In Zeiten abnehmenden Lichts

Nägel in den Nazitisch schlagen.

Nach allen Regeln der Kunst mit einem handverlesenen Ensemble, einer detailgetreuen Ausstattung und einer Bodenbelaubungsabteilung, die keine Wünsche offen lässt, verfilmt Matti Gschonnek den Roman von Eugen Ruge in der Drehbuchfassung von Wolfgang Kohlhaase, der in der DDR Großartiges geleistet hat.

Es geht um den 90. Geburtstag von Wilhelm Powileit (Bruno Ganz), einem Handwerker, der es bis zum hohen Parteifunktionär in der DDR gebracht hat. Die DDR ist kurz vorm Zusammenbruch. Auf diesen Zeitpunkt spielt der Titel des Filmes und des Buches an, Herbst ist gemeint, Herbst der DDR, aber auch die Nähe zum Tod von Powileit, das Licht schwindet.

Die Ausstattung hat ganze Arbeit geleistet, keine Außenaufnahme ohne boden- und straßendeckendes Laub, auch wenn daneben noch grüne Bäume stehen. Herbst auf jedem Quadratmeter Erdoberfläche.

Schönes Symbol für die Jubiläums-Veranstaltung, die in ihrer Verlogenheit gut rüberkommt und wohl nur über dieses Thema einen kleinen Durchlass aus der Enge regionaler Bedeutung dieses Filmes zu einem Allgemeininteresse öffnet, sind die leeren Blumenvasen, die in Erwartung der Pflichtbesucher vorbereitet auf einer Kommode stehen und mit kleinen Etiketten versehen sind – für mich war allerdings nicht genau ersichtlich, ob da Nummern drauf stehen oder ob die Etiketten leer sind, um die Namen der Spender drauf zu schreiben, hier lässt es der Film bei der Mühe, die er sich um die Vasen macht, an Klarheit fehlen.

Ein Running-Gag ist der Quittiersatz von Wilhelm, stell das Gemüse auf den Friedhof. Der lahmt allerdings schneller als die Blumen es tun.

Ein Problem, warum mir diese exquisite Filmveranstaltung als Geburt direkt fürs Wende-Museum vorkommt, ist die sicher originalgetreue Ausstattung. Ihr gönnt die Kamera so viel Raum und die sachdienliche Beleuchtung trägt das ihre dazu bei, dass es scheint, als seien die Schauspieler lediglich zur Belebung der Museumsräumlichkeiten in Szene gesetzt. Das ist ein gewaltiger Unterschied zu Die Reise mit Vater der noch früher spielt, aber trotzdem heutiger rüberkommt.

Ein weiteres Problem scheint mir die Besetzung, vielleicht liegt es auch an der Regie oder am Buch, dass die Generationenverhältnisse merkwürdig scheinen. Kurt (Sylvester Groth) und sein Sohn Sascha (Alexander Fehling) wirken in der großen Szene am Anfang des Filmes wie zwei Brüder; es wird auch vom Text her nicht klar gemacht, dass es sich um Vater und Sohn handelt. Das kann Perzeptionsschwierigkeiten nach sich ziehen.

Ein weiteres Problem für den, der nur den Film schaut und nicht das Buch kennt, scheint mir die Russlandklammer, innerhalb derer der Geburtstag gefeiert wird; schon klar, Powileit ist russischer Herkunft und einige Verwandte von dort gibt es auch, aber von der Geschichte her war das für mich nicht sinnstiftend, auch die Beerdigung von 19991 in Slowa nicht.

Bruno Ganz bietet die Rolle eines skurrilen Alten auf dem Wege zur Senilität, der Ansätze eines Altersparadiesvogels aufweist und mit seiner Schweizerkehle mit den alpenländischen A’s ein folkloristisch-sprachliches Kolorit zur DDR-Grundstimmung beiträgt und so ein bisschen wie ein Fremdkörper wirkt. Wobei nicht immer klar ist, ob er die Gratulanten wirklich nicht mehr erkennt oder ob er bloß so tut.

Vielleicht liegt der Museumseffekt auch darin begründet, dass die Drehbuchbearbeitung versucht, ein Sittengemälde der Parteibonzenklasse der untergehenden DDR zu entwerfen und dadurch nicht die subjektive Triebkraft und das Drehmoment der Hauptfigur Wilhelm sich zunutze macht, die so selber auch nur als ein Dekorstück fungiert, da auf die Präparierung seines subjektiven Needs verzichtet wird. Wodurch möglicherweise die Chance vertan wurde, ein heutiges Publikum, was keine DDR-Affinität hat, anzusprechen, zu den Problemen des Alters sowie der Scheinheiligkeit generell bei solchen Feieranlässen eine heutige Saite anschlagend zu artikulieren. Der Film leistet das nicht, wodurch er auf nicht allzu breite Resonanz stoßen dürfte, vielleicht so wie eine Ausstellung für Philatelisten oder als Kino für den deutschen Seniorennachmittag in Chile.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert