David Lynch: The Art Life

Das Dunkle, das Tiefe, die Bäume, die Sterne, das Großartige, das sind nur einige der Stichwörter, die in Lynchs eigenen Worten den Bereich seines Interesses abstecken, da, wo er sucht, was er sucht – und vielleicht nie definitiv findet.

Und dass er sucht, immer noch sucht, jetzt mit 71 Jahren und einem zweijährigen Töchterchen, das belegt seine fortdauernde, künstlerische Aktivität in seinem großärumigen Atelier hoch ober über L.A. versteckt.

Wobei er sich Pausen zum Nachdenken und Suchen leistet. Auch dabei filmt ihn Kameramann Jason S. in dieser magazinhaften und doch persönlichen Dokumentation von Jon Nguyen in Kodirektion mit Rick Barnes und Olivia Neergaard-Holm.

Sie lassen Lynch über seine Kindheit und Jugend erzählen, direkt in ein aufwändiges und bilddominierendes Mikro hinein. Sie legen dabei auch Archiv-Footage aus seiner Kindheit, aus der Studienzeit als Bild drunter, Super-8-Aufnahmen aus seinem Elternhaus, s/w Fotos oder neu gedrehtes Material, wie er in seinem Atelier an verschiedenen Kunstwerken arbeitet, kein Film, Bilder mit skulpturhaften Beifügungen oder Gegenstände, die aussehen wir Brote und die er mit einer nicht näher definierbaren Paste belegt oder beklebt.

Das Werkeln liegt ihm im Blut. Auf Vaters Landwirtschaft musste immer etwas reapriert werden und der Vater, er und sein Bruder, taten es mit Spaß. Wobei der Vater für ihn vor eine leuchtende Figur ohne jede Falschheit oder Hinterhältigkeit ist, der erst, wie es mit Davids Kunst ernster – und radikaler – wird, an die Grenzen seines Goodwills stößt. Aber eine gute Seele von Mensch kann den definitiven Bruch zwischen Vater und Sohne kitten.

Das Dunkle und Düstere verbindet Lynch biographisch vor allem mit Philadelphia, wo er einige Jahre mit Freunden studiert hat. Die Ödnis der Stadt wirkte sich anregend auf den „Art Spirit“ aus, auf die Kreativität. Bis dahin ist er vielleicht ein Kunststudent unter anderen.

Zu den düsteren Erfahrungen gehört nicht nur die Beobachtung verkommener Menschen (durch Alkohol und Drogen), auch das Erlebnis einer Nacht im Kühlraum der Pathologie ist darunter zu subsumieren.

Das scheint den Nährboden für seinen ersten Film geliefert zu haben: „The Grandmother“. Den zu drehen hatte er die ganze Wohnung, in der er inzwischen mit Frau und Kind wohnt – zum Teil hat er in einer Druckerei gearbeitet, um Geld zu verdienen – als Kulisse eingesetzt.

Dieser Kurzfilm ist es, der ihn ein Stipendium an der begehrten Filmschule in L.A. gewinnen lässt. Vier Jahre lang kann er den Pferdestall des Anwesens als Studio nutzen und an „Eraserhead“ arbeiten. Er muss in der Zeit total glücklich gewesen sein (It was so beautiful). Kunst geht vor Familie. Die Sonne Kaliforniens tut ihr übriges. Er ist bereits geschieden.

Die aktuellen Dokumentaraufnahmen finden vor allem in seinem Atelier statt. Er geht nicht gern in die Außenwelt. Er beschreibt eine Zeit, in der er sich zwei Wochen lang nur in sein Zimmer zurückgezogen hat; bei einer Fahrt durch L.A. mit ihm verstärken die Dokumentaristen den Straßenlärm auf der Tonspur schmerzhaft – so kann sich Empathie und Verständnis für den Protagonisten entwickeln.

Der Film kann weder Talent noch Werk Lynchs erklären. Dürfte auch nicht die Absicht sein. Er erzählt darüber, wie sich dieses Talent aus einer Wettbewerbssituation seiner Generation und mit all den Verhinderungsmechanismen, unbeirrar herausschält, wie es sich durchsetzt, durchaus auch mit Hilfe von Institutionen, andererseits auch durch die Erfahrung von Negativem, Zerfall, Zerstörung, Dunkelheit; das Kreative brauche den Impuls, die „Mess“, den Dreck, den Sauhaufen, um zu sich zu finden.

Gar keine Impulse bringt ihm Europa. Die Absicht eines dreijährigen Aufenthaltes, beginnend mit einer Masterclass bei Kokoschka in Salzburg, ist nach zwei Wochen beerdigt, er und seine Freunde kehren umgehend zurück in die USA. Die Musik lässt sich inspirieren vom Motto des Faustschlages, das in seinem Text auch vorkommt.

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