Berlin Syndrome

Leerstehende Immobilie setzt Fantasien in Gang.

Mit dem Film Lore hat Regisseurin Cate Shortland einen herrlich sorglosen Umgang mit Coming-of-Age und Naziploitation bewiesen, sie, die Australierin.

So ist sie wohl an die Gelder gekommen für ihr jetziges Projekt nach dem Roman von Melanie Jossten, den sie mit Shaun Grant zum Drehbuch umgearbeitet hat. Diesmal legt sie ihre Keckheit mehr in die Geschichte als in die Kinematographie.

Mit Max Riemelt als Andi und Teresa Palmer als Clare ist ihr ein Besetzungsglücksgriff gelungen oder sie hat Instinkt bewiesen und Matthias Habich in einer Nebenrolle als Andis Vater fügt sich nahtlos ein. Dieser ist Professor und Andi ist Lehrer.

Andi hat in Berlin, gesegnet sei der offenbar flaue Wohnungsmarkt, einen leerstehenden Hinterhofwohnblock ausgemacht und darin eine Wohnung nach seinem Gusto und seinen Zwecken ausgebaut, kein Besuch ist hier zu erwarten, kein Nachbar, der stört oder sich für sein Privatleben interessiert. Denn dieses ist nicht ohne Spezialität.

Auf der Straße vor einer roten Ampel mitten im Berliner Verkehrsgewühl quatscht er Clare, eine australische Touristin auf Fotojagd in Berlin, an, ihm ist etwas zu Boden gefallen, sie bückt sich intuitiv. Schon sind die beiden im Gespräch. Er möchte sie von seinen Erdbeeren kosten lassen. Die seien aus dem Schrebergarten seines Vaters. Was denn ein Schrebergarten sei, fragt die Australierin.

Schon sind sie in diesem Garten und im nächsten Moment auch im Bett. Da kommt sie nicht mehr so leicht raus. Was folgt ist ein typischer Horrorfilm über einen Sadisten, der nach außen den Biedermann spielt und den man schon ganz genau studieren muss, um in seinen Augen Gestörtes aufflackern zu sehen.

Zwischendrin werden wir Zeuge einer wunderbar gefilmten Sportstunde. Er diktiert den Boys, wo es lang geht. Sein Auge aber ist auf ein Schmollmundmädchen gerichtet, das wiederum von ihm nicht loskommt. Da ist von den Blicken her die Beziehung schon eingegangen.

Solche spontanen Lebenseinblicke filmt Cate Shortland mit nach wie vor stupender Spontaneität und Natürlichkeit. Allerdings scheint sie sich das Thema Horrorfilm ebenso leger vorgenommen zu haben, ohne sich bewusst zu machen, dass filmisch funktionierender Horror streng kalkuliert werden muss, damit er spannend bleibt, frag nach bei Hitchcock. Insofen wabern manche Unentschiedenheiten durch die Zwangsbeziehung zwischen Andi und Clare, die vom Sommer bis Neujahr hält.

Vielleicht ist es nur eine Art Retourkutsche einer Australiern auf die Berichte von ermordeten Backpackern im Aussieland, zu zeigen, dass sowas auch in Deutschland möglich sei, wobei, das sei gespoilert, ermordet wird Clare nicht, aber sie erlebt Dinge, die sie in Deutschland nicht unbedingt erleben wollte, sie war ja auf Fotos und auf Bücher aus.

Während Andi den irgendwo in jedem Mann tief verborgenen Wunsch sich erfüllen will, eine jederzeit gefügige Frau zu haben. Das mit den roten Nägeln, wer will es ihr verdenken. Trotzdem, es ist auch das ein Kino, bei dem man alles um sich herum vergessen kann, ob man nun zwischen comperate und contemplate unterscheiden kann oder nicht. Der Film spielt in Kreuzberg.

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