Fido

Heute konnte ich in einer Fantasy Filmfest-PV Fido sehen.

Ganz kurz gesagt, und das werden auch einige der Kollegen so schreiben: Pleasantville meets Dawn of the Dead.

Dazu muß man die Hintergründe ein wenig beleuchten: Zombiefilme sind nicht einfach nur Filme, in denen Tote umhertorkeln und Menschenfleisch oder Hirn fressen wollen, sondern Zombiefilme sind, oder können dies zumindest sein, Gesellschaftskritik.

Wie auch schon im verlinkten Artikel beschrieben, wurden Zombies erst durch die Filme von George Romero für die breite Popkultur zugänglich, insbesondere geschah dies 1978 durch Dawn of the Dead. In diesem Film verbarrikadieren sich die Überlebenden einer Zombie-Pandemie in einer typischen US-amerikanischen Shopping Mall. Als die Untoten die Hindernisse schließlich überwinden und in die Mall strömen, verhalten sie sich, wie sie sich schon zu Lebzeiten verhalten haben: Sie gehen bummeln. Natürlich ist das Verhalten eines Zombies immer ein Schatten der Verhaltensweise des jeweiligen Menschens zu Lebzeiten, doch erst Romero wies die Zuschauer durch dieses gekonnt eingesetzte Stilmittel auf ihre eigenen, meist belanglosen, Lebensgewohnheiten hin. (Es wäre zum Beispiel ein Leichtes, einen Zombiefilm in einer Anlage für Pauschalurlauber anzusiedeln.)

In der jüngeren Vergangenheit wurden die Zombies zum Zwecke der Actiontauglichkeit deutlich aufgepeppt: Heutige Zombies torkeln nicht, sondern rennen, außerdem sind sie keine tumben Nichtwesen mehr, sondern verdienen laut Romeros (!) Land of the Dead von 2005 auch ein eigenes Existenzrecht.

Dabei sind die klassischen, langsamen Zombies von damals doch viel tiefgründiger als die schnellen Freßmaschinen, die eigentlich nur einen faireren Kampf auf der Leinwand liefern: Das Schöne am klassischen Zombie ist, daß er trotz seiner Langsamkeit praktisch unaufhaltsam ist – nur ein Kopfschuß (oder ähnliches) beendet den Spuk. Außerdem ähnelt der klassische Zombie doch viel eher dem ehemals lebenden Menschen als die nicht wiederzuerkennenden Monstren der heutigen Zombiefilme. Schade.

Nun, Fido ist hier nicht nur die glorreiche Ausnahme. Vielmehr ist Fido die mit Abstand beißendste Satire auf unsere Gesellschaft, die ich seit langem gesehen habe:

— leichte Spoiler voraus —

Der Film eröffnet mit einer knatternden, selbstherrlichen Schwarz-Weiß-US-Wochenschau, in der berichtet wird, wie das tolle Amerika die Invasion der Zombies (Strahlung aus dem All) dereinst niedergeschlagen hat, die Städte umzäunt und die Zombies in die wild zone verbannt hat. Schließlich hat dann noch ein genialer Wissenschaftler eine elektrische Halskrause entwickelt, die den Blutdurst des Zombies unterdrückt. Jeder so ausgestattete Zombie ist harmlos, sofern das rote Lämpchen nicht ausgeht.

In der Gegenwart des Films, ca. ein bis zwei Jahrzehnte später, was von der Optik her den 50er-Jahren entspricht, wie wir sie eben aus Pleasantville oder auch Back to the Future kennen, werden Zombies allüberall gehalten wie Haustiere. Sie sind als Diener darauf trainiert, Aufgaben rund um den Haushalt wahrzunehmen, Milch und Zeitungen auszuliefern oder sonstige einfache Tätigkeiten auszuführen. Dies ist völlig normal für die Menschen jener Welt, ethische und moralische Fragen werden hier nicht erörtert. Schon bald ist klar: Die echten Zombies sind die, die nicht gerade am Verrotten sind.

