Das Ende ist erst der Anfang

Belgisch-surrealistischer Brachlandexistentialismus.

Was ist der Mensch in seinem Sein? Geworfen auf einen Holzweg oder in ein weites Brachland? Er hat eine Aufgabe. Von einem unsichtbaren Chef. Die Suche nach einem Mobiltelefon. Oder er ist auf der Flucht als Liebespaar in Signaljacken und auf der Suche nach dem Kind. Oder er ist Autorität, muss ein mit Stacheldraht und Gittern eingezäuntes Gelände mit einer Fabrik, die offenbar außer Betrieb ist, bewachen. Oder er ist gleich der verlorene Retter, ist Jesus in Person mit den Wundmalen, den Wundmalen an den Händen.

Diese surrealen Figuren, die in halbabstrakt-halbkonkreten Zusammenhängen agieren, deren Gesichter sind mit Vorliebe in leinwandfüllenden Großaufnahmen höchst reale, höchst echte Gesichter, sie laufen sich in diesem zwar nicht Jesus-, aber doch gottverlassenen belgischen Niemandsland über den Weg.

Cochise (Albert Dupontel) und Gilou (Bouli Lanners – dieser auch für Buch und Regie verantwortlich) mit ihrem Hund. Schon sie schauen aus wie leibhaftige Propheten, Esther (Aurore Broutin) und Willy (David Murgia), der diebische, die auf der Flucht sind, er will ihr ein Geschenk für ihre Tochter machen, die sie suchen (in diesem Einödland, in diesem vergessenen Streifen Erde). Jesus (Philippe Rebbot), der aus offenbar ganz unbiblischen Gründen hier ist und sicher nicht auf Erkenntnissuche wie sein biblischer Namensvetter.

Und da es hier gefährlich ist und eine Fabrik bewacht werden muss und es auf der Welt sowieso Autoritäten und Waffen gibt, Pistolen und Gewehre, müssen diese auch abgefeuert werden. Aber begraben wird die Mumie aus einer aufgelassenen Fabrikhalle, Samuel, ein Obdachloser, der in der trockenen Luft gut mumifiziert wurde. Für die Grabrede gibt es einen Pfarrer und sinnige Worte und eine Blume auf dem Erdhügel, nur keinen Friedhof, das ist der Unterschied. Aber es gibt auch ein Lagerfeuer unterm offenen Sternenhimmel und Sternen- und Ewigkeitsphilosophiegespräche und Unendlichkeitsdiskurs.

Das Setting ist die Weite, Öde, es gibt keine Komparsen hier, jeder ist Existenz-Darsteller seiner selbst. Es gibt menschlichen Aufruhr und mehrer Pickups, die in Reihe und mit Getöse in die Nicht-Gegend preschen. Es gibt die ewig lange Brücke, ein Aequadukt oder eine Pipeline?, die wie eine Brücke sinnlos die Gegend quert zwischen Nirgendwo und Nirgendwo und wenn Menschen oben gehen, so sind auch das schöne, verlorene Existenzbilder.

Direkt formuliert: die Wüste, in der Jesus sich für 40 Tage zurückgezogen hat im Sinne der Erkenntnissuche, die ist das nicht; sie ist ein belgisches Tarantino-Schrumpfland mit einsamer Tankstelle. Sie ist ein Tummelplatz für die diversen Existenz-Clowns, die sich, wie das Kamel in der Wüste den Tropfen Wasser findet, tatsächlich über den Weg laufen.

Allerdings hätte ein bisschen mehr Story den Eindruck, dass es sich bei diesem Unternehmen von Bouli Lanners um reine Vorsätzlicheit handelt (dass alles diese gewisse Differenz zum Realismus aufweist), abmildern können.

Ein Motel gibt es auch, so viel Hauch amerikanisches Vorbild muss sein und eine Krisensitzung ebenso. Existentialistische Fragmente im Brachland des belgischen Wildwest. Belgisch-romantisch-surrealistischer Brachlandexistentialismus. Aber der Hirsch, der wird erschossen. Vorsätzlicher Randexistentialismus. Gespräch über Dicke. Der bärtige Dicke im Spital. Das Thema, sich um wen zu sorgen. Hund Gibus. Jesus‘ rote Handschuhe. Gefesselte Aufpasser. Die leicht behinderte Esther und ihre Geschichte. Und am Schluss gibt’s glückliche Musik … you will be crap —- Erde zu Erde …

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