Helle Nächte

Einen wunderschönen Norwegen-Naturbilderbogen hat Thomas Arslan hier zusammengestellt und dazu Musik montiert, die von Unterbewusstem schwanen lässt.

Auch die beiden Protagonisten vermögen den meditativen Musseblick, den das erfordert, kaum zu stören. Es sind dies der chronische Österreicher und Miespeter Georg Friedrich und als sein Sohn Luis, das auch nicht mehr unbeleckte Nachwuchstalent Tristan Göbel.

Thomas Arslan schickt die beiden nach Norwegen, damit sein Film die Sprachlosigkeit ihrer Vater-Sohn-Beziehung, also vor allem die Sprachlosigkeit des Vaters, knacken kann. Das ist das Problem bei der Geschichte, dass es eigentlich gar keine Geschichte gibt.

Es gibt nur die Behauptung einer entfremdeten, gestörten Vater-Sohn-Beziehung. Weil der Vater ein Arschloch ist, weil er noch fremdgegangen ist, wie seine erste Frau schon schwanger war mit Louis, und er sich auch einen Dreck um den Sohn gekümmert hat.

Das ist das Problem, dass es sich dabei lediglich um ein Konstrukt handelt, welches mittels des Roadtrips durch Norwegen als falsch, als unnötig erwiesen werden soll. Es gibt keine Geschichte. Es gibt keine weiteren Charakterisierungen der Figuren.

Es gibt bloß einen äußeren Anlass für die Norwegen-Reise. Der Opa von Louis, also der Papa von Michael, ist gestorben. Der ist erst vor 5 Jahren nach Norwegen in ein Häuschen auf dem Lande gezogen.

Erstaunlich ist, dass Michael sich überhaupt auf den Weg macht. Seine Schwester jedenfalls, die wir als sehr bestimmte Telefonstimme kennenlernen, weigert sich, da wohl auch dieser Vater schon ein Arschloch gewesen sein muss. Noch mehr verwundert vor diesen Hintergründen, dass Michael im Moment zu Leyla, Marie Leuenberger, ein gutes Verhältnis hat – er muss sich verändert haben, na, das geht sich schon mal von Besetzung und Spiel grad gar nicht aus.

Einen Beruf hat er offenbar auch keinen. Er ist eben nur da, um den sich wandeln zu habenen Miesepeter zu spielen. Das tut er genau nach Regieanweisung. Wenn er ein Stück Weg geht, ist ihm von weitem anzusehen, dass er das jetzt halt tut, weil das sein Job ist, weil der Regisseur Arslan, der schon mit Gold weit jenseits eines größeren Publikumsinteresses inszeniert hat, ihm gesagt hat, er soll jetzt von da nach da gehen, schneller oder langsamer.

Der Sohn hat sich zu der Beerdigungsreise hinreißen lassen, weil er, wie er behauptet, mal das Haus von seinem Opa sehen wollte. Der hatte ein Manuskript geschrieben. Dessen Titel nuschelt Friedrich weg und die Kamera enthält ihn dem Zuschauer ebenfalls vor.

Erst haben sich Vater und Sohn gar nichts zu sagen. Gut, das muss man auch inszenieren können. Aber alles ist absehbar, dass es zu Vorgängen kommt, die die Zunge lockern, die Vater und Sohn einander näher bringen, zu Auseinandersetzungen, auch physischer Art, zu Anschreierei, zum Weglaufen.

Alles schön nach Plan. Weil das die Vorsätzlichkeit dieses an sich schönen, aber irgendwie auch schön leeren Kinostückes ist, welches aus diesem Grund wohl nur wenige Zuschauer interessieren wird. Weil es nur ein Modell vorführt, was sattsam bekannt ist, und wenn die Vorführsprache noch so schön und gediegen ist.

Insofern besteht kein Grund, Zwangsgebührengelder in so ein Kino zu versenken über den WDR und über diverse Förderanstalten, nur um absehbar über eine zu durchbrechende Sprachlosigkeit zu erzählen, die genau so erzählt wird, dass ihr Existenzsinn in deren Auflösung besteht.

Wobei das Lösungsmodell von Arslan vermutlich weltfremd und kitschig ist: mit ein bisschen Urlaub in freier Natur solch elementaren Probleme zu lösen. Stellen wir uns vor, Helmut Kohl hätte das mit seinen Söhnen gemacht. Wie verbittert so ein Vater-Söhne-Konflikt sein kann, hat sich doch bei dessen Beerdigungsfeierlichkeiten gezeigt. Gut, werden Sie einwenden, Kohl, das ist kein Mittelmaß. Dann stelle ich die Gegenfrage: will denn Thomas Arslan eine Durchschnittsstörung von Vater-Sohn-Beziehung zeigen und vor unseren Augen die Lösung demonstrieren?

So schön seine Kunst der Bilderaneinanderreihung entwickelt sein mag, inhaltlich beschränkt er sich auf reines Dozieren. Niemand will im Kino belehrt werden. Vielleicht ist das der Grund, warum vorhersehbar ist, dass das Publikum intutitv einen Bogen machen wird um diesen Film.

Hinzu kommt, dass es Friedrich nicht so richtig gelingt, die Arschlochmaske abzulegen, auch nachdem er, wie es von der Regie absehbar gewollt ist, zu seinem Sohn gefunden hat. Vermutlich ist er gerade aus dem Grund ein Besetzungsfehler, weil er als der Prototyp von Arschloch überall durchgeht.

Vielleicht wäre es spannender gewesen, wenn sich ein Schauspieler das hätte erarbeiten müssen, hätte für sich erfinden müssen, warum dieser Michael sich so bescheuert verhält seinen Liebsten gegenüber.

Während für Friedrich, so spielt er es jedenfalls, offenbar gereicht hat, dass er als Typecast ausgewählt worden ist, weil sich dann niemand mehr mit dem Problem, was ja sich als Topthema in den Film drängt, beschäftigen zu müssen glaubt.

Zur Kinomagie fehlt hier die ablenkende Story, in deren Windschatten sich das ‚eigentliche‘ Thema des Regisseurs sich wie nicht erlaubt, wie nicht erwartet, reindrängt, sich Raum verschafft, als Überraschung – und somit Spannung erzeugt.

Ein Film, bei dem man Wetten abschließen kann, wann wird der Vater dem Sohn das erste Mal mit der Hand über die Schulter streifen oder sie kurz berühren, wann wird der Sohn das erste Mal den Vater anlächeln, wann werden sie sich anschreien? Wann wird der Vater das erste Mal besorgt sein über seinen Sohn, der abgehauen ist?

Arslan kann durchaus Bilder, die tragen, filmen, indem er sich Zeit lässt und nichts wegschummelt. Aber er schafft es nicht, mit der Gesamtmontage den Zuschauer an einem Emotionsnerv zu packen. Der kann bestenfalls den Weg der Konfliktlösung mitschreiben. Oder er kann sich ausmalen, was Friedrich bei einem seiner vielen Gänge sich selber denkt, wieviel er gerade wieder verdient mit dem Runterziehen von seinem erfolgreichen Schauspielerschuh. Dass solche Gedanken sich überhaupt einschleichen beim Zuschauen, ist wohl dem doch zu dünnen Drehbuch zuzuschreiben; dass der Zuschauer nicht gefesselt wird durch das nächste angestrebte Ziel der Hauptfigur.

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