Die Filmhandlung, auf die ich eigentlich nicht weiter eingehen will, besteht darin, daß die Familie der Hauptfigur sich endlich einen eigenen Zombie, Fido, anschafft, was dem Familienvater sehr mißfällt: Er ist Veteran der Zombiekriege und hat einen nachvollziehbaren Komplex bezüglich der Untoten. Fido dahingegen ist ein Musterzombie, der so gut wie nie aus der Reihe tanzt (Spoiler im Trailer), und schon bald liebt die Familie den Zombie mehr als den grießgrämigen, entfremdeten Herrn Papa. Der verträgt es natürlich nicht, gewissermaßen von einem Toten ausgespannt worden zu sein.

Das für den Vater wichtigste Lebensziel ist nichts anderes als die Zahlung der hohen Raten für die Beerdigungsversicherung, die eine Bestattung ohne Widerkehr garantiert: Kopf und Rumpf werden getrennt voneinander bestattet, man ruht in Frieden. Alle, die sich das nicht leisten können, müssen nach ihrem Tod als Zombies weiterarbeiten – besser kann man den amerikanischen Traum nicht persiflieren.

Dies ist jedoch nur eine der mannigfaltigen Implikationen des Streifens, der unserer heutigen Gesellschaft einen Panoramaspiegel vorhält. Das Heile-Welt-Denken mit frommem Selbstbetrug, ein zeitloser Klassiker der menschlichen Spielarten, ist der deutlichste Anstrich des Films, dicht gefolgt vom überheblichen Großmachtambitionen selbstverliebter Veteranen bis hin zu ganzen selbstverliebten Staaten. In der Schulbildung und in Beerdigungsriten finden sich kleine, feine Andeutungen auf gewaltige gesellschaftspolitische Umwälzungen, ein kleinerer Aspekt, der meiner Meinung nach sogar ein bißchen zu wenig betont wird, ist das staatlich propagierte Mißtrauen gegen Alte. Die werden natürlich um Zombie, sobald das Herz aussetzt, und wenn sich ein normaler Alter mal erratisch verhält, ist er von einem echten Untoten auch kaum noch zu unterscheiden. Also werden die Omis und Opis vorsichtshalber beim kleinsten Zornesausbruch abgeholt.

Die Aussage von Fido ist ziemlich deutlich: Behandelt Eure Mitmenschen besser, bigottes Pack! Oder war es: Guckt mal ein wenig über den Tellerrand hinaus! – Nun, diese Entscheidung sei jedem selbst überlassen.

Das mag für einen Leser, der Fido noch nicht gesehen hat, wie eine wahrlich seltsamer Zombiefilm anmuten, doch ich kann nur raten, den Film beim Besuch des diesjährigen Fantasy Filmfest mitzunehmen: Ihr werdet nicht enttäuscht sein. Es gibt zwar eine Länge, einen Durchhänger im dritten Viertel, aber das ist ja bei wirklich vielen Produktionen so.

Leider hat sich für diesen großartigen Film leider noch kein Verleih gefunden. Wer ihn also auf der Leinwand (wo Filme hingehören) sehen will, hat vorerst nur beim FFF Gelegenheit dazu.

Hier noch ein paar Links, wie gesagt, der Trailer enthält kleine Spoiler:

Der Trailer zu Fido bei Apple. Leider vermittelt der Trailer, so süß er ist, ein etwas schiefes Bild: Der neuerliche Ausbruch der Epidemie ist reine Nebensache. Dito bei Movie-List und bei MovieMaze.

Immerhin 66% bei Rotten Tomatoes – für einen Zombiefilm nicht schlecht. Wobei, Dawn of the Dead brachte es damals auf 97%.

Eine ganze Menge Reviews erreicht man auch über die IMDb.

Am ehesten erinnert Fido an die Satiren auf Lehrfilme, die so großartig bei den Simpsons und bei Futurama persifliert werden: Global Warming, A Message from Al Gore, Shoplifters Beware, Don’t Drink and Drive, Someone’s in the Kitchen with DNA!, Meat and you: Partners in Freedom, Fine Feathered Colleagues, Young Jebediah Springfield, Adjusting your Self-O-Stat, Driver’s Ed, und obwohl es nicht dazupaßt, aber echt lustig ist, hier noch das Internet aus der Sicht von Futurama.

Und hier noch der obligate YouTube-Trailer zu Fido, der gegenwartskonform (löblich!) sogar vom US-Verleih selbst eingestellt wurde:

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