Die Unsichtbaren – Wir wollen leben!

Sehenswertes Holocaustmuseum, sorgfältig aufbereitet von Claus Räfle, der mit Alejandra Lopez auch das Drehbuch geschrieben hat.

7000 Juden sind im Zweiten Weltkrieg in Berlin untergetaucht. 1500 davon haben überlebt. Vier dieser Überlebenden hatte Claus Räfle befragt zu dieser Zeit im Untergrund und hat die vier Geschichten in trendiger Verzopfmanier ineinandergeschnitten.

Cioma Schönhaus, Ruth Gumpel, Eugen Friede und Hanni Lévy sind die Protagonisten, die in hohem Alter und im milden Lichte der zeitlichen Distanz berichten. Räfle hat viele Szenen illustriert, nachgestellt, aber nicht auf realistische Weise, sondern so, als seien die Figuren Teile einer schön erleuchteten Vitrine und spielten die Szenen zur Erinnerung.

Das Licht ist einerseits mild, andererseits vitrinenkünstlich, vor allem die Gesichter und die Menschen sind gut ausgeleuchtet von eigens installierten Lichtquellen, die weder aus dem Tageslicht noch aus der räumlichen Notwendigkeit erklärbar sind.

Das setzt die Szenen in eine angenehm-nüchterene Distanz, sie führen sich auch nicht als Konkurrenz zu den Erzählungen auf, sie wirken so, als sei ein Simultanübersetzer am Werk, einer fürs Auge. Das gibt der Installation etwas Zeitloses, dürfte sich positiv auf ihre Haltbarkeit auswirken, das meine ich mit dem Begriff Museum, also durchaus positiv gesehen.

Aufgelockert wird diese Erzählstruktur aus Interviews und Nachspielszenen zusätzlich mit Ausschnitten aus Archivaufnahmen, auch Wochenschauen.

Es sind Menschen, die in die Illegalität abgetaucht sind, in einer Zeit, in der die Nahrungsmittel knapp wurden, in der Denunziantentum an der Tagesordnung war und vom Terrorregime direkt gefordert wurde. Auch unter den Juden gabe es Spione, die zum Verrat erpresst wurden. Es herrschte ein Klima des Misstrauens.

Umso erstaunlicher sind doch die vielen Fälle, in denen Mensch selber ihre Sicherheit riskierten, indem sie Juden aufgenommen haben. Für die ‚Illegalen‘ hieß es, sich in Verstellung üben, sich normal geben auf dem Kudamm, im Kino, in der Öffentlichkeit, aber es herrschte auch ständig die Angst, von Leuten aus der früheren Umgebung erkannt zu werden.

Das Untertauchen führte durchaus auch zu komischen Situationen. Mit fortschreitendem Krieg gab es immer mehr Witwen. So bot sich für Frauen die Verkleidung ‚trauernde Witwe‘ geradezu an. So fanden auch die es nicht unkomisch, als solche ins Kino zu gehen.

Einer der Protagonisten war unentbehrlich als hervorragender Dokumentenfälscher. Eine kam als Haushalthilfe bei einem Nazioffizier unter in der feinen Villa. Der war selbst im Widerstand gegen Hitler.

Wobei das Thema der Illegalität, auch wenn es hier um einen historischen Bericht geht, nicht aus der Welt ist. Der Satz „Kein Mensch ist illegal“ ist auch ein heutiges Kampfwort. Auch heute sind Dutzende von Millionen Menschen auf der Flucht. Ai Wei Wei gibt ihnen ein Memento in seinem Film Human Flow.

Neckischer Begriff für das Untertauchen: Flitzen.

Eine parallele Erinnerung einer Untergetauchten war kürzlich im BR zu sehen: Charlotte Knobloch.

Details. Die Vorteile der Verdunkelung. Auch die Gefahr der Gastgeber und Retter, dass die verrückt werden könnten mit dieser ewigen Heimlichtuerei und Aufpasserei und Gefahr. Das Pech mit den Ausweisen des Fälschers, die einer irrtümlich verbrannt hat, was Misstrauen erweckte, und der erst wieder rehabilitiert wurde, nachdem er seine Tasche mit dem eigenen Ausweis in einem öffentlichen Verkehrsmittel hat liegen lassen und sofort steckbrieflich gesucht wurde.

Widerstandsrgruppe „Gemeinschaft für Frieden und Aufbau“, die Kettenbriefe versandte – mit einem Freistempel! Teils hören sich die Schilderungen recht abenteuerlich an.

Obwohl das primär kein Schauspieler-Film ist, da die Darsteller sich der Sache zuliebe zurücknehmen müssen, macht der Aufritt von Andreas Schmidt doch melancholisch. Der ist kürzlich gestorben mit erst 53 Jahren und hat immer die Sympathie gewonnen durch seine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Darstellung.

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