Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes

Können intellektuelle Künstler die Welt verändern und können sie davon leben?
Oder: eine philosophisch-filmessayistische Reflektion über die Internationale.

Vielleicht meldet sich hier das Godard-Gen bei seinen deutschen Enkeln oder Urenkeln, nachdem es ein oder zwei Generationen übersprungen hat, und die Film als ein Mittel der Auseinandersetzung mit der Welt verstehen, aber auch das Kino reflektieren wollen und mit seinen Möglichkeiten spielen, mit roten Texttafeln, die geistigen Input bringen, gesellschaftskritischen, gesellschaftssatirischen; andererseits Berichte aus der Arbeitswelt genau so montieren wie verführerisch schöne Naturaufnahmen.

Das Thema des Narrativen beim Film wird gestreift und im letzten Teil wie ein eigener Film, der dem vorherigen Teil entspringt, als ein Roadmovie über die Alpen ins kommunistische Traumland Italien erzählt. Dumm nur, dass es überall „private Property“ heißt und die beiden Protagonisten dieser Reise, Hong (Kyung-Taek Lie) und Sancho (Beniamin Forti) im Gefängis landen und der Anstifter zu dieser Reise, der Mönch (Ilia Korksashvili), den haben die Grenzbeamten schon beim Eintritt in dieses gelobte Kommunistenland kassiert.

Der Mönch hatte die Idee von den Vögeln erzählt bekommen. Franziskus. Damit schließt sich der Kreis der Geschichte, die nicht so verwickelt ist, wie die aktuelle Herrschaft des globalen Kapitalismus, der wegen Kompliziertheit und Darstellungsproblemen schwer nur zu bekämpfen ist für die Träumer der Internationale – und wer macht bei Realisierung des kommunistischen Ideals die Drecksarbeit?

Hong und Sancho sind Museumswärter in Berlin. Hong verfügt über die Eigenschaft, auch im Stehen einschlafen zu können. Ihn fasziniert ein Gemälde, auf welchem der Heilige Franz von Assisi zu sehen ist. Zufällige Begegnung: der Regisseur des Filmes, Julian Radlmaier, Regie, Buch, Schnitt und auch Protagonist, begegnet hier der distanziert-skeptischen Camille (Deragh Campbell). Er macht sie plump-intellektuell an; das inszeniert und spielt Radlmaier mit Selstironie.

Julian träumt davon, Filme zu machen und lebt von HartzIV. Bald wird es Hong und Sancho auch so gehen. Sie verlieren ihren Job, weil unter ihrer Bewachung ein Dürer und ein Feuerlöscher im Museum abhanden gekommen sind, so dass auch sie die Menschenwürde gegen HartzIV eintauschen.

Die HartzIV-Bürokratie verlangt, dass sie einen Beitrag für ihr Almosen leisten und sich als Erntehelfer auf der Obstplantage Oklahoma, ganz und gar verbrämt kapitalistisch, melden. Dort schlafen sie und weitere Leidensgenossen in einem großen Raum mit Doppelstockbetten. Hier können sie schon mal Sozialismus und Demokratie im Kleinen üben.

Die Apfelernte ist brutal ausbeuterische Akkordarbeit. Radlmaier schildert das mit Humor und geistiger Durchdringung resp. der Erkenntnis der Schwierigkeit der Durchdringung globalkapitalistischer Abläufe.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, Widerstand zu leisten. Das musikalische Leitmotiv des Filmes ist Die Internationale die in mehreren Varianten, gern auch gezupft, mit und ohne Text zu hören ist.

Der Traum der wachen Jugend von einer gerechten Welt und wie sie dazu beitragen kann. Radlmaier spinnt ihn mit Kunstgriffen in seiner Erzählung weiter. Er bekommt jetzt Filmförderung. Da gibt’s kurz Publikum in einem Kino und Schwarzbild. Dann dünnt sich das Obstplantagenpersonal aus. Hong und Sancho begeben sich mit Camille auf den Roadtrip „The Pursuit of Happiness“. Das ist der Film, der in Venedig gezeigt wird und nach der Vorführung gibt es für den Regisseur die Möglichkeit, Stellung zu beziehen, was seine Antwort zum Thema Kunst, Globalisierung und Veränderung betrifft.

Wobei die Frage ist, ob der bürgerliche Hund mit seiner Anwort auf die Leninsche Frage „Was tun“ des Rückzuges auf die Kunst nicht vor der Veränderung kneift, gar einen Kotau an das Förderbiotop macht?

Interessanter Querverweis, es geht um den Glauben an Wunder, hier heißt es „I do not believe in Miracles“ – Kürzlich gab es den Film Shalom Italia ebenfalls in Italien spielend, auch hier stellte sich die Frage nach dem Wunder, sie wurde positiv beantwortet – mit erstaunlicher Folge.

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