt, welche Position es genau einnimmt, dann die Unerfahrenheit des Produzenten als Regisseur und einmal mehr täuscht Namche Okons traumhaft sichere Kamera über all diese gravierenden Defizite hinweg, wie schon in Bergblut.

Verwunderlich, dass der FilmFernsehFonds Bayern und der DFFF Gelder für das unreife Drehbuch locker gemacht haben.

Alltagsunglaubwürdig. Die Audi-Werbung kommt zwar oft, aber schön dezent rüber. Es fehlt erzählerisch das Überblickselement, das die Geschichte für den Zuschauer nachvollziehbar macht.

Das Casting ist gegen die Erzählung, es sind Eltern, die grad gar keine familiäre Atmosphäre aufkommen lassen, die Familiarität nicht als etwas Kostbares darstellen; insofern hat das Mädchen nichts zu verlieren. Es entsteht kein dramatisches Gefälle, oder allenfalls rein theoretisch.

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